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Verbrennerkampagne der Auto-LobbyEs braucht feste Regeln für den Umstieg

Nanja Boenisch
Kommentar von Nanja Boenisch

Einfach bizarr: Die deutsche Autobranche gefährdet mit ihrer Lobby-Arbeit für Verbrenner nicht nur das Klima, sondern auch sich selbst.

Voll Karacho in den eigenen Untergang: die Deutsche Autobranche Foto: Bernd Feil/M.i.S./imago

D ie deutsche Autolobby spielt ein gefährliches Spiel. Die Hersteller und Industrieverbände beteuern immer wieder, hinter den Pariser Klimazielen zu stehen – wettern aber vehement gegen die europäischen CO2-Regeln. Frei nach dem Motto: Die Klimaziele wollen wir schon einhalten, doch von der EU lassen wir uns dafür nichts vorschreiben. Diese Argumentation ist nicht nur unlogisch, sondern auch extrem perfide.

Köpfe der Autobranche wie Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), oder Ola Källenius, Mercedes-Chef und Präsident des Europäischen Autoverbands ACEA, verstehen sich inzwischen gut darauf, ihren klimakundigen Kri­ti­ke­r:in­nen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sie bekennen sich einfach ständig zu den Zielen, die im Pariser Klimaabkommen stehen, kein Problem. Dabei unterschlagen sie gerne, dass die Ziele angesichts der immer noch hohen Verkaufszahlen von Verbrennern kaum mehr einzuhalten sind. Und dann kommen sie doch mit der Forderung um die Ecke, die EU müsse neue Diesel und Benziner auch nach 2035 noch erlauben.

Källenius richtete diese Forderung am Mittwoch in einem offenen Brief direkt an Ursula von der Leyen, die als Präsidentin der Kommission einen der höchsten Posten in der EU bekleidet. Der VDA warb in seinem 10-Punkte-Plan für „Technologieoffenheit“ und „Wettbewerbsfähigkeit“ – also letztlich auch dafür, das Verbrenner-Aus zu kippen. Diesen Plan legte Müllers Verband erst im Juni der Politik in Brüssel und Berlin vor.

Industrie und Verbände lobbyieren, das lässt sich kurzfristig kaum ändern. Die deutsche Autobranche aber gefährdet mit ihrem Treiben nicht nur das Klima, sondern absurderweise auch sich selbst: Vielleicht sichert sie die gigantischen Gehälter einiger weniger Manager. Für eine nachhaltige, erfolgreiche Umstellung der Autoindustrie auf Elektromobilität aber braucht es feste Regeln und Planungssicherheit. Gut, dass es internationale Hersteller wie Kia gibt, die das verstanden haben. Fatal, dass die deutschen es nicht tun.

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Nanja Boenisch
Redakteurin
Schreibt im Ressort Wirtschaft + Umwelt über Mobilität und Verkehrswende.
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22 Kommentare

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  • Hier der Link zu Källenius' offenem Brief:



    www.acea.auto/file...-von-der-Leyen.pdf



    (Als Naturwissenschaftler bevorzuge ich Originalliteratur vor Interpretationen).



    Leute aus der Praxis beurteilen die Dinge eben manchmal anders als Studienschreiber am grünen Schreibtisch. Und erfahrungsgemäß war es noch nie so richtig gut, sich auf die Theoretiker allein zu verlassen.

  • Eigentlich hätte die europäische Autoindustrie genug mit der großflächig nicht mehr funktionierenden Ersatzteilversorgung der schon im Verkehr befindlicher Mobile zu tun. Um die Zukunft der Autoindustrie werden sich sowieso die Asiaten kompetent und kreativ kümmern. Dafür braucht man keine altdeutsche Industrieromantik mehr.

  • Von 2020 bis 2023 ist VWs Marktanteil in China von 19,1% auf 14,5% gesunken, weil sie keine vernünftigen und/oder billigen E-Autos im Angebot haben. VW verkaufte 2023 in China immer noch 34% aller seiner PKW weltweit. Das billige E-Auto kommt von VW jetzt voraussichtlich 2027. Habeck hatte das 2019 im Doppelinterview mit dem damaligen VW-Chef vorausgesagt.

    Die Entscheidung für E-Autos und gegen Verbrenner ist weltweit bereits gefallen, siehe:

    www.diw.de/de/diw_..._zu_riskieren.html

    Zudem plant Indien konsequent die E-Mobilität auszubauen.

    E-Autos sind zudem lokal emissionsfrei, d.h. die Luftqualität in den Städten wird auch besser...

    Selbst ein Kippen des VerbrennerNEUZULASSUNGS(!!!)verbotes in der EU wird die Autokonzerne nicht retten, weil sie in der EU schlicht zu wenig Auto verkaufen und sie die Verbrenner sonst nirgendwo loswerden.

    Btw.: Das Gequatsche von H2- und E-Fuel-Autos ist kompletter Schwachsinn, weil a) soviel H2/E-Fuels gar nicht produzierbar wären, da beides mit Süßwasser(!)-Elektrolyse beginnt; und b) es eine gigantische Energieverschwendung wäre.

  • Ich bezeichne die angeblich notwendige Technologieoffenheit als pure und sture Technologieblindheit.

    Während vollkommen klar ist, dass sich batterieelektrische Fahrzeuge insgesamt, also auch im Nutzfahrzeugbereich zweifellos durchsetzen werden, werfen die blinden Verantwortlichen fossile Nebelkerzen oder phantasieren irre über ineffiziente Brennstoffzellen.

    Und während in China der Zug längst in umweltfreundlichere Lithium-Eisenphosphatbatterien entschieden ist, hält man in Deutschland blind und stur an Lithium-Mangan-Kobald fest.

    Die Deutschen haben diese Abwärtsspirale gewählt. Da fühle ich keinerlei Mitleid mit uns, sondern bereite mich auf den Niedergang vor.

    Der Einzige dem ich noch zugetraut hätte, uns wieder nach vorne zu bringen, wäre Robert Habeck gewesen. Aber der ist von unseren dermaßen schlauen Mitbürgern niedergebrüllt worden.

    • @Bauer Gerry:

      Vollkommen richtig. Soweit ich aber weiß, sind Natrium-Ionen-Akkus noch besser, da viel umweltfreundlicher - weil ohne Lithium und Kobalt - und mit nahezu gleicher Kapazität. Auch da ist China Vorreiter. Aber die Rohstoffe dafür - insbesondere Kochsalz - haben wir eigentlich vor unserer Haustür.

    • @Bauer Gerry:

      Dem kann man leider nur zustimmen, leider, weil viele Deutsche, d.h. Politiker, Industriebosse und Wähler den fossilen Bullshit verbreiten und/oder glauben, insbesondere CxU, FDP und die Faschisten.

      Wenn FDP, CxU und Faschisten von Technologieoffenheit reden meinen sie an altem Scheiß festhalten, bis der Planet brennt. Siehe Fr. Reiche: verkündet den Bau von 40 Gaskraftwerken und redet dann von Technologieoffenheit (wtf?). Darauf im Interview angesprochen kam nur bullshit. Btw. die Wasserstoffoption für besagte Kraftwerke ist mittlerweile vom Tisch...

      Es gibt aus China auch schon die ersten Natrium-Batterien, die komplett ohne Lithium auskommen, noch nicht in Fahrzeugen soweit ich weiß, aber möglicherweise demnächst serienreif.

    • @Bauer Gerry:

      Deutschland hat seine Seele an die Autoindustrie verkauft. Vielleicht ist es deshalb ganz gut, dass diese sich jetzt so strunzdumm verhält, sich diese Lebensversicherung selbst zu zerstören. Irgendwann werden E-Autos aus China billiger sein als Verbrenner aus Deutschland, und dann - endlich - werden wir von dem Fluch der Allmacht der Autolobby befreit sein. Ich kann's kaum abwarten.

  • Wenn man erst einmal akzeptiert, dass die Menschheit offenbar nicht fähig ist, das offensichtlich im wahrsten Sinne des Wortes Notwendige zu tun und damit die eigenen Lebensgrundlagen in Frage zu stellen, dann verdient sie es nicht anders.

    Also mit Vollgas in den Untergang, scheißen wir auf irgendwelche illusorischen Hoffnungen.

  • Ganz einfach:



    -Klare Preise an den Ladesäule statt x Kartenanbietern

    - attraktive Pakete für die Umrüstung zuhause ( Sicherungskasten erweitern / WallBox)

    - mehr Ladesäule an Orten des kurzen Verweilens (Spielplätze / Schwimmbad/ Supermarkt), damit Umparken vorm Haus wegen Blockiergebühr nicht nötig ist. Hier auch gerne Arbeitgeber mehr in die Pflicht nehmen

  • Einfach bizarr, wie Nanja Boenisch unter völligem Realitätsverlust argumentiert: Auf breiter Front haben deutsche Autohersteller auf E-Autos gesetzt, Motorenentwicklung eingestellt, Mitarbeiter und Zulieferer entlassen, beliebte Modelle eingestellt, wie bspw. Fiesta und Focus bei Ford. Nur sie haben die Rechnung ohne den Otto-Normalverbraucher gemacht und die E-Autos stehen unverkäuflich aus Halde. Ohne Käufer jedoch funktioniert Marktwirtschaft nicht, liebe Frau Boenisch - daher rudern die Autohersteller wieder zurück. Eine große Mitschuld an der E-Auto Misere trägt die Politik: flächendeckende Ladeinfrastruktur: Fehlanzeige. Wo bitte sollten die E-Fahrzeuge geladen werden. Gut situierte Eigenheimbesitzer mit PV-Anlage und Speicher sind nicht die Regel. Solange Wohnblockmieter in den Innenstädten weder auf dem Parkplatz noch beim Arbeitgeber laden können, werden sie sich nicht mit einem E-Auto belasten und das ist voll zu verstehen. Die hochbezahlten Automanager die sehr engagiert den E-Auto Träumen der EU Politikern gefolgt waren, versuchen jetzt nur den Hals aus der Schlinge zu ziehen und ein Prduktportfolio zu retten, welches aktuell einen Markt hat.

    • @Jens Jahnke:

      Ich stimme Ihnen zu. Deshalb habe ich mir erst jetzt auf dem Land mit Haus und Garage mit Stromanschluss ein E-Auto gekauft.



      Nur warum muss sich die Politik um alles kümmern? Sonst soll sie ja auch nur das Nötigste tun und den Rest dem Markt und der Privatwirtschaft überlassen. Warum haben es denn die Autohersteller nebst ADAC, die sonst all ihre Phantasie und Energie einsetzen, um Politik zu beeinflussen, diesmal nicht ohne die Politik zusammen mit der Energiewirtschaft für ein einfaches flächendeckendes System für Ladestationen gesorgt? Das soll der Staat leisten, der so schon mit vielen Dingen voll ausgelastet bis überfordert ist?

  • Tja, die Angst weniger zu verdienen, weil man z.B. in Forschung und Entwicklung mehr investieren muss, ist größer als die Weitsicht, dass man nur durch Innovationen der Spitze angehört.



    Daran krankt es allen, die nur kurzfristige Ergebnisse liefern müssen und lieber an das eigene Wohl, als an die Gesamtheit denken.

  • weiterer aspekt: dür die industrie alle freiheiten der welt, falsche entscheidungen zu treffen. aber wenn es dann mal schlecht läuft, soll der staat wieder einspringen. und sowieso bekommt alles rund ums auto geld geld geld vom staat: abwrackprämien, kurzarbeit- und arbeitslosengeld für sehr hohe gehälter, steuervorteile, pendelpauschalen, steuervorteile, dienstwägen, absurde kosten für infrastruktur usw

  • Feste Regeln für den Umstieg? Wohl eher einen strafferen Zeitplan um unsere Automobilindustrie abzuschaffen… Japp, sie ist teilweise an der Situation selber schuld - möchte aber trotzdem nicht wissen wie es uns geht ohne sie.

  • Die chinesischen Hersteller werden den Markt mit preisgünstigen E-Fahrzeugen überrollen. Sobald die Infrastruktur für eine große Masse von E-Autos besteht hat das letzte Stündlein des Verbrenners als Massenware geschlagen. Man versucht in der Zwischenphase noch Kasse mit Verbrennern zu machen, die Entwicklung lässt sich aber nicht aufhalten. Ob es firmenpolitisch klug ist, keine konkurrenzfähigen E-Autos zu bauen, sondern weiterhin am Gestern festzuhalten werden die Herren Vorstände ihren Aktionären erzählen müssen.

