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Urteil des Internationalen GerichtshofesRussland muss sich auf Krim zügeln

Seit drei Jahren wütet der blutige Konflikt im Osten der Ukraine. Kiew verklagt den Nachbarn Russland vor dem höchsten UN-Gericht – erringt aber nur einen Teilerfolg.

Solidarität mit den Tataren und anderen Nationalitäten auf der besetzten Krim zeigen diese Frauen in Kiew Foto: dpa

Den Haag dpa | Der Internationale Gerichtshof hat eine Klage der Ukraine gegen Moskau wegen angeblicher Hilfe für Separatisten in der Ost-Ukraine vorerst abgewiesen. Zugleich ordnete das höchste UN-Gericht am Mittwoch in Den Haag aber an, Moskau müsse Maßnahmen gegen die Diskriminierung von Tataren und Ukrainern auf der Krim ergreifen. Im blutigen Kampf in der Ost-Ukraine ermahnte das Gericht beide Staaten, die Minsker Vereinbarung zur friedlichen Beilegung umzusetzen.

Die Ukraine hatte Russland wegen angeblicher Waffenlieferungen und Finanzierung pro-russischer Separatisten verklagt und beruft sich dabei auf die UN-Konvention gegen die Finanzierung von Terrorismus. Russland hatte die Vorwürfe Kiews jedoch als unbegründet zurückgewiesen.

In diesem Punkt der Klage wiesen die Richter aber die von Kiew geforderten Sofortmaßnahmen ab. „In diesem Stadium des Verfahrens“ reichten die vorgelegten Beweise nicht aus. Sie betonten aber, dass das Hauptverfahren noch nicht eröffnet sei. Wann das geschieht, ist noch nicht bekannt. Entscheidungen des UN-Gerichts sind bindend.

Im zweiten Teil der Klage gab das Gericht der Ukraine aber recht. Die Krimtataren und Ukrainer würden auf der Krim diskriminiert. Und Russland wurde zu Maßnahmen verurteilt. Die ethnischen Gruppierungen hätten ein Recht auf eigene Selbstverwaltung und Unterricht in ihrer Sprache. Ausdrücklich wurde dabei die „Medschlis“ genannt, das Parlament der Krimtataren, das von den russischen Behörden als extremistische Organisation verboten worden war.

„Russland muss unverzüglich die Rassendiskriminierung stoppen. Wir werden an der Umsetzung der Order des Internationalen Gerichtshofs der UN arbeiten, um den Aggressor zur stoppen“, schrieb der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin auf Twitter.

Der Parlamentsabgeordnete und Ex-Vorsitzende des Medschlis, Mustafa Dschemilew, erwartet nicht, dass die russischen Behörden das Urteil befolgen werden

„Diese Entscheidung hebt den Ernst der Situation hervor, die durch die Handlungen der Russischen Föderation verursacht wird, und dass die Bürger der Ukraine Schutz brauchen. Das betrifft sowohl die Krim als auch den Donbass, was das Gericht deutlich hervorhob“, kommentierte Jelena Serkal, die ukrainische Vertreterin bei der Verhandlung. „Schade ist, dass der Internationale Gerichtshof der UN es nicht für zielführend hält, ebenfalls vorübergehende Maßnahmen in Bezug auf die Handlungen der Russische Föderation im Osten der Ukraine anzuwenden“, schrieb sie bei Facebook.

Die russischen Krim-Behörden bezeichneten die Entscheidung als realitätsfremd und politisch motiviert. Die Richter in Den Haag hätten zum Beispiel nicht die wochenlange Energie- und Transportblockade der Krim auf dem Landweg berücksichtigt, sagte Behördensprecher Saur Smirnow der Agentur Interfax. Auch würden die ukrainische und die krim-tatarische Sprache ebenso wie die russische Sprache offiziell verwendet. Von Diskriminierung könne daher keine Rede sein.

