Urteil gegen Oppositionelle in Belarus: Perfider Rachefeldzug
Die belarussische Oppositionelle Kolesnikowa muss elf Jahre ins Gefängnis – ein hartes Urteil. Es zeigt: Machthaber Lukaschenko kennt keine Gnade.
A ktionen gegen die Staatssicherheit, Gründung einer extremistischen Organisation und Planung eines Umsturzes – mehr geht nicht. Und so dürfte die Haftstrafe von elf Jahren gegen Maria Kolesnikowa niemanden ernsthaft überraschen, am allerwenigsten die Verurteilte selbst. Schließlich hatte die belarussische Oppositionspolitikerin Präsident Alexander Lukaschenko nicht nur vor und nach seiner angeblichen Wahl 2020 die Stirn geboten, sondern es auch noch gewagt, sich ihrer Zwangsdeportation zu widersetzen. Und das konnte nur als Provokation verstanden werden.
Doch die Botschaft dieses Schuldspruches (neben Kolesnikowa wurde auch der Anwalt Maxim Snak zu zehn Jahren verurteilt) ist noch eine andere: Lukaschenko ist fest entschlossen, seinen perfiden Rachefeldzug, der einer Säuberungsaktion gleichkommt, unbeirrt fortzusetzen. Und so lautet die Alternative für viele nur: Entweder das Land verlassen oder riskieren, sich auf Jahre im Gefängnis wiederzufinden.
Die menschlichen Tragödien, die damit einher gehen, sind heute oft genug nicht mal mehr eine Meldung wert: Menschen, die durch Haft und Folter gebrochen sind. Familien, die auseinandergerissen werden. Und Kinder, die ohne Eltern aufwachsen und auf Jahrzehnte traumatisiert sein dürften.
Auch der Westen sollte das Signal aus Minsk richtig deuten: Die sogenannte multivektorielle Außenpolitik, mit der sich Lukaschenko immer mal anbiederte, hat als Handlungsmuster ausgedient. Ohnehin scheinen die Optionen der EU weitgehend ausgereizt zu sein. Deshalb sind „Beileidsbekundungen“ im Fall Kolesnikowa genauso wohlfeil wie die zahllosen Empfänge der exilierten Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanoskaja. Denn an der desolaten Situation in Belarus ändert das alles gar nichts.
Einer kann die Ereignisse beim Nachbarn ganz gelassen beobachten: Russlands Präsident Wladimir Putin. In dieser Woche will er mit Lukaschenko über eine vertiefte Zusammenarbeit beraten, für die der Begriff Anschluss bereits die Runde macht. Lukaschenko, ohnehin nur noch Herrscher von Moskaus Gnaden, wird Russland wie eine reife Frucht in den Schoß fallen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter