Uran-Anreicherer soll privatisiert werden: Atomdeal ohne Öffentlichkeit

Der Verkauf von Urenco steht bevor. Die Firma reichert Uran an. Das Wirtschaftsministerium hält Details des Deals geheim. „Ein Skandal“, meinen die Linken.

2009: Anti-AKW-Protest vor dem Berliner Reichstag Bild: ap

BOCHUM taz | Das Bundeswirtschaftsministerium treibt die vollständige Privatisierung der Urananreicherungsfirma Urenco voran – ohne das Parlament und die Öffentlichkeit im Detail zu informieren. Selbst Bundestagsabgeordnete können nicht einmal unter Geheimschutzbedingungen Einzelheiten des Urenco-Verkaufs erfahren. Begründung: Die Informationen seien „geeignet, die Beziehungen Deutschlands“ zu Großbritannien und den Niederlanden „zu beeinträchtigen“, schreibt Röslers parlamentarischer Staatssekretär Hans-Joachim Otto an die Grünen-Abgeordnete Sylvia Kotting-Uhl.

Die Urenco hat ihren Hauptsitz im britischen Marlow und versorgt weltweit Hunderte Atomkraftwerke mit Brennstoff. Die Firma gehört den deutschen Konzernen RWE und Eon sowie dem britischen und dem niederländischen Staat. Auch Deutschlands einzige Urananreicherungsanlage (UAA) im münsterländischen Gronau wird von der Urenco betrieben – allein diese kann aktuell 35 AKWs mit angereichertem Uran versorgen. Verkaufen wollen besonders die von der Finanzkrise gebeutelten Briten, die ein Drittel der Anteile halten. Schatzkanzler George Osborne hofft auf Einnahmen von rund 3,5 Milliarden Euro.

Doch so einfach ist das nicht: Die Urenco besitzt den Schlüssel zur Atombombe. „Urencos Anreicherungstechnologie ist zur Herstellung atomwaffenfähigen Materials gut verwendbar“, sagt der Wissenschaftler Rainer Moormann, der 26 Jahre am staatlichen Kernforschungszentrum Jülich arbeitete. Unter dem Apartheidsregime habe Südafrika so sechs Atombomben gebaut. „Und der Iran arbeitet in seiner Urananreicherungsanlage Natans noch heute an dieser Technik.“

Trotzdem schließt das Bundeswirtschaftsministerium nicht einmal einen Verkauf Urencos an Hedge- oder Investmentfonds aus. „Die Bundesregierung beteiligt sich nicht an Spekulationen über mögliche Kaufinteressenten“, lautet die Antwort auf eine Anfrage der linken Bundestagsabgeordneten Kathrin Vogler.

„Nukleare Nichtverbreitung“

Atomkraftgegner und Umweltschützer sind deshalb alarmiert. „Über Strohmänner“ könnte etwa der Iran versuchen, die hochentwickelte Urenco-Technologie aufzukaufen, um so zur Atommacht aufzusteigen, warnt etwa Udo Buchholz, Vorstand des Bundesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz. Die Beamten von Wirtschaftsminister Philipp Rösler versichern dagegen, sie arbeiteten an einem „Rechtsrahmen“, der „auch weiterhin nukleare Nichtverbreitung, Sicherung der Technologie und wirtschaftliche Solidität der Urenco“ sicherstellen soll.

Doch wie ein solcher „Rechtsrahmen“ aussehen soll, werden Abgeordnete und Öffentlichkeit wohl nie erfahren: Derzeit gebe es „keinen Anlass für eine weitergehende Beteiligung des Deutschen Bundestages“, heißt es im Ministerium. Über eine „Unterrichtung“ der Abgeordneten werde die Bundesregierung „erst im Lichte der weiteren Entwicklungen“ entscheiden.

„Unverschämt“ sei das, ärgert sich Kotting-Uhl. Vogler spricht von einem „Skandal“. Die Geheimhaltungstaktik von Rösler zeige, dass der Atomausstieg von CDU und FDP „offensichtlich nicht ernst gemeint sei“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.