Verzicht des senegalesischen Präsidenten: Salls weise Entscheidung
Nicht ein drittes Mal zu Präsidentschaftswahlen in Senegal anzutreten, ist Macky Sall hoch anzuerkennen. Andernfalls hätte er sein Land in neue Unruhen gestürzt.
S enegal hat in letzter Minute die Kurve gekriegt. Indem Präsident Macky Sall auf eine Kandidatur bei den nächsten Präsidentschaftswahlen im Februar 2024 verzichtet, erspart er seinem Land eine Krise mit Ansage. Erst vier Wochen ist es her, da führte eine umstrittene Verurteilung des Oppositionsführers Ousmane Sonko zu Massenprotesten mit zahlreichen Toten.
Das traditionelle Image Senegals als Westafrikas stabilste und friedlichste Demokratie hatte durch blutige Unruhen und brutale Polizeigewalt starken Schaden genommen. Alle wussten: Das war nur der erste Akt. Ganz entscheidend war die Frage, wie es Macky Sall mit den Wahlen 2024 hält: Respektiert er den Verfassungsgrundsatz, dass er nach zwei gewählten Amtszeiten nicht ein drittes Mal kandidieren darf?
Oder bleibt er bei seiner eigenwilligen Interpretation, dass nach der jüngsten Verfassungsreform der Zähler zurückspringt, seine aktuelle Amtszeit nicht zählt und er 2024 erneut zum zweiten Mal antreten kann? Sall hat nun in einer in Senegal vertrauten intellektuellen Akrobatik verbal die zweite Option verteidigt und praktisch die erste gewählt. Er darf 2024 antreten, tut es aber nicht, sagte er.
Manche empören sich darüber, aber am Ende zählt das Ergebnis: Und Salls Rückzug nimmt der anschwellenden Wut in der senegalesischen Gesellschaft die Spitze. Der Staatschef legt eine politische Klugheit an den Tag, der seine Gegner nun nacheifern müssen, um sich selbst 2024 glaubwürdig um die Nachfolge bewerben zu können. Für Westafrika insgesamt ist das eine Beruhigung. Seit den Militärputschen in Mali, Guinea und Burkina Faso ist die zivile Demokratie in der Region nicht mehr alternativlos.
Nicht von ungefähr hat der letzte noch übrig gebliebene gewählte zivile Staatspräsident in der Sahelzone, Mohamed Bazoum in Niger, Sall nach seiner Fernsehansprache als Erster gratuliert. Um die Spirale von Gewalt und Instabilität zu brechen, braucht Westafrika Regierungen, die sich an ihre Gesetze halten und gegenüber der eigenen Bevölkerung auf Willkür verzichten. Senegal kann da mit gutem Beispiel vorangehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“
Bequem gemacht im Pseudoliberalismus