    • @FtznFrtz:

      Konkurrenzfähige E-Autos aus Deutschland können Sie gegenüber Herstellern wie BYD vergessen. Gerade BYD wurde für die Entwicklung mit dem Argument Elektrobus von der Zentralregierung und den Provinzregierungen das Geld vorne und d hinten reingeschrieben. Mit dem Ziel, für die Verkehrsbetriebe das Kostenverhältnis Diesel-Bus zu E-Bus von 3:2 auf 2:3 zu drehen. Hat auch ziemlich gut geklappt, aber etliche Millionen Staatsknete gekostet. Und es kräht auch kein Hahn danach, ob in deren Lieferkette irgendwelche Uiguren tätig sind...

  • Kia hat im April 2025 die Entwicklung eines neuen 2,5-Liter-Turbo-Vierzylindermotors angekündigt. Kia fährt eindeutig zweigleisig, so wie die deutschen Hersteller ebenfalls. Das ist nicht verwunderlich angesichts der Absatzzahlen. Wer eine Verkehrswende will muss erstmal eine Energiewende liefern. Preis und CO2 Ausstoß pro KWh müssen passen, ebenso die Verfuegbarkeit. Das ist bis 2030 nicht mehr zu erreichen und war es vermutlich auch nie.

    • @Nachtsonne:

      Keine Ahnung, was Sie meinen, aber die Energiewende ist in vollen Zügen, mittags haben wir genügend kostengünstigen Strom. Und: Hätten wir ein realistischen CO2-Preis (siehe DAC), dann würde sich die Frage Verbrenner oder EAuto gar nicht mehr stellen. So aber kann der Verbrenner weiterhin auf Kosten der Allgemeinheit betrieben werden.

      • @Anna Bell:

        Schauen Sie sich mal den über DAS JAHR GEMITTELTEN CO2 Ausstoß und den Preis pro KWh an. Nicht sehr beeindrucken, schon gar nicht im internationalen Vergleich. Nicht einmal die Nord-Süd Trasse ist fertig, Gasspeicher für grünen, blauen oder sonstwie erzeugten Wasserstoff gibt es nicht, da weder die Anlagen zur Erzeugung noch zur Speicherung in den notwendigen Dimensionen existieren, um die Anforderungen des Primärenergiebedarfs gerecht zu werden. Das wird eines Tages hoffentllich kommen, aber garantiert nicht bis 2030. Abgesehen braucht man einen dazu auch einen Technologiemix, der in Deutschland nicht vorgesehen ist. Wer Angst vor dem Weltuntergang hat und deswegen in Höhlen leben will bitte. Der Rest der Welt hat eher nicht die Absicht.

    • @Nachtsonne:

      der Motor von Kia ist lt. eigener Aussage auch für Hybride und Range-Extender geeignet; von letzterem phantasiert die deutsche Autoindustrie nicht einmal;

      • @Holger Kaempf:

        Sicher haben deutsche Autos einen "Range-Extender", nur wird das anders benannt. Kaufen Sich sich z.B. einen Mercedes 300de. Mit den neuen Modellen fahren Sie bis zu 100km elektrisch und der 2-Liter Turbodiesel kann den Akku aufladen. Sie können damit also rein elektrisch, rein Diesel oder Hybrid fahren. Nichts anderes macht Kia mit dem "Range-Extender". Ob das sinnvoll ist, ist eine andere Frage. Kia ist mitnichten ein selbstloser Elektro-Vorzeigehersteller, so wie im Artikel der Eindruck vermittelt wird.

    • @Nachtsonne:

      Eine Verkehrswende kann es nur geben, wenn eine Konsumwende vorher stattfindet. Und ich befürchte, dass eher die Hochspannungsmasten blühen.



      Einer Verkehrswende könnte es helfen, wenn Menschen es zuhause aushielten.



      Bei sehr vielen kann ich verstehen, dass sie so oft wie möglich ihrem Zuhause, einem Ort des Schreckens, eine Zeitlang entkommen wollen.



      Aber diejenigen, die es sich leisten konnten, ihr Zuhause genau nach ihren Wünschen und Vorstellungen zu gestalten, halten es dort ebenso wenig aus. Vielleicht liegt es aber daran, dass es nicht ihre Wünsche, sondern die der Wirtschaft und der Werbung waren, die ihr "Heim" designt haben, und dann wäre eine Flucht auch wieder verständlich.

      Wie auch immer - die meisten müssen immer irgendwohin oder sich irgendwas liefern lassen. Ob ein Sinn dahinter steckt, spielt keine Rolle mehr.