Veganer Fisch aus dem 3-D-Drucker: Ich druck mir meinen Lachs
Längst erobern Pflanzenburger die Supermärkte. Das geht nicht nur mit Fleisch, überlegte Robin Simsa – und packte Veggie-Fisch in den 3-D-Drucker.
Eine große Spritze fährt über eine weiße Platte, ihre Bewegungen sind mechanisch, kurz und zackig: vor, zurück, vor, zurück. Aus der Düse an der Spitze kommt eine millimeterdünne orange Wurst, ein bisschen erinnert das alles an einen Spritzbeutel, aus dem ein Konditor Buttercreme presst. Nur ist der Spritzbeutel hier ein 3-D-Drucker, und die Buttercreme eine vegane Lachspaste.
Die Spritze ist an einem Roboterarm befestigt und in einem Beitrag des „ARD-Mittagsmagazins“ zu sehen. So eng reiht der Drucker die feinen Würstchen aneinander, dass nach und nach eine Fläche entsteht – eine Scheibe veganer Räucherlachs. Optisch kommt sie dem Original sehr nah.
Hinter dem Maschinenlachs steckt das Wiener Start-up Revofoods. Robin Simsa, 29, ist Biotechnologe, Vegetarier und einer der drei Gründer*innen. „Im Supermarkt findet man zahlreiche gute Ersatzprodukte für Fleisch: Burgerpatties, Schinkenwurst, Nuggets, Hackbällchen …“, sagt er am Telefon. Vegane Alternativen zu Fisch seien hingegen rar. „Obwohl Lachs einer der beliebtesten Speisefische der Welt ist, kenne ich kein tierfreies Imitat, das so schmeckt, so aussieht und sich auch im Mund nach Lachs anfühlt“, sagt Simsa. Mit Revofoods will er das ändern.
Schon als Doktorand an der Uni Göteborg hat Robin Simsa mit 3-D-Druckern gearbeitet. Allerdings hat er damals keine Lebensmittel gedruckt, sondern menschliches Gewebe. Doch wieso Bioprinting nur im medizinischen Bereich anwenden? Wenn man damit so etwas Komplexes wie Haut oder Blutgefäße herstellen kann, dann bestimmt auch Fisch, dachte sich Simsa und gründete direkt nach seiner Promotion im Sommer 2020 Revofoods.
Biotinte und die richtige Konsistenz
Ein halbes Jahr lang tüfteln Simsa und seine Kolleg*innen an der Rezeptur für die Biotinte, anfangs in Simsas Küche, später in einem Labor in Wien – mindestens 60 Stunden pro Woche. Sie probieren verschiedene Zutaten, Mengenverhältnisse und Drucktemperaturen. Am schwierigsten war es, die Konsistenz des Lachs nachzuahmen, erzählt Simsa: „Ständig gingen Dinge schief. Mal war das Fischfleisch zu weich, mal zu fest, und als wir mit der Konsistenz endlich zufrieden waren, schmeckte es nicht mehr gut.“
Wie sie das Problem am Ende gelöst haben, möchte Robin Simsa nicht verraten. Nur so viel: Die Masse bestehe aus elf Zutaten, darunter Algenextrakte und Raucharomen für den Geschmack, Erbsenproteine, pflanzliche Öle und Zitrusfasern für die Struktur, Paprika und Rote Bete für die orange Farbe.
Damit der 3-D-Drucker die Zutaten auch wie Tinte verwenden kann, müssen sie zunächst zu Pulver verarbeitet und mit etwas Wasser zu einer sämigen Paste verrührt werden. Dann wird die Paste erhitzt – auf wie viel Grad bleibt ebenfalls Betriebsgeheimnis – und in die Maschine gegeben. „Durch den Einsatz von Temperatur lösen sich die Molekülstrukturen auf und lagern sich beim Abkühlen neu aneinander an“, erklärt Simsa.
