Verbraucherschützerin über vernetzte Pkw: „Mobilitätsdaten sind ein Schatz“
Schon beim Autofahren hinterlässt man Datenspuren. Was das für das autonome Fahren heißt, erklärt die Verbraucherschützerin Marion Jungbluth.
taz: Wer sich in den letzten Jahren ein Auto gekauft hat oder ein Carsharing-Fahrzeug nutzt, hinterlässt haufenweise Datenspuren – vom Fahrstil bis zur Sitzeinstellung. Wem gehören diese Daten?
Marion Jungbluth: Das lässt sich gar nicht so sagen, schließlich sind Daten nicht etwas wie eine Bohrmaschine, die einem gehört und die man verleihen oder verkaufen kann – oder auch nicht. Die Frage ist eher: Wer hat die Hoheit über diese Daten? Und das sollten die Verbraucherinnen und Verbraucher sein.
In der Praxis haben heute aber die Fahrzeughersteller darauf Zugriff und sammeln die Daten.
Ja, das ist problematisch. Verbraucher:innen müssen immer selbst über eine Weitergabe entscheiden können. Das kann heißen, dass die Daten für die Sitzeinstellung, die etwa darüber Aufschluss geben, ob unterschiedliche Menschen gefahren sind, im Auto gespeichert werden, aber nicht automatisch weitergegeben werden dürfen. Auch nicht an den Hersteller. Andererseits kann jemand Daten freiwillig weitergeben, etwa, wer gerne einen Versicherungstarif nutzen will, der einen bestimmten Fahrstil belohnt.
Die Hersteller haben aber kein Interesse, auf diese Daten zu verzichten. Was muss sich ändern?
Im Moment wird auf EU-Ebene stark über eine Regulierung des Zugangs zu Fahrzeugdaten gestritten. Wir setzen uns dafür ein, dass da ein verbraucherfreundliches Modell rauskommt, bei dem die Verbraucher.innen selbst entscheiden können, wem sie ihre Daten anvertrauen.
ist Leiterin des Teams Mobilität und Reisen beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).
Hier in Deutschland wollte Verkehrsminister Andreas Scheuer ursprünglich Behörden wie dem BKA Zugriff auf Fahrzeugdaten ermöglichen. Und auch aus Polizeikreisen kommt die Forderung, auf die Daten zugreifen zu können.
Das ist das Gefährliche, dass mit allen Daten Begehrlichkeiten geweckt werden. Daher ist es wichtig, schon von Anfang an die Datenerhebung auf ein notwendiges Maß zu minimieren.
Was wären denn sinnvolle Zwecke?
Mobilitätsdaten sind ein Riesenschatz. Damit lassen sich zum Beispiel Verkehrsströme auswerten, was bei der Stadtplanung helfen kann, oder Umweltwirkungen analysieren. Was dann wichtig, ist: Die Daten wirklich gut zu anonymisieren. Das heißt so, dass sie sich nicht mehr deanonymisieren lassen.
Ist das denn überhaupt möglich? Forscher:innen haben schließlich schon vor Jahren gezeigt, dass sich mit nur vier Ort-Zeit-Punkten ein Großteil der Menschen identifizieren lässt.
Es gibt gute Anonymisierungsverfahren wie das Akkumulieren von Daten. Allerdings müssen alle Verfahren immer dem Stand der Technik entsprechen. Deshalb brauchen wir verbindliche Anforderungen, die eine De-Anonymisierung unmöglich machen oder zumindest wesentlich erschweren. Darüber hinaus sollten strafbewehrte Verbote der De-Anonymisierung eingeführt werden.
Momentan sind auf den Straßen lediglich vernetzte Fahrzeuge. In den kommenden Jahren sollen komplett selbst fahrende Autos dazu kommen. Was ändert sich dann, was die Daten angeht?
Es werden noch viel mehr Daten benötigt. Denn die Fahrzeuge werten auch ihre Umgebung aus, etwa mit Kameras. Dabei können sensible Daten anfallen. Und wenn es dann zum Beispiel fahrerlose Kleinbusse gibt, die mehrere Menschen gesammelt transportieren, wird es vermutlich auch eine Überwachung des Innenraums geben, um Gefahrensituationen wie Übergriffe zu erkennen.
Sind das alles Argumente gegen die zunehmende Automatisierung des Fahrens?
Nein. Ein Großteil der Unfälle wird durch menschliches Fehlverhalten verursacht. Autonom fahrende Autos bieten das Potenzial, die Verkehrssicherheit deutlich zu steigern. Aber, unabhängig davon: Diese Autos werden auf alle Fälle kommen und zwar nach und nach weltweit. Was wir machen können: Europaweit eine privatsphärefreundliche Lösung für die Datenschutzfragen finden.
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