Urteil zu Angriff vor Querdenkerdemo: Nah am Tötungsdelikt
Wegen des Angriffs auf Coronademonstranten verurteilt ein Stuttgarter Gericht zwei Männer zu vier und fünf Jahren Haft. Ein Opfer lag wochenlang im Koma.
Die Jugendkammer des Landgerichts Stuttgart sah es als erwiesen an, dass die beiden 21- und 26-jährigen Männer im Mai vergangenen Jahres drei Mitglieder der rechtsextremen Gewerkschaft Automobil angegriffen und so schwer verletzt haben, sodass einer der Angegriffenen einen Schädelbruch erlitt, lebensgefährlich verletzt wurde und mehrere Wochen im Koma lag. Der Zweite ist nach Schlägen auf Kopf und Gesicht auf einem Auge fast Blind. Ein Dritter erlitt leichtere Verletzungen.
Richter Johannes Steinbach sprach bei den Angeklagten von einem „traurigen Fall von ideologischer Verblendung“. Joel P. habe sich in seinem Schlusswort am letzten Prozesstag zu „den alten Parolen“ der linken Szene bekannt, Diyal A. habe zwar geschwiegen, aber sei schon früher im Kampf um die kurdische Unabhängigkeit aufgefallen. Die beiden hätten es nicht beim Versuch belassen, andere von ihrer Meinung zu überzeugen. Sie hätten Andersdenkende als vermeintliche Faschisten bekämpft.
Der Angriff auf die rechten Aktivisten des Zentrums Automobil, für den P. und A. nun verurteilt wurden, fand im Vorfeld einer Querdenker-Demonstration im Mai 2020 in Stuttgart statt. 20 bis 40 maskierte Antifas seien in „fast militärischer Formation“ auf ihre Opfer losgegangen, so das Gericht. Es sei nicht die Absicht der linken Formation gewesen, die Mitglieder des Zentrums Automobil umzubringen, aber vor allem so genannte „Stampftritte“ auf den Kopf von Andreas Z. brächten die Tat in die Nähe eines Tötungsdelikts.
Schwierige Beweislage
Die Beweislage bezeichnete Richter Steinbach als „kompliziert“. Besonders bei Diyal A., der von einem V-Mann der Polizei belastet wurde, sowie von einem Haar auf einer Reizgaswaffe, die beim Angriff benutzt wurde. Joel P. wurde nach Ansicht des Gerichts durch eine DNA-Spur eines Angegriffenen auf seinen Handschuhen überführt.
Da der linke Trupp wie eine Militärformation agiert habe, sei es für das Gericht möglich, auf eine Mittäterschaft der Angeklagten für alle aus der Gruppe begangenen Taten zu schließen. Dabei sei man aber zugunsten der Angeklagten davon ausgegangen, dass sie mit brutalen Tritten auf den Kopf des einen Opfers nicht einverstanden gewesen seien, so Steinbach.
Die Kammer erlaubte sich in ihrem Urteil einen Seitenhieb auf den destruktiv agierenden Nebenklagevertreter Dubravko Mandic. Sie sprach den Opfern des Angriffs zwar einen Schmerzensgeldanspruch zu, legte aber keine konkrete Summe fest. Der Anwalt und frühere AfD-Politiker hatte den Prozess mit politisch motivierten Beweisanträgen über viele Prozesstage verschleppt. Ein konkretes Schmerzensgeld hätte nähere Ermittlungen verlangt, so Richter Steinbach, auf die man wegen einer befürchteten weiteren Verzögerung des Prozesses verzichtet hätte. Die Schmerzensgeldsumme muss nun in einem gesonderten Verfahren ermittelt werden.
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