Der Parlamentsabgeordnete und Ex-Vorsitzende des Medschlis, Mustafa Dschemilew, erwartet nicht, dass die russischen Behörden das Urteil befolgen werden. Dennoch sei es eine wichtige Entscheidung, sagte er im Radio Swoboda: „Es ist eine moralische Unterstützung für die Krimtataren, die Verfolgung ausgesetzt sind. Das ist eindeutig.“

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23 Kommentare

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  • Was juckt Putin irgendein EU-Gericht.

     

    Man muss schon recht naiv sein um zu meinen das Urteil hätte irgendeinen anderen Effekt als uns genau das zu bestätigen was wir sowieso schon alle wissen:

     

    Russland hat sich nicht an internationale Gesetze gehalten.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Thomas_Ba_Wü:

      "Russland hat sich nicht an internationale Gesetze gehalten."

       

      Russland hält sich eben an sein westliches Pendant als Vorbild.

  • "Die Ukraine hatte Russland wegen angeblicher Waffenlieferungen und Finanzierung pro-russischer Separatisten verklagt"

     

    Das Gericht hat also festgestellt, dass es die vieldiskutierten Waffenlieferungen und Finanzierung der russischstämmigen Bevölkerung in der Ukraine in Wahrheit nie gegeben hat. Interessant.

    • @Lu Ka:

      Weiterlesen: "„In diesem Stadium des Verfahrens“ reichten die vorgelegten Beweise nicht aus. Sie betonten aber, dass das Hauptverfahren noch nicht eröffnet sei."

    • @Lu Ka:

      Na ganz so hat man sich in Den Haag nicht festgelegt. Die Entscheidung könnte vom alten Salomon sein. Für jeden ein kleiner Zipfel und unterm Strich bedeutungslos.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @Lu Ka:

      Und MH 17 ist vom Himmel gefallen, einfach so.

    • @Lu Ka:

      In welche Aussage des Artikels interpretieren Sie denn das hinein? Das Gericht hat festgestellt, dass die Beweise nicht ausreichen, um Sofortmaßnahmen zu verhängen. Eine Hauptverhandlung steht aus.

      • @Alexander Kosubek:

        Natürlich geht LU KA mit seiner Formulierung

        "Das Gericht hat also festgestellt, dass es [...] Waffenlieferungen und Finanzierung der russischstämmigen Bevölkerung in der Ukraine [...] nie gegeben hat."

        zu weit. Aber auch wenn ein Staat auf der Anklagebank sitzt, gilt m.W. "in dubio pro reo".

        Die Tatsache, daß Waffenlieferungen und die Finanzierung der russischstämmigen Bevölkerung in der Ukraine nicht ohne weiteres zu beweisen sind, ist schon bemerkenswert.

        In den Leitmedien werden uns diese Unterstützungen nämlich seit langer Zeit als Tatsache verkauft, offensichtlich ungeprüft.

        • 6G
          60440 (Profil gelöscht)
          @jhwh:

          Es haben russische Truppen in der Ostukraine gekämpft. Das ist mittlerweile ein alter Hut.

          • @60440 (Profil gelöscht):

            Vielleicht sollten Sie zum Beweis einmal ein paar Links auf SPON und BILD nach Den Haag schicken. Dort scheint man völlig ahnungslos zu sein.

        • 6G
          60440 (Profil gelöscht)
          @jhwh:

          Es muss heissen: In dubio pro Täter.

          • @60440 (Profil gelöscht):

            Genau ! Erst schießen, dann fragen. Bis zu diesem Kommentar war ich bei Ihnen zumindest von einer minimalen staatsbürgerlichen Reife ausgegangen.

        • @jhwh:

          Anzunehmen, dass Russland die Aufständischen nicht unterstützen würde, wäre weltfremd. Es handelt sich aber um Gebiete, in denen überwiegend russischstämmige Bevölkerung wohnt, die von der Ukraine diskriminiert wurden. Dass diese Bevölkerung sich auf die Seite Russlands schlagen will und dann Unterstützung aus Russland erhält, ist sehr wahrscheinlich. Nicht bewiesen ist jedoch, ob diese Unterstütztung von amtlicher Seite aus geschieht. Es könnten auch Oligarchen oder Privatleute sein - oder eben Oligarchen, die im Auftrag und mit Billigung von Putin handeln.

