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Urteil gegen die Deutsche BahnMehr Optionen als „Mann“ und „Frau“

Kun­d:in­nen der Deutschen Bahn dürfen nicht gezwungen werden, sich bei der Anrede einzig zwischen „Frau“ und „Mann“ zu entscheiden. Das entschied ein Gericht.

Eine Bahncard-Inhaber:in hatte gegen die Vertriebstochter der Deutschen Bahn geklagt Foto: dpa

Frankfurt am Main afp | Die Deutsche Bahn darf ei­ne:n Kla­gen­de:n nicht-binärer Geschlechtszugehörigkeit bei der Nutzung von Angeboten nicht dazu zwingen, bei der Anrede zwischen Mann oder Frau auswählen zu müssen. Es bleibe bei einem Unterlassungsanspruch gegen das Unternehmen, teilte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main am Dienstag mit. Das Gericht bestätigte mit seiner bereits am Donnerstag getroffenen Entscheidung ein Urteil des Frankfurter Landgerichts.

Vor diesem hatte eine Bahncard-Inhaber:in mit nicht-binärer Geschlechtsidentität gegen die Vertriebstochter der Bahn geklagt. Der Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde der klagenden Partei lautete demnach seit Oktober 2019 „ohne Angabe“. Die klagende Person versuchte vergeblich, die für die Bahncard hinterlegten Daten hinsichtlich der geschlechtlichen Anrede anzupassen. Zudem muss ein Nicht-Registrierter auch beim Onlineticketkauf zwingend zwischen einer Anrede als Frau oder Herr auswählen.

Die klagende Partei vertrat deshalb die Ansicht, ihr stehe ein Anspruch auf Entschädigung und Unterlassung zu, weil das Verhalten der Bahn diskriminierend sei. Das Landgericht bestätigte Ende August den Unterlassungsanspruch. Die zwingende Auswahl einer Anrede als Frau oder Herr im Zusammenhang mit der Bahncard oder beim Onlinekartenkauf stelle eine Benachteiligung im Sinn des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes dar, hieß es im damaligen Urteil.

Das Gericht räumt der Bahn jedoch eine Frist von einem halben Jahr ein, um den Zustand zu ändern. Einen Anspruch auf Entschädigung gestanden die Richter der klagenden Partei nicht zu. Die Bahn ging gegen das Urteil in Berufung – jedoch ohne Erfolg.

Das Oberlandesgericht verwarf die Berufung, weil sie nicht innerhalb einer vorgeschriebenen Frist eingelegt wurde. Damit verbleibt es bei dem Unterlassungsanspruch gegen das Unternehmen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Bahn kann innerhalb eines Monats Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof einlegen.

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5 Kommentare

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  • Wofür wollen denn Firmen überhaupt ein Geschlecht wissen? Ist doch egal für den Geschäftsabschluss und in der Anrede schreibt man dann halt Sehr Geehrte/r, Sehr Geehrte*r oder vergleichbares. Liest eh keiner den Briefzext. Wenn würde ich mich freuen wenn man zwischen du und Sie wählen könnte.

  • Aus vielen automatisch übersetzten Formularen strahlt mir nun die Auswahl "Taucher" (offenbar rückübersetzt aus "divers") entgegen. Das nehme ich doch gern, es hört sich ausreichend nichtbinär und zugleich verwegen an.

  • Die Presse macht sofort den selben Fehler: "... hatte eine Bahncard-Inhaber:in mit nicht-binärer Geschlechtsidentität ... "



    Die Person wird im Text pauschal zur Frau gemacht - Endung "in". Anstatt auf männlich-weibliche Begriffe zu verzichten. Aber ganz im Ernst: es ist fast unmöglich normale Texte geschlechtsneutral zu formulieren.

    • @Mopsfidel:

      Der taz-Autor greift auf Konstruktionen wie "die klagende Person" zurück. Geht schon, aber Sprache ohne Pronomen ist auf Dauer schon anstrengend und umständlich. Jedenfalls nicht alltagstauglich.

      • @Winnetaz:

        Also ich hab als nichbinäre Person jedenfalls kein Problem mit der Doppelpunktschreibweise für Begriffe die keine genderneutrale Entsprechung haben.



        Sie ist weder explizit männlich noch explizit weiblich und es kann ja niemand etwas dafür, dass Deutsch so eine beknackte Sprache ist, wenn es um genderneutrale Formulierungen geht.