Verkehr in Berlin: Es kommt, es kommt nicht, es kommt…
Die rot-rot-grüne Koalition einigt sich und will das jüngst von der SPD-Fraktion gestoppte Mobilitätsgesetz doch noch vor der Sommerpause beschließen.
Die rot-rot-grüne Koalition hat beim Mobilitätsgesetz noch die Kurve gekriegt und kann es doch wie versprochen vor der Sommerpause im Abgeordnetenhaus beschließen. SPD, Linkspartei und Grünen stimmten am Dienstagnachmittag in ihren Fraktionssitzungen einem Kompromissvorschlag zu. Vergangene Woche hatte die SPD den Gesetzentwurf kurz vor der Abstimmung im Verkehrsausschuss gestoppt: Es gebe noch Beratungsbedarf. Den Sozialdemokraten fehlte dem Vernehmen nach ein eigenes Kapital zum Thema Autoverkehr, so wie es auch konkrete Festlegungen zu Rad-, Fuß- und Bus-, Tram- und Bahnverkehr gibt.
Mancher Sozi war seit langem sauer: Was offiziell Mobilitätsgesetz heißt, ist im normalen Sprachgebrauch zwischen Abgeordneten und Journalisten oft nur „das Radgesetz“ und die Umsetzung der großen Radinitiative von 2016. Die steuerte damals auf einen erfolgreichen Volksentscheid zu, bis die neue rot-rot-grüne Koalition versprach, zügig ein entsprechendes Gesetz auf den Weg zu bringen. SPD-Fraktionschef Raed Saleh allerdings warnte schon Anfang 2017: „Die SPD-Fraktion wird einer Politik entgegen stehen, die sich gegen Autofahrer richtet.“ Am 20. Februar dieses Jahres beschloss der Senat dazu schließlich einen Gesetzentwurf, der seither dem Abgeordnetenhaus vorlag.
Ein eigenes Kapitel zum Autoverkehr gibt es allerdings auch nach der jüngsten Überarbeitung nicht. Zwar verweist die neu eingebaute Präambel, also das Vorwort fürs Ganze, auch auf die Bedeutung des Autoverkehrs. „Aber das ist doch nur lächerliche Kosmetik“, kommentierte der CDU-Verkehrspolitiker Oliver Friederici. „Wir warnen davor, die Autofahrer weiter zu drangsalieren.“ Seine Fraktion lud passenderweise am Dienstagabend zu ihrem Jahresempfang in eine noble Oldtimer-Werkstatt ein.
Tatsächlich taugt der Hinweis auf den Autoverkehr wenig, SPD-nahe Autofahrer zu beruhigen: In der Präambel ist nämlich auch davon die Rede, dass der sogenannte Umweltverbund Vorrang habe. Dieser Begriff steht für Fuß- und Radverkehr und den öffentlichen Personennahverkehr aus Bus und Bahnen.
Die SPD-Fraktion stellte die Sache am Dienstag leicht anders da: Demnach ging es bei ihren Bedenken gar nicht so sehr um den Autoverkehr, sondern vielmehr um gleiche Verhältnisse in allen Bezirken, innerhalb und außerhalb des S-Bahn-Rings. Das soll sich auch auf das Angebot an Leihrädern und das Wirkungsfeld der Fahrrad-Staffel der Polizei beziehen. „Es darf kein Gesetz nur für Kreuzberg geben“, hieß es aus der Fraktion. Und das sei nun in der Präambel fest geschrieben.
Der Regierende Bürgermeister und SPD-Landesvorsitzende Michael Müller hatte am frühen Nachmittag vor der SPD-Fraktionssitzung die Aufregung um die Verzögerung gar nicht verstehen wollen. „Die Überraschung darüber müsste sich in Grenzen halten“, sagte er auf Frage der taz, „die SPD-Seite im Senat hat von Anfang an gesagt: Wir müssen im Blick haben, dass es auch noch Autofahrer gibt.“
Leser*innenkommentare
Sophie Kowalski
Wir haben seit Jahrzehnten eine autofreundliche Politiklandschaft. Wenn die da jetzt aus Gründen der "Gerechtigkeit" in eine Verordnung, die dem entgegenwirken soll, autofreundliche Passagen einschieben, kann ich nur herzlich lachen. Wir müssten 10 Jahre NUR für Fahrrad, Fußgänger und ÖPNV Gesetze machen, das wäre ansatzweise gerecht.
Senza Parole
Wie auch immer, an den Taten werden wir euch messen.
Eine autoorientierte Verwaltung zu reformieren wird nicht einfach.