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Verfassungsgericht zu FeiertagsschutzEin Heidenspaß

Tanzen als politischer Protest muss möglich sein. Es darf am Karfreitag nicht grundsätzlich verboten sein, urteilt das Bundesverfassungsgericht.

Christen müssen damit leben, am Karfreitag mit anderen Weltanschauungen konfrontiert zu werden Foto: dpa

Karsruhe taz | Bayern muss den strengen Schutz des Karfreitags etwas lockern. Politisch und weltanschaulich motivierte Tanz- und Unterhaltungsveranstaltungen müssen auch am Karfreitag möglich sein, entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht.

Geklagt hatte der Bund für Geistesfreiheit, eine bayerische Organisation mit knapp 5.000 Mitgliedern, die sich für die Trennung von Kirche und Staat einsetzt und Privilegien der Kirche kritisiert.

Zum Karfreitag 2007 luden die Freidenker unter dem Motto „Heidenspaß statt Höllenqual“ ins Münchener Oberangertheater. In ihrer „Religionsfreien Zone München“ sollte es eine atheistische Filmnacht („Freigeister-Kino“), ein Pralinenbuffet und am Ende einen „Freigeister-Tanz“ mit der Rockband „Heilig“ geben. Wie erwartet verbot die Stadt die abschließende Tanzveranstaltung, weil sie gegen das bayerische Feiertagsgesetz verstoße.

Dieses Gesetz benennt neun Feiertage (vom Karfreitag bis zum Totensonntag) als „Stille Tage“, an denen nicht nur die Läden geschlossen bleiben, sondern auch Sport- und Unterhaltungsveranstaltungen grundsätzlich verboten sind. Die Kommunen können zwar Ausnahmen zulassen – „nicht jedoch für den Karfreitag“, heißt es im bayerischen Gesetz. Das geht zu weit, entschied jetzt der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts.

Die Versammlungsfreiheit ist wichtiger

Zumindest für Veranstalter, die sich auf die Versammlungs- und Weltanschauungsfreiheit berufen, müsse es auch am Karfreitag möglich sein, Unterhaltungsveranstaltungen durchzuführen. Wer also aus politischen Gründen gegen das Tanzverbot am Karfreitag demonstrieren will, muss auch am Karfreitag demonstrativ tanzen dürfen. Die Heidenspaß-Party hätte deshalb nicht verboten werden dürfen – zumal sie als Veranstaltung im geschlossen Raum wenig Störung für andere verursacht hätte.

Die Verfassungsrichter nutzten den Fall zu einem Grundsatzurteil über den Feiertagsschutz im weltanschaulich neutralen Staat. So dürfe der Staat durchaus christliche Festtage als staatliche Feiertage ausweisen und auch als „Stille Tage“ definieren.

Der Staat dürfe mit den Feiertagen aber nur einen „Rahmen“ zur Verfügung stellen, den jeder Bürger selbst füllen kann, entweder zur Erholung oder zur religiösen Erbauung. Der christliche Teil der Bevölkerung habe dabei keinen Anspruch, an solchen Tagen nicht mit anderen Religionen oder Weltanschauungen konfrontiert zu werden. (Az. 1 BvR 458/10)

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8 Kommentare

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  • Nur weltanschauungsneutrale Feiertage!

     

    Das Bundesverfassungsgericht muss sich an die Pflicht zur Weltanschauungsneutralität halten. Dementsprechend hat es richtigerweise im letzten Jahr geäußert, dass auch das Christentum nicht bevorzugt werden darf.

    Folglich müsste es sämtliche Feiertagsgesetze dahingehend ändern, dass es keinen staatlichen christlichen Feiertag mehr geben darf, sondern nur noch strikt weltanschauungsneutrale Feiertage, wie z.B. Feiertage des Friedens, der Liebe, Gerechtigkeit, Umwelt, Gleichheit, Völkerverständigung, Europäische Union, Erde im Weltall.

    Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass es nur noch staatliche Feiertage gibt, mit denen alle Menschen etwas Sinnvolles anfangen können, egal ob sie religiös sind oder nicht.

    Auf die speziellen Feiertagswünsche von religiösen und nichtreligiösen Menschen könnte insofern Rücksicht genommen werden, dass sie pro Jahr ca. fünf Extra-Feiertage bekommen könnten – ohne den bisherigen völlig unnötigen Zwang, dass auch alle anderen andersgläubigen Menschen "mitfeiern" müssten.

    Nur so wäre eine gesellschaftliche, friedliche Gemeinschaft aller Menschen mit gegenseitiger Rücksichtnahme möglich – egal welche religiöse oder nichtreligiöse Weltanschauung sie haben.

  • Ein Bundesverfassungsgericht muss bei dieser Kleinigkeit ein Urteil fällen, traurig, in welcher Verfassung der Staat ist.

  • Ein Heidenspaß - Gewiß. - ;) - but -

    Hackt mal nicht so auf den Bayern rum

    (schonn gern;) - aber - NRW klerikal - Get it?

    Aber Hallo - mit schwer preußischem Einschlag - allemal!

    Alles vom Feinsten!