Lebensmittel aus dem 3-D-Drucker sind keine neue Erfindung. In Konditoreien etwa werden 3-D-Drucker schon seit Jahren eingesetzt, um Marzipanfiguren oder Schriftzüge aus Schokolade zu drucken. 2016 hat der italienische Nudelkonzern Barilla einen 3-D-Drucker vorgestellt, der Nudeln in den kompliziertesten Formen herstellen kann, 2014 druckte ein britisches Unternehmen die erste Himbeere. Auch für die Produktion von Fleischalternativen werden 3-D-Drucker bereits genutzt. Das israelische Start-up Redefine Meat zum Beispiel hat ein veganes Steak entwickelt, das Schicht für Schicht gedruckt wird, noch in diesem Jahr soll es in deutschen Restaurants serviert werden.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Revofoods ist nach eigenen Angaben aber die erste Firma, die veganen Lachs aus dem 3-D-Drucker produziert. Mit herkömmlichen Methoden sei es nämlich nahezu unmöglich, Lachs nachzuahmen, sagt Robin Simsa. Bei der Nassextrusion zum Beispiel, die oft für die Herstellung von Fleischimitaten eingesetzt wird, werden pflanzliche Proteine mit Wasser erhitzt und unter hohem Druck durch eine gekühlte Düse gepresst. So werden aus kugelförmigen Proteinen fleischähnliche Fasern. Lachs aber ist nicht faserig, sondern samtig, weich, fettig. „Wir haben deswegen einen eigenen 3-D-Drucker entwickelt, der die Texturierung pflanzlicher Proteine ermöglicht. Solche Geräte gibt es bisher noch nicht zu kaufen“, sagt Simsa.
Wie der 3-D-Lachs bei Verbraucher*innen ankommt, hat das Start-up im März bei einer Verkostung in einem Wiener Bagelladen getestet. „Sehr rauchig, sehr fischig“, sagt eine Testesserin im ARD-Beitrag. Ein Autor der österreichischen Tageszeitung Standard schreibt: „Nur bei genauem Nachschmecken fällt auf, dass es sich nicht um Räucherlachs handelt. Im Gegensatz zum echten Fisch ist das Imitat weicher und weniger elastisch.“ Die Masse schmecke zwar fischig, allerdings sei das Raucharoma etwas zu stark. Der taz konnte Revofoods keine Packung zum Probieren schicken, da es die Drucker umbaut.
Arbeiten am großen Drucker laufen
Wann es den 3-D-Lachs im Supermarkt zu kaufen geben wird, stehe noch nicht genau fest, sagt Simsa, „entweder Ende des Jahres oder Anfang 2022“. Ab Herbst dieses Jahres möchte Revofoods die vegane Variante jedenfalls bereits in Wiener Lokalen anbieten.
Bis dahin wollen Simsa und seine Kolleg*innen den Lachs noch perfektionieren. Zurzeit arbeiten sie an einer Methode, um das weiße Bindegewebe besser nachzuahmen. Ihr Lachs habe zwar leichte weiße Konturen, die zu einem großen Anteil aus pflanzlichen Fettsäuren bestehen, diese seien aber noch nicht sichtbar genug.
Parallel dazu arbeitet das Team an einem schnelleren, größeren Drucker. Der jetzige ist etwa so groß wie ein Backofen und produziert 100 Gramm Lachs in vier Minuten. Viel zu langsam, sagt Simsa.
Er möchte Revofoods zum größten Anbieter von veganem Fisch in Europa machen. Nächstes Jahr soll eine Pilotanlage mit 20 Druckern entstehen, die pro Monat 20 bis 30 Tonnen veganen Lachs herstellen kann. Und Simsa denkt noch weiter: Er möchte sich nicht nur auf Lachs beschränken, sondern auch vegane Thunfisch-Steaks, Sashimi und Sushi drucken.
Fragt sich bloß, wer sich das wird leisten können. Der Lachs werde „sicher nicht der günstigste sein“, sagt Simsa, und sich vermutlich im „mittleren bis leicht gehoben Preissegment“ befinden. Dafür sei der vegane 3-D-Lachs aber auch gesünder als echter: „Anders als Aquakultur-Fisch enthält unser Lachs weder Schwermetalle noch Mikroplastik oder Antibiotika.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste