piwik no script img

Urlaub mit KindernIch hab’s mir nicht so ausgesucht

Mit Kindern kommt die häufige Enttäuschung. Etwa wenn ständig Termine abgesagt werden müssen – oder wenn das Geld wieder nicht für den Urlaub reicht.

Manchmal geht noch nicht mal abtauchen Foto: Daniel Scharinger/imago

H eute habe ich geweint, weil ich nicht ins Freibad konnte. Wie so ein Kleinkind. Oder eher: wie so eine Mutter. Enttäuschung ist ein unterschätztes Gefühl, wenn es um Elternschaft geht. Nicht in seiner Intensität, sondern in seiner Häufigkeit. Ich erinnere mich nicht, dass ich früher so oft enttäuscht war. Aber all die abgesagten Termine, Gelegenheiten, all die Unmöglichkeiten – privat und beruflich. Da kann man sich vorher noch so sehr versprechen, dass sich das Leben nicht ändern wird. Dass die Kinder nicht den Ton angeben, dass man die gleichen Freiheiten haben wird wie früher.

Was dabei übersehen wird: Kinder verändern nicht nur dein Leben, sie verändern dich. So wie alle tiefen Beziehungen dich ändern. Elternschaft funktioniert außerdem so gut wie nie über Kontrolle. Wenn das Kind Fieber hat, kannst du nicht sagen: „Jetzt steh mal nicht so im Mittelpunkt, heute ist das Beyoncé-Konzert!“ Also kannst du schon, ändert aber nichts. Deshalb kann der Vorsatz, seine Freiheiten weiterhin zu kontrollieren, nur scheitern. Planung und Enttäuschung sind ein Paar, das in Familien Hand in Hand geht. Ständig. So sehr, dass man bei der Planung schon mit der Enttäuschung rechnet, in der Hoffnung, dass man sie dann leichter verkraftet.

Urlaub für ein paar Stunden

Vor einigen Wochen hat mir der Fünfjährige erzählt, wohin seine Freun­d*in­nen in den Urlaub fahren. Vulkaninseln, Meer, Strand und Palmen sind Wörter, die gefallen sind. Dann hat er gefragt, ob wir wegfahren. Ich habe erklärt, dass wir dieses Jahr wieder kein Geld dafür haben. Dann habe ich von tollen Freibädern und einem Ausflug zum See gesprochen. Das können wir uns leisten, auch nicht selbstverständlich.

Nun sind die Terminkalender von uns Eltern seit Wochen getaktet wie zwei Zahnräder. Ich hatte den Tag heute im Blick wie eine Ziellinie. Die Kinder sollten mal beide Eltern haben, nach Wochen, in denen sie uns vor allem abgehetzt und einzeln gesehen haben. Beide in der Stadt, beide haben frei und es regnet nicht. Heute sollte es also passieren: Urlaub für ein paar Stunden. Ich habe es mir in allen Farben ausgemalt. Freibadpommes und Ketchupfinger, kleine Füße in Plastiksandalen, der Geruch von Sonnencreme und Chlor, der sich auf die frischen Handtücher legt, warme Kinderhände, die sich an einem festhalten, während man durchs Wasser watet.

Als morgens dann der Zweijährige weinerlich, mit einem Ausschlag am ganzen Körper aufgewacht ist, war ich erst besorgt und dann traurig. Irgendwann kamen die Tränen. Man muss nicht Psychologie studiert haben, um zu erkennen, dass es hier nicht ums Freibad geht. Deshalb sind die Sprüche, die man als Mutter dann oft hört, wie „Du hast es dir ja selbst so ausgesucht“, nicht nur unsensibel, sondern auch astreines Gaslighting. Denn ja, ich wollte Kinder. Die habe ich mir „ausgesucht“. Die Kinder sind hier aber nicht das Problem, sondern alles andere.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Saskia Hödl
Autorin
Jahrgang 1985, ist freie Autorin in Wien und schreibt über Politik, Medien und Gesellschaft. Ehemalige taz panter Volontärin, taz eins Redakteurin und taz2&Medien Ressortleiterin.
Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Eltern teilen sich grob in zwei Gruppen ein: die einen leiden immer noch an mittelschweren FOMO und hadern mit der Gegenwart, stets in der Hoffnung, dass es "dann" "besser" wird, und die endlich wieder was auch immer machen können. Wups, sind die Kinder aus dem Haus, dann tut es ihnen leid. Die anderen können hervorragend damit leben, dass sie mal ein paar Jahre nicht auf Konzerte gehen können.

  • Hat die Welt sich wirklich so sehr verändert, seit die Autorin Mutter geworden ist? Oder hat sie umgekehrt gehofft, nach der Geburt der Kinder würde sie geradezu revolutionär völlig umgekrempelt?

    Sonst müsste man feststellen: wenn man Kinder in eine Welt setzt, die bestimmte Rahmenbedingungen vorgibt - dann hat man es sich so ausgesucht.

  • "Vulkaninseln, Meer, Strand und Palmen sind Wörter, die gefallen sind."

    Vielleicht erst mal abwarten, ob am Ende nicht doch eher Waldbrand, Wasserrationierung und Wüstenhitze die Wörter sind, die fallen werden?

  • Enttäuschung ist eine Folge von Erwartung. Wer viele Erwartungen hat, kann öfter enttäuscht werden. Das Problem ließe sich also internal regulieren, zumindest auf Elternseite.

