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Verlag gegen AdblockerDie „SZ“ macht den Blockblock

Auf sueddeutsche.de kann man jetzt keine Werbung mehr ausblenden. Ein Wagnis – denn das könnte NutzerInnen abschrecken.

Geh weg? So meint es die „SZ“ dann auch wieder nicht Foto: Photocase / inkje

Der Gedanke ist verständlich: In Ruhe online Nachrichten lesen, ohne dass dieser penetrante Schwäbisch-Hall-Fuchs mit Bausparangeboten wedelt. Warum gibt es den nach all den Jahren überhaupt noch?

Wer keine Lust auf Werbung im Netz hat, lädt sich einen Adblocker herunter. Das geht schnell, und schon ist Ruhe. Außer bei sueddeutsche.de, wo das jetzt nicht mehr ganz so einfach ist. Das Onlineangebot der Süddeutschen Zeitung, der zweit-auflagenstärksten Tageszeitung in Deutschland, blockiert seit Dienstag nämlich all jene, die Werbung blockieren. Wer mit einem Adblocker auf sueddeutsche.de geht, muss, um weiterlesen zu können, eine von drei Möglichkeiten wählen:

Erstens: ein Abo abschließen. Also bezahlen. Zwischen knapp zwei Euro für den Tagespass und gut 30 Euro für einen Monat all inclusive. Zweitens: den Adblocker für sueddeutsche.de deaktivieren. Geht leicht, aber dann kommt eben wieder der fürchterliche Bausparfuchs.

Und die dritte und eleganteste Variante: einen kostenlosen Account anlegen. Dann kann man weiter blocken und zahlt nichts – außer seine Daten.

Die Aufgabe, Onlineangebote wirtschaftlich zu gestalten, stellt Verlage vor ein Paradox: Einerseits steigern kostenlose Inhalte die Reichweite. Texte ohne Bezahlschranke können von allen gelesen und geteilt werden, werden eher zu Clickmonstern, was wiederum die Zugriffe auf die Seite insgesamt erhöht.

Die liebe Reichweite

Andererseits lassen sich so die Kosten für gute journalistische Arbeit nicht wieder einspielen – die Wirtschaftlichkeit von Onlineangeboten hängt so meist immer noch von den Aboverkäufen der Print-Schwestern ab.

Werbung ist daher für Verlage der Mittelweg, um ohne Zugangsbarriere trotzdem Einnahmen zu generieren. Allerdings zahlen Anzeigenkunden nur für Werbung, die tatsächlich von NutzerInnen gesehen wird. Das wird zum Problem, wenn ein Viertel der InternetnutzerInnen Adblocker verwendet – wie eine Studie der Universität Hamburg im Juni gezeigt hat. Knallhart gegen Werbeverweigerer geht bisher trotzdem nur Bild.de vor. Wer dort mit Adblocker surft, sieht rein gar nichts. Andere Verlage versuchen es mit softerer Politik: stern.de startete im Juni eine Kampagne, bei der humoristisch zum Entblocken aufgerufen wurde – wer weiterblockte, hatte indes keine Konsequenzen zu befürchten.

Schließlich geht es beim Adblocken auch wieder um Reichweite: Ein Viertel der LeserInnen will man nicht vor den Kopf stoßen. Und die Bereitschaft, für Inhalte im Netz zu bezahlen steigt zwar, aber langsam – und außerdem vor allem bei umfangreichen, unterhaltsamen Stücken. Zum journalistischen Tagesgeschäft gehören jedoch auch vergleichsweise trockene, nachrichtliche Inhalte. Die machen nicht unbedingt Spaß – kosten die AutorInnen aber Zeit und die Verlage Geld.

Reichweiteneinbußen fürchtet SZ-Digital-Geschäftsführer Johannes Vogel indes nicht: „Die Brutto-Reichweiten gehen vermutlich runter. Entscheidend sind aber die Netto-Reichweiten, welche mit jedem Nutzer, der den Blocker für uns deaktiviert, steigen.“ Heißt: Weniger Leute klicken sueddeutsche.de, aber diejenigen, die weiter klicken, klicken mehr Werbung.

Nun wird sich zeigen müssen, ob die neue Politik NutzerInnen abschreckt oder sie sich auf den Deal einlassen: Entweder zahlen – oder Bausparfuchsterror. In jedem Fall ist löblich, dass sueddeutsche.de sich als Erster zum Spielverderber macht. Langfristig wird die Branche nämlich ohnehin überlegen müssen, wie sie mit steigender Online-Nutzung und sinkenden Printabonnements umgeht.

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21 Kommentare

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  • Werbung macht kostenlose Angebote häufig überhaupt erst möglich. Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Aber heutige Onlinewerbung macht Webseiten nicht nur unbenutzbar, sondern weist auch erhebliche technische Mängel auf. Es fehlt eine ausgewogene Debatte unter Einbeziehung des Verbraucherschutzes. Wer Firefox mit dem Add-on „Greasemonkey” nutzt, kann sueddeutsche.de bis dahin mit diesem Benutzerskript weiterlesen: https://greasyfork.org/de/scripts/24477-s%C3%BCddeutsche-adblock-aid

  • Es kam in diversen Kommentaren schon zur Sprache; um es nochmal auf den Punkt zu bringen: wenn 25% der Leser aktiv Maßnahmen treffen, um sich vor Werbung zu schützen, dann liegt das doch an der Werbung! Ich will nicht, dass mein Text überlagert wird, mein Bildschirm an allen Ecken plötzlich blinkt, der Lautsprecher gar zu brüllen anfängt, und selbstverständlich will ich nicht, dass mein Benutzerverhalten ausspioniert und mein Rechner mit Schadsoftware gefüttert wird. Die Werbeagenturen, wo angeblich hoch kompetente Psychologen ihr Geld verdienen, können doch nicht im Ernst glauben, bei dieser Zielgruppe einen Blumentopf zu gewinnen, wenn sie sie zwingen, den Adblocker abzuschalten. Sollen sie halt so werben, dass man damit leben kann.

  • Ah ich habe mich grade verlesen.

    ich las gerade:

    Auf sueddeutsche.de wird jetzt jede Werbung blockiert.

    ...

  • Tja, was soll man sagen:

    Lückenpresse...

  • Wenn der SZ mehr daran liegt, dass die Online-Leser von Werbung genervt werden als dass sie journalistische Beiträge zu lesen bekommen, dann muss das eben so sein.

  • Nanana da hat aber wer nicht aufgepasst. Es fehlt nämlich eine Option, eine sehr gute sogar. SZ.de lädt immer noch die Artikle wie vorher, nur wird man dank JS dann zu einem Adblocker nagscreen weiter geleitet. Heißt es lädt eine neue Seite. Es hindert einen nichts dran das Laden der SZ-Adblockseite abzubrechen, dann bleibt man auf der Artikelseite und kann ganz normal lesen. Im Grunde nichts anderes als das TAZ-nagscreen, nur dass es eine zeitliche Komponente gibt.

  • Ich habe jetzt auf sueddeutsche.de alle Adblocker deaktiviert - und bekomme immer noch die Meldung, doch bitte Adblocker zu deaktivieren. Auch nach Reload und Cache-Leerung. Interessanterweise aber auch erst nach ein paar Sekunden Ladezeit, wo ich die Seite betrachten kann.

    Da auf Bild.de das gleiche Vorgehen zum Erfolg führt, vermute ich jetzt auch nicht, dass das an mir liegt.

  • Gute Recherchearbeit macht sich nicht umsonst und muss irgendwie finanziert werden. Ich als Konsument kann mich dann entscheiden, ob ich Werbung (Sinnhaftigkeit stelle ich auch in Frage) sehen will oder nicht. Ich zahle für einige Zeitungen, nicht weil ich muss, sondern weil ich will, denn Qualität ist mir wichtiger als Quantität. Die TAZ hat mit der Möglichkeit "TAZ zahl ich" einen guten Weg eingeschlagen, ob jedoch diese Freiwilligkeit funktioniert, kann mir nur die TAZ beantworten.

