Verein inkonsequenter Fußballhasser: EM ist überall
Die Deutschlandfähnchen sind wieder da und Robert Habeck trägt Pink. Aber haben sich die Grünen eigentlich für eine Kanzlerkandidatur qualifiziert?
N eulich zeigte mir ein syrischer Bekannter auf seinem Handy das Foto seiner drei breit grinsenden Kinder in Deutschlandtrikots und mit schwarz-rot-goldenen Fähnchen in den Händen. EM-Familypaket von Aldi, berichtete er mir stolz. – Wie schön, hüstel, hüstel. So hatte ich mir das mit der Integration eigentlich nicht vorgestellt. Und als Vorsitzende des Vereins inkonsequenter Fußballhasser*innen schaue ich mir sowieso nur die Halbfinale und das Finale großer Turniere an.
Übrigens hat auch Osama bin Laden gern Fußball mit seinen Jüngern in Afghanistan gespielt. Die Taliban dagegen haben Fußballspiele nach ihrer Machtergreifung auch für Männer zuerst untersagt, dann das Verbot aber gelockert. Spiele sind zugelassen, allerdings nur in züchtiger Kleidung und ohne Jubelgeschrei. Letzteres würde ich mir auch in Deutschland wünschen. Es gibt kaum etwas Schlimmeres als eine sich öffnende S-Bahn-Tür, durch die massenweise Fußballfans strömen.
Eine weitere Zumutung: Vizekanzler Robert Habeck im pinken Nationalmannschaftstrikot. Ich als Vereinsvorsitzende kann hierzu nur feststellen: Nee. Die Farbe steht ihm nicht, und außerdem weiß doch jeder, dass Habeck Handballfan ist. Auf dem Weg nach Südkorea: Habeck im weißen DFB-Trikot mit der Flugcrew, die schwarz-rot-goldene Girlanden um den Hals trägt.
Robert und Frenemy Annalena
Und auf diesem Niveau ging es weiter: Die Grenze zwischen Nord- und Südkorea erinnere ihn an die innerdeutsche, so Habeck, obwohl es eine ganz andere Grenze sei. Ja! Stimmt! Sie liegt in Korea!
Aber so eine Vizekanzlerreise will ja auch immer innenpolitische Zeichen setzen. Wir sollen lernen, dass Habeck auch Außenpolitik kann. In nächsten Jahr sind Bundestagswahlen. Und ganz überraschend stehen bei den Grünen wieder einmal zwei Kandidat*innen zur Auswahl: Habeck und Frenemy Annalena Baerbock, die seit Langem verlangt, dass in den Regierungsfliegern Torwände eingebaut werden. Es dürfen die Außenministerin dann nur noch jene begleiten, die bei drei Versuchen mindestens einen Treffer landen.
Im Auftaktspiel zwischen Habeck und Baerbock wurde leider eine Frage außen vor gelassen: Haben sich die Grünen überhaupt für die Kanzlerkandidatur qualifiziert? Mit gerade mal 11,9 Prozent bei den Europawahlen und aktuellen Umfragewerte von 13 Prozent muss ich mich als wohlmeinende Vereinsvorsitzende fragen, ob es nicht besser wäre, wenn Grüne sich nicht mit einer Kanzlerkandidatur blamierten.
Ruttes Qualitäten auf Fußballdeutsch
Und bevor die Sozialdemokraten jetzt laut loslachen: Die SPD ist auch nur ein paar Prozentpunkte von der Todeszone entfernt und braucht bald auch keinen Kanzlerkandidaten mehr.
Auf der anderen Seite spielen Qualifikationen nicht immer eine herausragende Rolle beziehungsweise können eigenwillig interpretiert werden. Der amtierende Ministerpräsident der Niederlande, Mark Rutte, soll beispielsweise der neue Nato-Generalsekretär werden.
Qualifiziert hat er sich durch eine Reihe von Skandalen und zuletzt dadurch, dass er die Regierung hat platzen lassen. Die Folge: Nun hat der rechtsextreme Mozartfrisurträger Geert Wilders in den Niederlanden das Sagen. Was ihn ebenfalls auszeichnet: Donald Trump findet ihn gut.
Auf Fußballdeutsch klingt das so: Rutte hat keine Tore geschossen, keine Lauffreudigkeit oder Defensivstärke gezeigt, die Spieler des gegnerischen Teams und den Schiedsrichter angepöbelt und ist deshalb ein sehr guter Kandidat für den Chefposten. Die Niederländer jubeln.
FDP spielt im gelben Trikot
In Deutschland indes ähnelt die politische Lage einem Fußballspiel, bei dem alle die Regeln vergessen haben. Die Regierungsmannschaft zerfällt in drei Teile, wobei die mit den gelben Trikots nicht genau wissen, in wessen Team genau sie spielen. Deshalb kommt es immer häufiger zu Eigentoren.
Wie das Regierungsturnier ausgeht, ist für mich noch unklar. Ich schaue mir ja ohnehin nur die letzten drei Spiele an. Eines steht allerdings fest: Fußball ist doch recht langweilig. Interessant wird es lediglich beim Elfmeterschießen. Sorry, Fußballfans, die Wahrheit muss ans Licht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“