          • 6G
            60440 (Profil gelöscht)
            @Velofisch:

            Wie niedlich, hier wird ja noch immer russische Propaganda nachgeplappert.

             

            Um mal Timothy Snyder zu zitieren, der die inneren, eigentlich für jeden erkennbaren Widersprüche innerhalb der russischen Staatspropaganda im Rahmen des sog. Ukraine-Konfliks treffend aufzeigt:

             

            "In der Zeitgeschichte versteigt sich die russische Propaganda zu kruden Widersprüchen. Der „dekadente“ Westen wird aufgefordert, zur Kenntnis zu nehmen, dass es keine ukrainische Nation gebe, dass aber alle Ukrainer Nationalisten seien; dass es keinen ukrainischen Staat gebe, aber seine Organe Unterdrückung betrieben; dass es keine ukrainische Sprache gebe, aber Russen gezwungen würden, sie zu sprechen." http://www.faz.net/aktuell/politik/die-gegenwart/gastbeitrag-von-timothy-snyder-hitler-stalin-pakt-13320814.html

             

            Logik ist egal, es wird munter weiter von russischstämmiger Bevölkerung fabuliert, die angeblich unetrdrückt wurde (wahrscheinlich wie weiland die armen Genossen in Afghanistan 1979 oder in der Tschechoslowakai 1968 oder in Ungarn 1956, die jeweils ein Eingreifen von außen nötig machten).

             

            Wegen der eingebildeten Diskriminierung war nun auf der Krim und im Osten der Ukraine ein militärischers Eingreifen Russlands leider, leider unumgänglich, die Führung hybrider Kriege und natürlich die Annexion von Gebietsteilen.

             

            "Diese" russischstämmige Bevölkerung, die natürlich nie gefragt wurde und sicherlich gerne den Krieg in ihre Landesteile hat kommen sehen, hat sich mitnichten auf die russische Seite geschlagen, weswegen es ja weder echte Wahlen noch Referenden gibt.

            • @60440 (Profil gelöscht):

              Das FAZ Zitat ist aber auch völliger Unsinn. Man verbiegt die Aussagen der russischen Propaganda passgerecht und hat schon einen "Beweis" für "Unlogik".

            • @60440 (Profil gelöscht):

              In Russland leben etwa eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine. Diese Menschen sind mehrheitlich russischsprachig. Würde es in der Ukraine keine Diskriminierung geben, hätte diese ja auch in der Ukraine bleiben können und etwa in den friedlichen westlichen Landesteil gehen können. Wirtschaftliche Gründe als Fluchtursache können es ja auch nicht sein, da Putins Wirtschaft, wie der Tazleser weiß, kurz vor dem Bankrot steht. http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/auch-aus-der-ukraine-fliehen-menschen-nach-europa-14152038.html

              • @Sandor Krasna:

                Ist ja nett, dass Sie den Link gleich mitliefern, der Ihre Argumente widerlegt:

                 

                "Infolge der russischen Annexion der Krim und des Krieges im Donbass sind mehr als zwei Millionen Menschen aus dem Osten der Ukraine vor dem Krieg und seinen Folgen geflohen. Gut die Hälfte davon fand in unterschiedlichen Teilen der Ukraine eine zeitweilige Unterkunft. Eine weitere Million zog nach Weißrussland und Russland, außerdem gingen viele nach Polen.".....

                "Infolge des Krieges im Donbass hat sich die Wirtschaftslage in der Ukraine auch außerhalb der Kampfzone dramatisch verschlechtert."....

                "Die Zahl der ukrainischen Flüchtlinge in Russland liegt bei etwa einer Million. Umso bezeichnender, dass die staatlichen russischen Medien, die sich auf Angela Merkels Flüchtlingspolitik eingeschossen haben, das fast völlig ausblenden. Die Verbindungen der beiden Länder sind eng, es gibt kaum eine russische Familie ohne Verwandte in der Ukraine und umgekehrt. Die Annexion der Krim und der Krieg im Donbass haben nicht nur wirtschaftliche Bande zerstört, sie bedrohen auch viele Familien."