  • Es ist kompliziert. Im Sinne von: richtig, richtig schlimm kompliziert.

     

    Vorab: wenn ein Webseitenbetreiber irgendwas auf seiner Webseite veranstaltet, dann ist das sein Recht - ob gutes oder schlechtes Recht ist dabei unerheblich. Als Besucher kann man nur entscheiden, ob man weiterhin besucht oder eben nicht.

     

    Ansonsten kann man mal eine illusive "heile Welt"-Utopie träumen: so eine Verlagsgruppe als Webseitenbetreiber könnte ja alle Werbemaßnahmen auf ihrer Seite selber und auf den eigenen Servern betreiben. Cookies, Tracker, Analytics, .... in eigener Zuständigkeit und Verantwortung eingebunden in die eigenen Inhalte. Mit der Zeit würde man dann als Betreiber auch sehen, was geht, was nicht gut geht und was gar nicht geht.

     

    Realität ist natürlich was ganz anderes. 99% und mehr des Codes einer Webseite einer großen Verlagsgruppe liegen vollkommen außerhalb des Einflusse, der Zuständigkeit und natürlich auch der Verantwortung des Webseitenbetreibers. Er delegiert alles nach buchstäblich irgendwohin im Gegenzug für weniger als "lousy pennies". Selbst rudimentäre Kontrolle über den Code kann er nicht behaupten zu haben.

     

    Blockiermaßnahmen der Nutzer richten sich gegen *diese* unkontrollierten, nicht verantworteten Code-Anteile, nicht gegen die paar geringfügigen Inhalte des Webseitenbetreibers. Und das aus bekannten, gut belegbaren Gründen (code injection attacks....).

     

    Auf verantworteten Code zu verzichten und gleichzeitig einem Besucher die Mittel zum Selbstschutz aus der Hand zu nehmen..... heikle Sache, das.

  • Es geht ja (mir und anderen zumindest) nicht nur um das Blockieren der Werbung -- man schaue sich mal an, welche Masse an Trackern sueddeutsche.de lädt (bei fefe gibt's ne Liste: https://blog.fefe.de/?ts=a6f0d544).

    - "Welche Tracker hätten's denn gern?" - "Alle!"

     

    Und dann empfehle ich dieses Video von der re:publica: https://www.youtube.com/watch?v=zJUmjtjCtY8

    Die Installation eines Adblockers (und/oder JavaScript-Filters, NoScript etc.) ist schlicht eine ganz wesentliche Sicherheitsmaßnahme auf jeden System.

  • 3G
    36119 (Profil gelöscht)

    Ich würde Werbung eventuell hinnehmen, wenn sie berechenbar und massvoll geschaltet würde, d.h. immer nur an einer bestimmten Stelle der jeweiligen der Website und vor allem ohne Animationen. Dass das Surfen dadurch verlangsamt wird, sei geschenkt. Wenn aber von allen Seiten einer Webseite Bilder leuchten und Werbung mehr Platz einnimmt als der Inhalt, den ich lesen will. dann ist endgültig das Ende der Fahnenstange erreicht, die Alternative nur noch Adblock oder eben Boykott.

  • Sueddeutsche.de ist es schon lange nicht mehr wert, ebensowenig Zeit.de. Spiegel.de war lange ok, aber seit die ihr Bezahlmodell eingeführt haben (und außerdem immer tendenziöser "berichten"), stinkt mir das auch. Ich geh jetzt wieder über Google News.

    • @hmans:

      Richtig. Die Süddeutsche überschätzt sich maßlos. Die online-Version unterscheidet sich, teils bis in den Wortlaut hinein, kaum von SPON.