  • Ja, es ist tatsächlich so :



    wenn man sich selbst verspricht, daß mit und trotz Kindern alles so bleibt, wie es vorher war ... dann kommt zwangsläufig ziemlich schnell die Erkenntnis, jedenfalls das Erleben, daß das ein ziemlicher Quatschgedanke war, denn in einer gesunden Familienkonstruktion erweisen sich Kinder als ausgesprochen überraschende Erweiterung.



    Sie werden es vermutlich nicht erwarten, Frau Hödl, aber Kinder müssen mitunter sogar im Alter von 5 Jahren transplantiert werden. Ich schätze, Sie verstehen noch nicht die umfassende Art der Verpflichtung, die mit Kindern eingegangen wird, zur Gänze. Sie stöhnen eventuell etwas voreilig.

    Manche Leute (eigentlich alle) wachsen an ihren Kindern. Viel Erfolg auch Ihnen dabei !

  • Das ist nicht, was "Gaslighting" bedeutet. Der Begriff ist eine Anspielung auf den Film "Gaslight", in dem ein Mann seine Frau durch systematisches Vorgaukeln falscher Tatsachen dazu bringen will, an ihrem Verstand zu zweifeln, um den Mord an ihrer Tante zu vertuschen. Er bezieht sich darauf, dass jemand Sie systematisch belügt, mit dem expliziten Ziel, Sie an Ihrem Verstand zweifeln zu lassen. Bei allem, was man zu einem "Das hast du dir doch selbst ausgesucht" so sagen kann, erscheint diese spezifische Interpretation aus meiner Sicht doch eher fernliegend.

  • Die Autorin hat definitiv den falschen Erwartungshorizont.

    Der Trick ist vor dem Kinderkriegen Karriere zu machen und dann ein Polster zu haben. Wir (2 Erwachsene und 2 Kinder) gehen im Sommer mehrmals wöchentlich gemeinsam ins Schwimmbad.

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Kinder verändern das Leben. Das haben wohl alle Eltern lernen müssen.

  • Oh, ich bin auch Mutter von 3, mittlerweile erwachsenen, Kindern.



    Ihre Empfindungen wundern mich. Hatte ich nicht. Bin wahrscheinlich zu unsensibel :-)

  • Was soll uns dieses Statement sagen. Ich verstehe es nicht so recht.

    • @tcb262:

      ...einfach ein bunter Cocktail...



      Mutti, Kinder, Urlaub, Konzert, Geld, kein Geld, Mitmenschen pp. Watt es alles gibt auf unserer kleinen Welt...staun - schlau guck...schmunzel

    • @tcb262:

      Vllt hätte ja am Anfang!! dieser a Kolumne bzw Kinder Reihe de lamento!



      Mein Spruch mit 2x2 Runden Kidds - Eltern jeweils voll berufstätig - für andere geholfen: “Kinder ist wie 2x Abgebrannt & schon das erste ist ein Qualitätssprung der Veränderung!



      Das zweite erst recht“ •

      Hingegen ist der von der Autorin erneut & a 🥱 & a 🥱 umrissene Erwartungshorizont - “Planung und Enttäuschung sind ein Paar, das in Familien Hand in Hand geht.“ schlicht Kappes.



      Plan nur äußerst hilfsweise - leb a familie aus der Lamäng & vergiß dein früheres Leben als Folie des jetzigen! Woll.

      kurz - Sie sagen es. Ist es wg Geld eng.



      Ist alles schwer. Klar. “Die Kinder sind hier aber nicht das Problem, sondern alles andere.“



      Durch Enttäuschung & Lamentieren ändert sich aber nichts & Sie machen sich und anderen hingegen das Leben schwer - was in alle Ritzen kriecht! Gell.

      • @Lowandorder:

        Tja,

        die Enttäuschung kleine erhoffte Freuden ausleben zu können bleibt aber trotzdem.



        Klar.



        Leben ohne KInder hat auch Enttäuschungen, manchmal nur andere.

        Ich finds legitim sich das ein wenig vom Hals zu schreiben.



        Mehr isses ja nicht hier.

        • @Friderike Graebert:

          Schonn - als Statement aber mit Verlaub peinlich panne riterdando - hm¿!

          kurz - Wie’s im Ruhrgebiet heißt:



          “Glaube Liebe Hoffnung!



          Und Geld ist das wichtigste von den Dreien! Wollnichwoll.“



          &



          “…wenn ihr‘s nicht fühlt - ihr werdet’s nie erjagen…!“



          Enttäuschungen via meine Kidds sind mir „the man with the dog and the two children“ - trotz zweier Scheidungen - bis heute schlicht fremd.



          (“Na. Warum rufen Kids an?“



          “😿 Scheiße ich werd nicht schwanger - die blöde Schwägerin schonn😿!“ & “Na - weil se Geld brauchen! 🤣“ ;) Gelle.



          Und wie heißt es im Geviert “Mama - das ist der Mann - der immer so schön Klavier spielt - wenn wir einschlafen.“



          Schmunzelnd beschämt trollst du dich.



          Ende des 🎡 der Eitelkeiten



          Nein. Mir geht dieses ubiquitäre Nabelschaugeseier wg Kids schlicht auf den Sack •

          • @Lowandorder:

            👍👍

            • @Alex_der_Wunderer:

              Btw - bei meinen bäuerlichen Altvorderen hieß das auf gau platt -



              “Dee ward groot as de Swiin!“



              servíce - 🙀🥳🤣 - 🐗🐽🐗🐽 -

          • @Lowandorder:

            "Mir geht dieses ubiquitäre Nabelschaugeseier wg Kids schlicht auf den Sack •"



            DANKE👍 Dem ist nix hinzuzufügen

  • Hauptsache Sie lassen Ihre Enttäuschung nicht an Ihren Kindern aus.