                • @Artur Möff:

                  Warum widerlegt? Für die Widersprüchlichkeit des Artikels kann ich nichts. Mir ging es eher um die Zahl der Flüchtlinge. Ich würde nicht in das Land fliehen, dass Krieg gegen meine Heimat führt? Es sei denn vielleicht, das Land heißt USA und kämpft gegen Nazideutschland.

                  • @Sandor Krasna:

                    Sie haben aber nicht gelesen, dass da die häufigen russisch-ukrainischen Verwandschaftsbeziehungen erwähnt werden, die wohl auch Grund für die Flucht nach Russland sind? Denn der Krieg ist nur in Ukraine, Russland ist immerhin friedlich und da ist auch kein Krieg zu erwarten.

                    Und laut dem Artikel sind 1 Mio Geflüchtete in der Ukraine unterwegs, die andere Mio verteilt sich auf Russland, Weißrussland und Polen. Ob das ein Beleg für die Benachteiligung der russischen Minderheit in der Ukraine sein kann, wage ich zu bezweifeln.

                    • @Artur Möff:

                      Ja, ich verstehe was Sie meinen. Das mit den Verwandschaftsbeziehungen kann ich nachvollziehen.

                       

                      Meinen Eindruck nach aber hat sich die Situation für russischsprachige Menschen in der Ukraine seit etwa 2014 massiv verschlechtert. Wenn Sie mit den Menschen reden, die nun in Russland meinetwegen bei Verwandten untergekommen sind, werden Sie immer wieder von Diskriminierungen erfahren. Und das betrifft nicht nur irgendwelche Rentner, die eh zu alt sind jetzt nochmal Ukrainisch zu lernen, sondern ganz normale junge Leute, die Probleme im Militär hatten, oder als Freelancer einfach keine Aufträge mehr bekamen. Kann sein, dass das die UNO so nicht bestätigen kann, und so auch nicht in der FAZ zu lesen ist. Aber warum sollte ausgerechnet der Krieg in der Ukraine, der erste Krieg in der Geschichte der Menschheit sein, in dem keine Randgruppen definiert und ausgegrenzt werden?

                  • @Sandor Krasna:

                    Sie sind naiv. Krieg hat seine eigene Logik. Sobald Bomben fliegen ist das Misstrauen gegen evtl. russischstämmige Bevölkerungsteile und weitere Eskalationen nicht aufzuhalten.

                    Putin der alte Geheimdienstler weiß genau wie die Mechanismen funktionieren und nutzt dies skrupellos für sich, weil er sich nur so in Russland an der Macht halten kann.

                    • @Grisch:

                      Den Terminus "Russischstämmig" halte ich schonmal für problematisch, weil es eher um die Sprache, oder meinetwegen um die kulturelle Identität geht. Ich kenne Ihren Hintergrund nicht, aber viele in meiner Familie gelten als Russen, haben aber armenische, griechische, jüdische, deutsche, mordwinische, ungarische und eigentlich überhaupt gar keine ukrainischen oder russischen Vorfahren. Sie waren für den Maidan solange es gegen Korruption ging, aber als die Leute anfingen "Ruhm der Ukraine" zu brüllen, bei Beibehaltung der Korruption sahen sie halt für sich keinen Platz mehr dort. Die Konflikte zwischen Menschen, die sich als genuin ukrainisch definieren und Menschen, die sich aus allen möglichen anderen Nationen zusammensetzen, gab es schon vor Putins Geburt, es gab sie in der Sowjetunion, während der deutschen Besatzung und unter dem Zaren und Russland hat da gewiss meistens eine ziemliche schlechte Rolle gespielt. Aber jetzt sind diese Menschen halt da, seit Generationen, sie haben sich vermischt, und was nun?

                      • @Sandor Krasna:

                        Wäre alles kein Problem wenn es keinen Putin gäbe der Kriege anzettelt...