       

      Beispiel:

      SZ: "Auch Trumps neuer Wahlkampfstratege sorgt für Ärger

       

      Stephen Bannon ist erst wenige Tage Wahlkampf-Manager von Donald Trump. Nun tauchen allerlei belastende Geschichten aus seiner Vergangenheit auf. mehr..."

       

      SPON: "Vorwürfe gegen Stephen Bannon Auch Trumps neuer Wahlkampf-Chef macht Ärger

       

      Erst seit einer Woche ist Stephen Bannon Wahlkampf-Chef von Donald Trump. Nun werden Geschichten aus seiner Vergangenheit zum Skandal. mehr..."

       

      Sehe hierzu auch das KenFM-Interview https://www.youtube.com/watch?v=NqbMhzWtRQc

  • Wie jetzt ? Im Adblock einfach forbid sueddeutsche.de, also allow suedddeutsche.de da stehen haben. Bei mir funktionierts.

    Bei BILD, wenn´s denn sein muss, einfach www. im ULR-Fenster durch m. ersetzen.

    • @lions:

      Sorry, natürlich nicht in Adblock sondern im Noscript.

  • media-cdn.sueddeutsche.de/globalassets/js/sde-header-desktop.js$script

    Das einfach beim Adblocker als Extra-Filter eingeben, dann sollte es wieder gehen.

  • Na und? Es gibt so viele andere Onlineangebote, daß ich auf die SZ gut verzichten kann.

     

    Und man darf gespannt sein, wie lange die das machen werden. Ich glaube kaum, daß Viele ihre Adblocker deaktivieren werden, nur um die SZ online lesen zu dürfen.

  • 3G
    36119 (Profil gelöscht)

    Ich entferne rigoros jeden Link, der mit Adblock nicht funktioniert, genauso wie ich den TV-Sender umschalte, wenn plötzlich Werbung kommt. Das steht mir als Verbraucher schon zu, genauso wie es dem Anbieter zusteht, nur ohne Adblock Zugang zu seinem Produkt zu gewähren. Es gibt einfach zu viele Anbieter, als dass einzelne den Verbraucher in ihrem Sinne umerziehen könnten. Das, was ich bei Bild nicht sehen kann, finde ich ohne Weiteres bei Krone. Das, was SZ mir verwehrt, finde ich bei Der Standard oder The Guardian. Simple like that.

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Adblocker ausschalten, selten so gelacht.

  • Ich frage mich ganz ehrlich, ob Zeitungswerbung je so funktioniert hat, wie sich die Werbenden das so vorstellen.

     

    Ob nun Der Spiegel oder c't. Ich lese einen Artikel und wenn ich sehe, dass auf der rechten Seite oder unten kein Text mehr ist, dann blätter ich um, ohne dem Werbenden irgendeine Aufmerksamkeit zu schenken.

     

    Und wenn jetzt jemand mit "subliminal" argumentiert. Nehmen wir doch mal typische Modewerbung: Ein Mann mit gutem Anzug, guter Krawatte und guter Uhr. Selbst wenn ich diese Person wahrnehme muss ich trotzdem erst aktiv auf den Namen des Werbetreibenden gucken und aktiv drüber nachdenken ob ich die Marke kenne und ob diese für Anzüge, Uhren oder gar ein Parfüm wirbt.

     

    Das macht man aber normalerweise nicht. Man sieht eine Person, weiß instinktiv dass es Werbung ist und blättert weiter. Da kann gar nichts hängen bleiben bis auf die abstrakte Information "da war Werbung für irgendwas".

     

    Und selbst wenn Werbung hängen bleibt und sie in Villabajo noch die Paellapfannen putzen, so hab ich doch nie Fairy Spülmittel gekauft, obwohl ich immer noch von Hand abwasche...

  • Einfach pauschal JavaScript, Frames und Plugins blocken und man kann ganz ohne Hinweis bequem alles weiter benutzen wie bisher. Funktioniert hier auf taz.de übrigens auch hervorragend.

     

    Addon: ScriptSafe für Chrome