Verhandlungen zur Emissionsminderung: Warschauer Pakt in der Klimakrise
Im nächsten Jahr soll die UN-Klimakonferenz in einem früheren Ostblockstaat stattfinden – trotz Krieg in der Ukraine. Die Standortwahl wird schwierig.
Das ist keine Absicht. Nach den Statuten der Vereinten Nationen „wandern“ die Klimakonferenzen einfach in einem festgelegten Turnus über den Globus. Im vergangenen Jahr fanden die Verhandlungen in Ägypten, also in Afrika, dieses Jahr ist Asien dran, konkret die Vereinigten Arabischen Emirate.
2024 ist dann ein Staat aus dem ehemaligen Warschauer Pakt an der Reihe – jenem Militärbündnis, das die Sowjetunion einst anführte. Eigentlich hat sich das Bündnis 1991 aufgelöst. In der Welt der Klimadiplomatie besteht es noch.
Fragt sich, welcher Ostblockstaat sich für die Ausrichtung des Megaevents mit bis zu 40.000 Teilnehmern, entsprechend viel internationaler Aufmerksamkeit, aber auch hohen Kosten bewerben möchte? Bislang hatte immer nur Polen Interesse: 2008 war Poznań Gastgeber, fünf Jahre später die Hauptstadt Warschau, weitere fünf Jahre später Katowice. Was aber, wenn sich diesmal Belarus bewirbt? Oder gar Russland selbst?
Tschechien hatte Bewerbung in Aussicht gestellt
In Stellung hat sich Tschechien gebracht. Der neue tschechische Ministerpräsident Petr Fiala von der Demokratischen Bürgerpartei hatte eine Bewerbung Prags zumindest im Parlament angekündigt. Zuvor hatte der ehemalige Umweltminister und heutige UN-Diplomat Jan Dusik eine tschechische Bewerbung ins Spiel gebracht, auch eine „gemeinsame Bewerbung mit einem anderen osteuropäischen Land.“
Zuletzt wurde die tschechische EU-Ratspräsidentschaft gelobt, das Nachbarland Deutschlands führte das Staatenbündnis in der zweiten Jahreshälfte 2022 durchaus mit Geschick und Erfolg durch schwierige Zeiten.
„Für die tschechische Politik wäre eine Ausrichtung extrem vorteilhaft“, sagt Romana Jungwirth Březovská, die in Prag für das Institut für Forschung zum globalen Wandel an der tschechischen Akademie der Wissenschaften arbeitet. „Eine Gastgeberschaft bedeutet, dass auch die Präsidentschaft der COP in tschechischer Obhut wäre“, so Jungwirth Březovská.
Das heißt: Das Land muss die Verhandlungen leiten, zwischen Streitparteien vermitteln, kluge Formulierungen für Beschlüsse entwerfen. Um eine solche Aufgabe zu meistern, sei es notwendig, „Kapazitäten aufzubauen – sowohl in der Sache als auch in der Diplomatie“, meint Jungwirth Březovská.
Die tschechische Politik müsste sich also verstärkt mit dem Thema Klimaschutz auseinandersetzen. Zudem würde eine solche Präsidentschaft tief in die Gesellschaft wirken und das Problem der Erderwärmung ins tschechische Bewusstsein holen, „von den Hauptnachrichten bis zu den Parteien“.
„Wir Tschechen lieben den Erfolg“, sagt Vít Dostál, Geschäftsführer der Prager Nichtregierungsorganisation AMO, die Forschung und Bildung in den internationalen Beziehungen voranbringen will. Deshalb sei nach der Ratspräsidentschaft eine Bewerbung für die Weltklimakonferenz konsequent. „Tschechien hat seine Stimme in Europa gefunden“, so Dostál. Leider aber habe Ministerpräsident bislang Fiala seine Pläne nicht konsequent verfolgt, für eine Bewerbung bleibe nicht mehr sehr viel Zeit.
Ganz und gar gegen eine Bewerbung spricht sich dagegen die tschechische Umweltbewegung aus. „Die Regierung unternimmt zu wenig gegen die Erderwärmung“, sagt Radek Kubala, Klima-Aktivist von der Organisation Re-Set. „Die Erfahrungen aus Polen zeigen: UN-Klimakonferenzen dienen nur als Feigenblatt für aktiven Klimaschutz – und das brauchen wir nicht.“
Tschechien ist der elftgrößte Braunkohleförderer der Welt, 2021 wurden knapp 30 Millionen Tonnen verstromt. Zum Vergleich: Deutschland ist nach China der zweitgrößte Förderer mit 126 Millionen Tonnen. Mit 8,7 Tonnen pro Kopf war Tschechien 2020 klimaschädlicher als Deutschland (7,7 Tonnen).
Deshalb verklagte die Gruppe „Klimaklage“ den Staat auf Untätigkeit im Bereich Klimaschutz. „Das Bezirksgericht in Prag gab ihr in einem richtungsweisenden Urteil recht“, sagt Jungwirth Březovská. Allerdings ging Tschechiens Regierung in Berufung. Die Verhandlungen laufen derzeit noch.
Ein weiterer Krieg belastet die Standort-Wahl
Während Tschechien noch zögert, haben sich auch schon andere Staaten für die Austragung der Weltklimakonferenz ins Spiel gebracht – auch bei ihnen könnte die Weltpolitik aber teils einen Strich durch die Rechnung machen.
„Alternativ haben sich Aserbaidschan, Armenien und Bulgarien um die COP-Präsidentschaft beworben“, sagt Professor Raimund Schwarze, Umweltökonom an der Europa-Universität Viadrina und am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig. Er beobachtet die internationale Klimadiplomatie seit vielen Jahren.
Weil das UN-Klimasekretariat sich auf keine Seite der Konfliktparteien im Krieg um die Region Berg-Karabach schlagen dürfe, glaubt Schwarze nicht, dass Aserbaidschan oder Armenien realistische Standorte wären. Nach aktuellem Stand steht für ihn fest: „Es wird Bulgarien.“
Im Jahr 2025 folgt dann übrigens ein „westlicher“ Ausrichter. Das heißt: Ein Staat der Europäischen Union, Nordamerikas oder Großbritannien. 2026 ist ein mittel- oder lateinamerikanischer Staat an der Reihe. 2027 geht der Zyklus dann in Afrika von neuem los.
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