Urteil gegen Hunter Biden: Wahl zwischen Narzissmus und Demut

Innerhalb weniger Tage wurden Hunter Biden und Donald Trump gerichtlich verurteilt. Das ist aber auch schon alles, was die beiden gemeinsam haben.

Hunter Biden geht Hand in Hand mit seiner Mutter und Frau

Hunter Biden zwischen seiner Mutter und seiner Ehefrau vor dem Gericht in Wilmington Foto: Matt Slocum/ap

Zwei prominente Persönlichkeiten, zwei Nachnamen von US-Präsidenten. Donald Trump, Hunter Biden. Ehemaliger Präsident und Kandidat für die Wahlen im November der eine, Sohn des amtierenden Präsidenten der andere. Was sie eint: Beide sind in den letzten Wochen von unabhängigen Geschworenengerichten schuldig gesprochen, Straftaten begangen zu haben, beide warten auf ihr Strafmaß, beide wollen in Berufung gehen.

Aber was für ein Kontrast!

Am Dienstag dieser Woche wurde der 54-jährige Hunter Biden von einem Geschworenengericht in Wilmington in drei Anklagepunkten schuldig gesprochen: 2018 einen Revolver gekauft zu haben, obwohl er damals drogensüchtig war (Vergehen 1), seine Sucht beim Kauf verschwiegen zu haben (Vergehen 2) und die Waffe anschließend besessen zu haben (Vergehen 3). Sein Vater, Präsident Joe Biden, reagierte umgehend. Er akzeptiere das Urteil, werde seinen Sohn nicht begnadigen – was er als Präsident könnte, da Hunter von einem Bundesgericht schuldig gesprochen wurde – und werde im Übrigen immer hinter seinem Sohn stehen.

Konservative Medien wie Fox News jubelten: Zum ersten Mal sei den Bidens aufgezeigt worden, dass in den USA niemand über dem Gesetz stehe.

Ganz anders Donald Trump. Als der Ex-Präsident Ende Mai von einem Geschworenengericht in New York in 34 Anklagepunkten schuldig gesprochen wurde, weil er während des Wahlkampfs 2016 Schweigegeldzahlungen an die frühere Pornodarstellerin Stormy Daniels als Geschäftsausgaben verschleiert hatte, tobte Trump darüber, wie ungerecht der Prozess, wie befangen der Richter gewesen sei.

Die gesamte „Hexenjagd“ sei von der Biden-Regierung eingefädelt, um einen politischen Konkurrenten auszuschalten. Medien wie Fox News stimmten ein: Das Justizsystem der USA sei kaputt und korrupt, die Regierung benutze die Justiz als Waffe, man fühle sich wie in einer Bananenrepublik.

Was sie unterscheidet

Am Tag nach seiner Verurteilung warnte Donald Trump seine An­hän­ge­r*innen: „Wenn sie mir das antun können, dann können sie das auch mit euch machen!“ Damit stellt Trump richtig fest, was Rechtsstaat bedeutet: Je­de*r kann unabhängig von Namen oder Status angeklagt und verurteilt werden, wenn eine Straftat nachgewiesen wird – aber es klingt bei Trump natürlich ganz anders, und das soll es auch.

Nicht nur der Ton, sondern auch die Verfahren, die Beweisaufnahmen, die Zeugenaussagen zeigen einen fundamentalen Unterschied zwischen den beiden prominenten Verurteilungen. Hier der skrupellose millionenschwere Machtmensch, der es Zeit seines Geschäftslebens gewohnt ist, Regeln zu missachten, sich den entstehenden Ärger mit Geld vom Hals zu schaffen und jeden Vertrauten fallen zu lassen, der Widerworte gibt. TRUMP, in Großbuchstaben.

Dort die trauernde Familie, die der frühe Tod des Sohns und Bruders Beau Biden, der 2015 mit 46 Jahren an einem Hirntumor starb, aus der Bahn warf. Vater Joe kandidierte 2016 nicht um die Präsidentschaft, Bruder Hunter fing eine Beziehung zur Witwe seines Bruders an und wurde cracksüchtig. Der Prozess, bei dem drei Ex-Freundinnen und seine Tochter die Zeit seiner Sucht beschrieben, war ein trauriger Blick in Abgründe, die in den drogengeplagten USA allzu viele Familien kennen.

Patti Davis, die heute 71-jährige Tochter des früheren US-Präsidenten Ronald Reagan, schrieb in einem Beitrag für die New York Times: „Es gibt auf dieser Welt eine Menge Hunter Bidens, Leute, die tief fallen. Man hört nur nichts von ihnen in den Abendnachrichten.“ Patti Davis weiß, wovon sie spricht: Sie war selbst als junge Frau jahrelang Am­phet­amin- und kokainabhängig.

Zwei Urteile, zwei Wertesysteme

Viele Jahre lang haben republikanische Po­li­ti­ke­r*in­nen und konservative Medien versucht, die Fehltritte Hunter Bidens gegen seinen Vater in Stellung zu bringen. Im Herbst 2020, wenige Wochen vor der Präsidentschaftswahl, brachte Rupert Murdochs New York Post die Enthüllungsstory über Hunter Bidens Laptop, der angeblich Beweise dafür liefere, dass Hunter während der Zeit, als er Geschäfte in der Ukraine abwickelte, den Namen seines Vaters, damals Vizepräsident von Barack Obama, für sich genutzt habe.

Donald Trump versuchte gar in jenem inzwischen berühmt gewordenen Telefongespräch, Präsident Selenskyj dazu zu bewegen, ihm Material über Hunter zu beschaffen, das dessen Vater belasten könne. Das Telefonat führte 2019 zum ersten Amtsenthebungsverfahren gegen Trump.

Hunter Bidens Laptop ist längst im Besitz des FBI, einige Daten davon wurden im aktuellen Verfahren als Beweise verwendet. Das Bild des „korrupten Biden-Clans“, an dem die Konservativen seit Jahren stricken, zeigen sie nicht.

Zwei Familien, zwei Urteile. Zwei Wertesysteme. Egoismus versus Anstand, Narzissmus versus Demut. Mitten im Wahlkampf. Ausgang offen, Trump führt weiter in allen Umfragen.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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