Urteil zu Massakern in Srebrenica: Niederlande begrenzt schuldig
Die „Mütter von Srebrenica“ haben in Den Haag einen kleinen Sieg gegen die Niederlande errungen und bekommen eine Entschädigung.
Am 11. Juli 1995 hatten serbischen Einheiten die UN-Schutzzone Srebrenica überrannt. Die niederländische UN-Blauhelme hatten die UN-Schutzzone den Serben unter Anführung des Generals Ratko Mladic kampflos übergeben. Anschließend hatten die serbischen Einheiten rund 8.000 bosnische Männer und Jungen ermordet.
Als der serbische General Ratko Mladic dem niederländischen Kommandanten Thomas Karremans zuprostete, entstanden Bilder, die bis heute die unterwürfige Haltung des Oberkommandierenden der UN-Truppen in der Schutzzone Srebrenica gegenüber dem Schlächter des Balkan symbolisieren. Dass Mladic in einem Interview mit serbischen Medien am gleichen Tag erklärte, jetzt sei es Zeit, Rache an den „Türken“ wegen der verlorenen Schlacht von Kosovo Polje im Jahre 1389 (!) zu nehmen, entlastet die Niederländer nicht.
Die würdelose Servilität Karremans gegenüber Mladic hatte weitgehende Konsequenzen. Ohne wirklich gezwungen zu sein, lieferten seine Untergebenen die unbewaffneten Männer aus. Weil die niederländischen Soldaten die Männer fortgeschickt hätten, seien sie ihrer Chance aufs Überleben beraubt worden, sagte denn auch die Vorsitzende Richterin Gepke Dulek am Dienstag.
Die Schüsse waren schon zu hören
Die Opfer waren Männer, die zum Teil vorher für die Niederländer gearbeitet hatten oder Angehörige von Mitarbeitern waren. Sie waren auf das Gelände der UN-Truppen geflohen und hatten sich unter die 5.000 Frauen und Kinder gemischt, die hier Schutz gesucht hatten. Obwohl die Schüsse der Erschießungskommandos schon zu hören waren, die damit begonnen hatten, alle männlichen Zivilisten aus Srebrenica zu töten, übergaben die Niederländer diese 350 in den sicheren Tod.
In dem ersten Gerichtsverfahren 2014 hatten Angehörige der Opfer von damals teilweise Recht bekommen. Das Zivilgericht erklärte 2014 die Niederlande für haftbar für den Tod der Männer. Es war der erste Schuldspruch gegen den Heimatstaat einer UN-Truppe für Kriegsverbrechen Dritter. Die Soldaten hätten unrechtmäßig an der Deportation von ihrem Militärgelände mitgewirkt, heißt es in dem alten Urteil. „Man kann mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass diese Männer am Leben geblieben wären, wenn das Dutchbat ihnen gestattet hätte, auf dem Militärgelände zu bleiben,“ hieß es auch in der damaligen Urteilsbegründung.
Dagegen hatte die niederländische Regierung Berufung eingelegt. Die niederländischen UN-Truppen hätten gegen die serbische Übermacht gar nichts tun können, argumentierte der Staat. Außerdem stand die Truppe nach niederländischer Auffassung unter der Befehlsgewalt der Vereinten Nationen.
Auch die Angehörigen der Opfer, die „Mütter von Srebrenica“, hatten Berufung eingelegt. Sie sind der Ansicht, dass die niederländischen Truppen für weitaus mehr Opfer haftbar seien. Die überlebenden Opfer des Genozids und die Angehörigen der Ermordeten von Srebrenica werden die Haltung der niederländischen UN-Soldaten ohnehin nie vergessen. Die Niederländer repräsentieren in ihren Augen als Blauhelm-Truppen der Vereinten Nationen die internationale Gemeinschaft insgesamt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen