Verschlüsselte Nachrichtendienste: Seehofer will mehr Zugriff
Der Innenminister will im Kampf gegen Terror an die Kommunikation ran. Frankreich und Österreich drängen beim EU-Treffen auf hartes Durchgreifen.
Der CSU-Politiker wollte mit diesen und anderen Maßnahmen auf die islamistischen Terrorangriffe in Paris, Nizza, Dresden und Wien reagieren. Da Deutschland den halbjährlich wechselnden EU-Vorsitz innehat, kann Seehofer die Agenda vorgeben und eigene Schwerpunkte setzen.
Allerdings gab es bei der Konferenz, bei der es neben dem Terror auch um die künftige Asyl- und Flüchtlingspolitik ging, noch keine Beschlüsse. Seehofer wurde zwar von Frankreich und Österreich unterstützt, die ebenfalls auf ein hartes Durchgreifen gegen Islamisten drängen.
So hatte der französische Staatschef Emmanuel Macron eine Reform des Schengen-Systems und mehr Kontrollen an Binnen- und Außengrenzen gefordert. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz will sogar gegen den „politischen Islam“ vorgehen – und nicht nur gegen Terroristen und Sympathisanten.
Seehofer: „Wir kämpfen nicht gegen ein Religion“
Die radikalen Vorschläge sind in der EU jedoch nicht konsensfähig. „Wir kämpfen nicht gegen eine Religion, sondern gegen fanatischen und gewalttätigen Extremismus jeder Art“, sagte Seehofer nach der Videokonferenz. Statt sich auf Islamisten einzuschießen, müsse die EU ihre Anti-Terror-Beschlüsse umsetzen und „optimieren“.
Vor allem die Überwachung von Messengerdiensten wie Signal oder WhatsApp hat es den Sicherheitsbehörden angetan. Denn in privaten Chatgruppen werden immer wieder Attentate vorbereitet oder Videos von Terroranschlägen verbreitet. Dies will die EU unterbinden.
„Ich persönlich bin dafür, dass wir alle nachrichtendienstlichen Möglichkeiten nutzen“, sagte Seehofer. Er wisse um Datenschutz und verfassungsrechtliche Grenzen. „Aber das kann nicht dazu führen, dass man sich überhaupt keine Gedanken darüber macht, wie man einer sehr gefährlichen Klientel, den Gefährdern“, auf die Spur komme.
In der Praxis stoßen sich Seehofer und seine Amtskollegen allerdings an zwei Problemen. Zum einen gibt es in der EU keine einheitliche Definition von Gefährdern. In vielen EU-Ländern ist dieser Begriff nicht einmal bekannt. Von einer rechtlich „wasserdichten“ Formulierung, wie sie für EU-Beschlüsse nötig wäre, ist man deshalb weit entfernt.
Europaabgeordnete warnen
Zum anderen warnen nicht nur Datenschützer, sondern auch Europaabgeordnete vor neuen Kompetenzen für die Terrorfahnder. Vor allem der Zugriff auf verschlüsselte Daten stößt auf Widerstand. „Nur ‚ein bisschen Hintertür‘ gibt es nicht“, warnt der Parlamentarier der Piratenpartei, Patrick Breyer. „Die Sicherheit unser aller Kommunikation muss Vorrang haben. Das ist die klare Position des Europaparlaments seit 2017.“
In einem ersten Entwurf für das Ministertreffen war von einem möglichen Verbot sicherer Verschlüsselung die Rede. Der deutsche EU-Vorsitz erklärte jedoch, man habe sich noch nicht festgelegt. Seehofer sprach am Freitag nur noch von einem „Prüfauftrag“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour