Urteil gegen Nawalny: Das Verdikt aus der Schublade
Moskau musste Alexei Nawalny hinter Gitter schicken, um sich nicht lächerlich zu machen. Der Kreml trägt sein Gewaltmonopol zur Schau.
K urzer Prozess: Dreieinhalb Jahre Haft für Alexei Nawalny wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen aus einem Verfahren von 2014. Die zwölf Monate, die er bereits in Hausarrest abgesessen hat, werden ihm freundlicherweise erlassen. Es wird ein Geheimnis des Kremls bleiben, wie der vergiftete Oppositionspolitiker, der komatös in einem Berliner Krankenbett lag, seiner Meldeverpflichtung hätte nachkommen sollen.
Wann immer Regimegegner*innen in Russland vor Gericht stehen, ist davon auszugehen, dass die Urteile schon vorher fertig in der Schublade liegen. Das dürfte auch im Falle Nawalnys nicht anders gewesen sein. Zu schrill war bereits die Begleitmusik vor dem Verfahren, als dass die Staatsmacht ein anderes Verdikt hätte fällen können, ohne sich vollends der Lächerlichkeit preiszugeben.
Nach den beiden vergangenen Protestwochenenden war auch am Dienstag wieder eine Armada von Sicherheitskräften aufmarschiert, um, im wahrsten Sinne des Wortes, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Nur verbal attackiert wurden westliche Diplomat*innen, die sich zum Gericht aufgemacht hatten. Die Einlassung der Sprecherin des Innenministeriums Marina Sacharowa, der Westen habe sich selbst entlarvt und wolle Russland „eindämmen“, folgte dem bekannten Narrativ.
Dabei ist der politische Niemand Nawalny doch unwichtig. Ja, so bedeutungslos, dass sich Präsident Wladimir Putin an diesem Tag lieber dem Gewinner des Wettbewerbs „Lehrer des Jahres 2020“ widmete. Man muss eben Prioritäten setzen. Das werden wohl auch Nawalnys Unterstützer*innen tun. Es ist zu erwarten, dass viele ihren Unmut, der über die Kausa Nawalny hinausgeht, weiter auf die Straßen tragen werden – wohl wissend, welche Risiken damit verbunden sind. Nawalny-Unterstützer*innen haben noch für Dienstagabend zu landesweiten Protesten aufgerufen.
Und die EU? Die wird in Gestalt des Außenbeauftragten Josep Borrell am Ende der Woche in Moskau erwartet. Der Kreml wolle sich um eine Normalisierung der Beziehungen zu Brüssel bemühen, die völlig ungerechtfertigt eingefroren seien, heißt es. Ungerechtfertigt? Vielleicht kann Herr Borrell da ein wenig Aufklärungsarbeit leisten.
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