Urteil gegen Verdi in Berlin: Kita-Streik bleibt verboten
In der Hauptstadt wollten Erzieher*innen unbefristet streiken. Am Freitag wurde das der Gewerkschaft Verdi auch in zweiter Instanz untersagt.
Das Landesarbeitsgericht hatte zu entschieden, ob Verdi doch noch einen unbefristeten Streik der Erzieher*innen starten darf – nachdem es vor der niedrigeren Instanz schon letzten Freitag eine Niederlage gegeben hatte. In der vergangenen Woche verbot das Arbeitsgericht der Gewerkschaft, den „Erzwingungsstreik“ zu beginnen. Einen entsprechenden Antrag hatte die Senatsverwaltung für Finanzen am Vorabend gestellt.
Berlins Finanzsenator Stefan Evers (CDU) hält das Streikrecht zwar für ein „hohes Gut“, er wollte es Erzieher*innen städtischer Erziehungseinrichtungen allerdings nicht anwenden lassen. Die Gewerkschaften „lassen die Situation unnötig und auf dem Rücken tausender leidtragender Familien eskalieren“, so Evers.
Ausschlaggebend war für Richter Peter Hansen in der vergangenen Woche die Friedenspflicht. Demnach seien Verhandlungspartner dazu verpflichtet, Kampfmaßnahmen wie Streiks zu unterlassen, wenn Verhandlungen noch nicht gänzlich abgeschlossen sind. „Diese Entscheidung ist ein erster Schritt, wohl wissend, dass es nicht der letzte ist“, sagte Hansen. Damit sollte er Recht behalten.
Verdi ging unmittelbar in Berufung, am Freitag verhandelte das Landesarbeitsgericht darüber. Es entschied ebenfalls gegen die Gewerkschaft und berief sich wie schon die Vorinstanz auf die Friedenspflicht. Nicht ausschlaggebend für das Urteil sei aber die Berliner Mitgliedschaft in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), die es einzelnen Ländern verbietet, Tarifverträge auf eigene Faust abzuschließen. Der Senat hatte dies stets als Argument gegen Verhandlungen genutzt.
Streit dauert schon Monate
Dennoch kommt es jetzt nicht zum „Erzwingungsstreik“. Es wäre der erste unbefristete Kita-Streik seit 1990 gewesen. Damals dauerte er 10 Wochen an.
Grund für die Streikpläne war bei Verdi die fehlende Verhandlungsbereitschaft des Senats. Verdis Landesbezirksleiter Benjamin Roscher betonte bereits Ende September, dass Verhandlungsgespräche unvermeidlich seien. Es sei Zeit, „dass die leeren Worthülsen und Versprechungen aufhören und Verhandlungen aufgenommen werden“, so Roscher. Verdi möchte seit April mit dem Senat einen „Entlastungstarifvertrag“ aushandeln, um der Überlastung der Erzieher*innen und der folglich sinkenden Betreuungsqualität entgegenzuwirken.
Zwischenzeitlich bot die Gewerkschaft auch an, statt über einen Tarifvertrag über eine rechtlich verbindliche „Entlastungsvereinbarung“ inklusive individuell einklagbarer Belastungsgrenzen zu sprechen. Zu Verhandlungen darüber kam es aber ebenfalls nicht.
Ende September folgte eine Urabstimmung der Gewerkschaft. Die Mitglieder zeigten sich streikbereit: 91,7 Prozent der Stimmberechtigten votierten für den Streik, der nun erst mal vom Tisch ist.
Laut Verdi-Sprecher Klunkel bleibt zumindest noch die Möglichkeit, das Verfahren in einem Hauptsacheverfahren erneut vorzubringen. Ein langwieriger Prozess, der sich mit den Grundsätzen des Streikrechts befassen würde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Wohnen, Steuer und ein „Energie-Soli“