     

    Einerseits -

    "Wie gut - daß wir nicht evangelisch sin …" & klar

    Pfaffe an den Tasten - im Weissen Holunder schmettern!

     

    Aber - Luurens all - andererseits ~>

    Entscheidung 70 in KirchenSachen - von 1996 - !!

    Aber Hallo!

    "Die Aufführung des Theaterstücks "Tod im Rheinland" ist in Nordrhein-Westfalen an Karfreitag verboten.

    § 6 Abs 1,…FTG NW - VG Köln, Urteil vom 5. September 1996 - 20 K 2934/95 -

    "Die Klägerin betreibt ein Theater. Ausweislich ihres Programmhefts für April/Mai war für Karfreitag…das Thesterstück Tod im Rheinland - eine bunte Knochenlese zur Auffassung beansichtigt. Diese Aufführung wurde als Trauerprogramm zum Karfreitag angekündigt.

    Mit Schreiben vom …wies die beklagte Stadt die Klägerin auf die Rechtslage…hin.…" https://books.google.de/books?id=oRKx8gohJ84C&pg=PA342&lpg=PA342&dq=knochenlese+im+Rheinland&source=bl&ots=71K1YX6WjZ&sig=KdPpXxlxP8JEVmZOomOjqV0Nnhc&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwia-qe7h9LQAhVDiiwKHVC-CcE4FBDoAQgcMAE#v=onepage&q=knochenlese%20im%20Rheinland&f=false - un de Kölsch?

     

    Gewiß mehr Werbung jidet jaa nich - befanden

    Jürgen Becker Rainer Pause Martin Stankowski - &~>

    Das Stück fand Eingang bis ins letzte Kloster -

    (ok in OWL - vulgo Westfälisch Sibirien - leisten dem Vernehmen nach noch einzelne Priore letzten Widerstand!:)

    Aber - Karfreitag - tabu!! - Aber nur bis jetzt!

    Dank bayerschem Widerstand!!

     

    Schaun mer also mal – was Lichtgestalt Woelki -

    („der weiß was Rigips ist“;)

    Der Kardinal Messner-Ersatz jetzt so auf der Pfanne hat.

    Steckte doch in Wahrheit letzterer - „dess ahl Sackgeseecht“ - hinter diesen

    Verbotsaktionen bis hin zur drakonisch-blindwütigen Verfolgung "Kölner Klagemauer" (Walter Hermann in memoriam!) auf der Domplatte.

    Karlsruhe? - Da lebt wie in Leipzig -

    Scheints dir doch der Antichrist! - odr?

     

    ff

    • @Lowandorder:

      ff - klar - weiter mit dem Heidenspaß!

       

      Lob also nach Karlsruhe.

      Das zuletzt insoweit ja eher mit dem Klammerbeutel als mit Sternenstaub gepudert schien - Daß es hier aber die

      Fahne des Grund&Menschenrechtsschutzes tapfer

      Iin &gegen den allfälligen Repressionswind hält.

       

      Dank.

      Ja – Dank. Dank aber & vor allem an Günter Dürig.

      Den exRittmeister der Division Groß Deutschland - &

      Nach Lazarett - ab 1946 26jährigen JuraStudi in München!!

      Der bei allem Vorbehalt die wesentlichen Grundlagen für die hier zu lobende Rechtsprechung Karlsruhes - schuf!

      Er "wirkte dabei weniger durch die Zahl seiner Publikationen als durch das gesprochene Wort - sei es vor Gericht, im Hörsaal oder in der Öffentlichkeit..."! *

       

      (ps - & hier derb passend* eine seiner respektlosen

      Einlassungen via Zuständigkeiten in eigener Sache - (kühn!;)

      Der alte Herr einer kath.StudV. im KV - beschied -

      Stockbetrunken in den Neckar strullend -

      Die Ordnungskraft Tübinger Dorfgendarm ~>

      "Aber Herr Professor Dürig ..." - messerscharf ~;~

      "Ruhig - Das ist nicht Ihr Beritt - Also still!

      Das ist keine Straßen- Das ist Wasserrecht!"

      kurz: bach chantisch. Ein Heidenspaß.

      https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%BCnter_D%C3%BCrig

  • Ach, ich finde, es hatte was, auch wenn es seltsam war, hat es jede/r - auch außerhalb von Bayern - angenommen und ich schwelge heute in Erinnerungen, es war ein besonderer Punkt im Jahr, wenn auch nicht christlich zelebriert, sondern einfach nur anders als sonst, weil Tanzverbot.

     

    Am Gründonnerstag wurde ggfs. um Punkt 24 Uhr mit Tanzen aufgehört und am folgenden Abend im Kulturtanzschuppen wartete man damit eben bis 24 Uhr, geöffnet war trotzdem und irgendwie trudelte man ja sowieso meist nicht vor 23 Uhr ein und trank sich erstmal warm...

  • Antichristlicher Rassismus! Schützt die bajuwarische Kultur! Gegen Brezelaneignung! Pro Safe Space Bayern!

  • Ein weises Urteil, mit dem auch alle gut leben können.

  • Man kann Christen aber auch echt nicht zumuten, still zu gedenken wenn irgendwo irgendjemand irgendwie Spaß hat!