Adél Onodi über trans Schau­spie­le­r:in­nen: „Geschlecht ist nicht oberflächlich“

Die Schauspielerin Adél Onodi lebt in Berlin und bekommt als trans Frau nur selten cis Rollen angeboten. Und trans Rollen seien oft klischeehaft.

Portraitfoto von Adél Onodi, die lockige, braune Haare hat

Onodi auf der Premiere der dritten Staffel von „Wir sind jetzt“ Foto: imago/Christian Behring

taz: Adél Onodi, Sie spielen im Netflix-Film „Rumspringa“ eine cis Frau, in der RTL-II-Serie „Wir sind jetzt“ spielen Sie eine trans Frau. Besteht für Sie ein Unterschied zwischen cis und trans Rollen?

Adél Onodi: Nein, weil trans Frauen Frauen sind. Zwischen uns gibt es keine Unterschiede. Die deutsche Filmindustrie ist noch sehr veraltet. Wir nennen es ein modernes, westliches Land, aber noch immer bekommen trans Schau­spie­le­r:in­nen sehr wenige Rollen. Ich habe leider schon oft Klischee-Trans-Rollen angeboten bekommen, die nicht gut geschrieben waren.

Woran machen Sie fest, dass eine trans Rolle nicht gut geschrieben ist?

Ich erinnere mich an ein Casting, bei dem es um eine trans Rolle ging. Im Grunde war die Message hinter der Rolle: Die Figur war erst ein Junge, heute ist er eine Frau. So was sagt man einfach nicht, wenn man sich auf eine trans Person bezieht, die ihre Transition bereits hinter sich hat. Außerdem stand im Skript: „Sie sieht aus wie ein Mädchen.“ Wer würde so was über eine cis Frau schreiben?

Haben Sie sich um die Rolle beworben?

An dem Casting habe ich selbstverständlich nicht teilgenommen.

Finden Sie es richtig, dass trans Figuren in Filmen und Serien immer auch mit Schmerz verbunden sind? In der Serie „Pose“ werden zum Beispiel die Geschichten der Figuren stets begleitet von Armut, Krankheit und Ausgrenzung.

Wir können nicht so tun, als wäre alles rund um trans Identität heiter. Die Gesellschaft verhindert, dass es so sein kann. Wahrscheinlich wären die Charaktere in „Pose“ glücklich, wenn sich die Gesellschaft nicht andauernd an ihnen abarbeiten würde. Unsere Reise ist nichts ausschließlich Glückliches. Wir können nicht so tun, als sei alles ein toller, bunter Regenbogen.

Ist jede trans Rolle besser als keine trans Rolle?

Es ist gut, dass Sichtbarkeit geschaffen wird. Und es ist gut, dass trans Schau­spie­le­r:in­nen in solchen Filmen und Serien Rollen bekommen. Denn sie haben leider meistens immer noch keine Wahl, außer trans Rollen zu spielen. Oft sind das zudem Rollen, die vor oder während der Transition des:­der Prot­ago­nis­t:in spielen. Geschichten, die nach der Transition beginnen, kommen eher selten vor. Meist kommen transgender Schau­spie­le­r:in­nen erst dann an cisgender Rollen, wenn sie vorher schon mal eine trans Rolle gespielt haben.

Jahrgang 1995, ist in Ungarn geboren und aufgewachsen. Mittlerweile lebt sie in Berlin und arbeitet als Schauspielerin.

„Wir sind jetzt“ ist eine deutsche Jugendserie, die vom Heranwachsen von Teenagern und den Herausforderungen, die damit einhergehen, erzählt. Die dritte Staffel steht bei TVNow zum Streaming bereit.

„Rumspringa“ ist eine Culture-Clash-Komödie um einen jungen Amish-Mann, der im Hipster-Berlin landet. Es ist ein Constantin-Film-Projekt, die Regisseurin ist Mira Thiel. Der Film soll im Frühjahr oder Sommer 2022 bei Netflix erscheinen.

Trans Rollen sind oft ihre einzige Chance, in das Business einzusteigen. Auf diesem Weg hat es zum Beispiel die US-Schauspielerin Laverne Cox geschafft. Erst später hat sie dann cis Rollen bekommen. Nur ganz langsam kommt die Branche dahin, dass auch wir selbstverständlich cis Rollen spielen dürfen. Ich habe aktuell in Deutschland wenige Anfragen für solche Rollen, wohingegen ich im Ausland öfter auch für Hauptrollen gecastet werde.

Wie äußert sich Diskriminierung hinter den Kameras?

Das fängt bei der Bezahlung an. Die Hierarchie sieht so aus: Erst kommen die cis Männer, dann die cis Frauen, dann die trans Frauen. Viele Fil­me­ma­che­r:in­nen zahlen wenig oder gar nicht, mit der Begründung: Wir geben dir hier einen Platz – du solltest dankbar sein.

Wie fühlen Sie sich inmitten dieser Filmbranche?

Als seien wir noch ganz am Anfang. Die Filmindustrie schöpft unsere Storys nicht genügend aus. Viele Fil­me­ma­che­r:in­nen denken, wenn sie eine einzige Produktion über trans Personen machen, reicht das für die nächsten 20 Jahre. Ich verstehe nicht, warum wir immer wieder nur über hetero-cis Storytelling sprechen. Ich sage nicht, dass Geschichten sich nur noch um LGBTQIA+ drehen müssten. Es geht darum, uns trans Menschen mehr Chancen zu geben. Die Welt ist diverser und bunter. Wir sollten jede Farbe zeigen.

Welche guten Erfahrungen haben Sie mit Rollen gemacht?

Ich war sehr froh, in der RTL-II-Serie „Wir sind jetzt“ mitspielen zu können, weil die ganze Geschichte sich um eine Transition dreht. Das ist wichtig, um aufzuklären. Ich lebe in Berlin, alle sagen, es sei so weltoffen hier, aber ich lerne immer noch Menschen kennen, die nicht mal wissen, was „trans“ bedeutet. Toll bei „Wir sind jetzt“ ist auch, dass mein Charakter eine trans Frau ist, die ihre Transition bereits hinter sich hat. Sie tritt als eine Art große Schwester für eine andere Figur auf. Diese Rolle ist schön, weil sie zeigt, dass ein glückliches Leben nach der Transition möglich ist.

Wie sollten Fil­me­ma­che­r:in­nen sich weiterbilden, bevor sie eine trans Rolle schreiben?

Sie sollten sich tiefgründig mit der Thematik beschäftigen. Das Problem ist, dass das eigene Wissen oft nur an der Oberfläche kratzt. Aber Geschlecht ist nicht oberflächlich. Ich wurde mit einer weiblichen Seele geboren und habe den falschen Körper bekommen. Das habe ich korrigiert, weil ich das so wollte. Deswegen wäre es besser, über eine trans Person zu sagen: „Sie hatte den falschen Körper, aber jetzt ist alles okay. Jetzt ist sie sie selbst.“ Solche kleinen Formulierungen können schon sehr gut tun. Oder eben sehr schmerzen, wenn sie falsch sind. Wenn in einer Produktion ein trans Rolle vorkommen soll, müssen die Verantwortlichen mit ei­nem:ei­ner Be­ra­te­r:in sprechen, der:­die selber trans ist. So kann Verletzungen vorgebeugt werden.

Was würden Sie machen, wenn Sie Filmemacherin wären?

Ich arbeite aktuell mit meiner Agentin an einer eigenen Filmidee. Es geht um eine trans Frau nach ihrer Transition, um ihr Dating-Leben. Sie trifft zufällig einen Mann in einem Hotel und die beiden verlieben sich unsterblich ineinander. Aber dann kommt raus, dass sie trans ist. Sie hat es ihm nicht selbst gesagt. Viele Leute sagen, man sei verpflichtet, davon zu erzählen. Aber das stimmt nicht! Es ist meine Entscheidung, ob ich es erzählen will. Ein Kernthema des Filmentwurfs ist auch, wie hart es ist, wenn man als trans Frau nach einer Beziehung mit einem Mann sucht. Denn viele Männer gehen nicht gut mit der trans Identität ihrer Part­ne­r:in­nen um. Eine richtige Beziehung, also mehr als Sex, schließen viele im Voraus schon aus.

Wie fühlt es sich für Sie an, eigene Ideen umsetzen?

Ich mag es sehr, als trans Frau Geschichten über trans Frauen zu erschaffen. Es ist wichtig, dass diese Perspektive auch in den Schaffensprozess eingebunden wird. Wenn ich eine Geschichte über ein blondes Mädchen schreibe, würde ich auch erst mal mit einem blonden Mädchen sprechen und sie fragen, wie sie sich fühlt. Wenn ich diese Rolle schreibe, ohne sie vorher zu fragen, wäre das dumm. Dasselbe gilt für trans Rollen. Erst, wenn man die trans Perspektive einbezieht, ist die Rolle authentisch.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.