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Urteil im NSU-ProzessLebenslange Haft für Beate Zschäpe

Das lange erwarte Urteil im NSU-Prozess ist gesprochen: Das OLG München hat die Hauptangeklagte Beate Zschäpe zu lebenslanger Haft verurteilt.

Beate Zschäpe am Mittwoch im Verhandlungssaal am Oberlandesgericht München Foto: reuters

München taz | Es ist ein historisches Urteil: Am Mittwochmorgen verhängte das Oberlandesgericht München teils hohe Haftstrafen für die Terrorserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe muss lebenslänglich in Haft. Die vier Mitangeklagten erhielten Haftstrafen bis zu zehn Jahren.

Richter Manfred Götzl sprach von einer „besonderen Schwere der Schuld“ Zschäpes. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren sehr unwahrscheinlich. Zschäpe verfolgte den Urteilsspruch ungerührt. Ihre Verteidiger kündigten danach an, Revision einzulegen.

Das NSU-Kerntrio mit Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt war 1998 abgetaucht und hatte bis 2011 zehn Morde verübt, neun davon an Migranten. Dazu kamen drei Bombenanschläge und 15 Raubüberfälle. 2011 hatten sich Mundlos und Böhnhardt nach einem gescheiterten Bankraub erschossen. Zschäpe stellte sich nach einer viertägigen Flucht der Polizei.

Götzl warf dem NSU vor, er habe „Angst und Verunsicherung schüren“ und den Staat „als ohnmächtig bloßstellen“ wollen. Die Morde an den Migranten seien „allein aufgrund ihrer nichtdeutschen Herkunft“ erfolgt, aus einer völkisch-rassistischen Motivation heraus. Zschäpe, die bei den Terrortaten an keinem Tatort gesehen wurde, habe daran ein „gleich großes Interesse“ gehabt wie Mundlos und Böhnhardt. Es habe ein „bewusst und gewolltes Zusammenwirken“ aller Drei gegeben. Und Zschäpe habe mit dem Versand des NSU-Bekennervideos dafür den finalen Akt geliefert.

Verurteilt sind nun auch vier Mitangeklagte. Ralf Wohlleben, ein früherer NPD-Funktionär, muss für zehn Jahre hinter Gitter, weil er dem Trio die Ceska-Pistole organisierte, mit der neun Migranten erschossen wurden. Das Gericht wertete das als Beihilfe zu neunfachem Mord. Auch Wohllebens Anwälte haben vor, Revision einzulegen, künigten sie kurz nach der Verkündung der Urteile an.

Die anderen drei Mitangeklagten erhielten mildere Strafen. Carsten S., der Überbringer der Ceska an das Trio, muss eine dreijährige Jugendstrafe antreten. Ihm half sein umfassendes Geständnis im Prozess und sein damals jugendliches Alter. Holger G., der dem Trio seine Papiere überließ und ebenfalls eine Waffe überbrachte, muss drei Jahre in Haft.

Neonazis applaudieren

Überraschend ist Urteil für André E., den engste Vertrauten der Untergetauchten, der Wohnmobile und Wohnungen organisierte. Er erhielt eine zweieinhalbjährige Haftstrafe. Im Saal anwesende Neonazis applaudierten, als Richter Götzl dessen Haftstrafe verkündete. Die Bundesanwaltschaft hatte für André E. noch zwölf Jahre gefordert und ihn zuletzt wegen Fluchtgefahr in U-Haft nehmen lassen.

Seit dem 6. Mai 2013 wurde über den NSU-Terror vor dem Oberlandesgericht verhandelt, rund 600 Zeugen wurden angehört. Das Urteil war mit Spannung erwartet worden. Schon in der Nacht hatten sich Zuschauer und Journalisten vor dem Gericht angestellt, nicht alle passten in den Saal. Mit einer Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude forderten Demonstranten, keinen Schlussstrich unter die Aufklärung des NSU-Terrors zu ziehen. Im Laufe des Tages sollen unter dem der Forderung entsprechenden Motto „Kein Schlusstrich“ bundesweit weitere Kundgebungen stattfinden.

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5 Kommentare

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  • Und was ist mit den anderen Mördern?



    Dass der „Selbstmord“ der beiden Uwes keiner gewesen sein kann, ist bereits hinlänglich bekannt. Demnach war(en) dort (ein) Mörder am Werk. Das „Ableben“ wichtiger Zeugen deutet weitere Morde an.



    Die Vernichtung von Akten macht transparent, wer diese Mörder schützt, bzw. aus welchem Umfeld sie stammen.

    Summa summarum bleib ein unwichtiger Schauprozess, der lediglich als Ablenkung dient. Jetzt ist das Urteil gesprochen und die Sache kann medial beerdigt werden.



    Mörder ahoi!

  • Die flächendeckende Entnazifizierung in der Ex-DDR lässt immer noch auf sich warten...



    Wie bitter nötig sie ist, sehen wir gerade bei diesem feigen Mörderpack!

  • Wer die gut recherchierte ARD-Doku "Das Terrornetz" am 10.07.2018 gesehen hat,

    is.gd/Jlf1bQ

    muss die Fragen stellen, wieso die Rolle von Wohlleben als ideologischem "Mastermind" im Prozess nicht eindeutiger analysiert worden ist und wieso Andre Emingers Funktion nicht ebenfalls näher beleuchtet wurde.

    Das gesamte Zuarbeiternetzwerk, die dubiose Rolle des VS in Thüringen u.a., das Gesamtbild des NSU-Komplexes wurde bis heute nicht herausgearbeitet.

    Die Konsequenzen sind bitter für die Opferangehörigen, für den Rechtsstaat Bundesrepublik auf lange Sicht bedrohlich, wenn Gerichte und parlamentarische U-Ausschüsse den Rechtsterror nicht umfassend aufarbeiten (können).

    Am Beispiel des AfD-Sympathisanten David Sonboly, Breivik- und Hitlerverehrer, dem zwei Gutachter eine rechtsextremistische Motivlage zum OEZ-Massaker bescheinigten, wurde zuletzt deutlich wie nach wie vor Rechtsterror in Deutschland verharmlost oder gar bewusst vertuscht wird.

    Die bayrischen CSU-Behörden hatten nichts Besseres zu tun als ein ihr "genehmes" Gegengutachten zu bestellen, welches dann den rechtsextremistischen Zusammenhang ausschloss und die Mobbingthese als alleiniges Tatmotiv festklopfte. Alles weil die bayrischen Ermittlungsbehörden sich „zu Unrecht an den Pranger gestellt“ fühlten durch die ersten beiden Gutachten im Prozess und sich aus reinen Imagegründen dagegen wehren wollten, dass sich bloß keine Auffassung in der Öffentlichkeit verfestigen sollte, die CSU-hörigen Behörden würden Rechtsterror vertuschen.

    Seehofers & Söders Bayern.

  • Vom "NSU" ist lediglich die Spitze des Eisbergs sichtbar geworden. Der CDU-Politiker Clemens Binninger, Vorsitzender des letzten NSU-Untersuchungsausschusses, nannte in einer Fernsehdokumentation, dass der Ausschuss überparteilich (die AfD war zum Glück nicht dabei) zu dem Ergebnis gekommen sei, dass Planung und Ausführung der Morde breite Unterstützung durch Ortskundige erfordert haben. Er sprach von einem "braunen Netzwerk" in der gesamten Republik. Leider wird bei der Ermittlung der Hintergründe immer noch gemauert. Journalist*innen bekommen bei ihren Recherchen keine Auskunft, warum Behörden Spuren und Hinweisen nicht nachgehen. Ich frage mich, woran das liegt. Die Vertreter*innen der Nebenklage dürfen jetzt nicht aufgeben.