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Upcycling für bequeme SitzblockadenFilztasche for Future

Ob für Klimaschutz oder gegen Ungleichheit: Sitzstreiks sind ein probates Mittel des zivilen Widerstands. Diese Tasche hält trocken und warm.

Allzeit bereit zum zivilen Ungehorsam: die Sitzstreiktasche Foto: Waltraud Schwab

Hier wird nichts genossen, nichts gekocht. Bestenfalls werden zwei, drei Käsebrote geschmiert und eingepackt. Denn das braucht, wer mit dieser Tasche unterwegs ist. Sie ist gemacht für den Sitzstreik. Der tut mehr denn je Not.

Oder sehen Sie die Dinge sich zum Besseren ändern? Tun die Po­li­ti­ke­r:in­nen genug, um den Klimawandel aufzuhalten? Tun sie genug, um die Bürger und Bürgerinnen mit bezahlbarem Wohnraum zu versorgen? Wird durch politische Intervention die Schere zwischen Arm und Reich kleiner? Die Situation der Flüchtlinge verbessert? Die Rechtsgesinnten das Denken und Toleranz gelehrt? Wenigstens der Auto- und Flugverkehr minimiert?

Nichts von alledem.

Und umgekehrt: Tun wir genug, um den Po­li­ti­ke­r:in­nen zu zeigen, dass es so nicht geht? Dass die Wirtschaft ohne politischen Zwang niemals aufhören wird, nach Profit zu streben, auf Kosten der Menschen, der Natur, des Planeten. Auf Kosten der sozialen Gerechtigkeit und der Kultur. Nein, wir müssen weiterkämpfen. Selbst wer müde ist von einem langen Leben des Protests, muss weiter auf die Straße, muss zivil und ungehorsam sein.

Tasche schützt vor Blasenentzündungen

Diese Tasche soll helfen. Denn Demos alleine scheinen nicht mehr zu wirken. Sitzstreiks und Sit-Ins, wie Gandhi und Greta Thunberg, die Bürgerrechts-, die 68er-, die Anti-Apartheid- und die Anti-Atomkraft-Bewegung, die Feministinnen in den 70er Jahren, Extinction Rebellion und viele andere es machten und machen, sind ein lang erprobtes Mittel des zivilen Widerstands. Es sind zwei der „198 Methoden der gewaltfreien Aktion“, die der Politikwissenschaftler Gene Sharp in seinen Forschungen zählte, und sie scheinen heute aktueller denn je. Der Sommer kommt, da fällt das Widerstehen leichter.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Gefertigt ist die Tasche aus meinem liebsten Schöner-Müll-Material: Filz. Also Filz, der entstanden ist, weil ich zerschlissene oder unrettbare Pullover aus reiner Wolle bei mindestens 60 Grad gewaschen habe. Das verkraften die nicht, sie verfilzen.

Allerhand kann man aus dem, was nach einer solchen Behandlung aus der Maschine gezogen wird, machen: Kinderjacken, Handschuhe, Hüllen für Smartphones. Dafür gibt es Anleitungen. Mir bisher nicht bekannt dagegen: Taschen für Sitzstreiks.

Dafür wird neben Filz auch ein wasserabweisendes Material benötigt. So schützt die Tasche beim Sitzstreik vor Nässe von unten, auch vor Kälte und Blasenentzündungen. Alte Planen, ausrangierte Wachstuchtischdecken oder zerschlissene Friesennerze eignen sich hier, oder eine dieser beschichteten Taschen, wie man sie neuerdings statt Plastiktüten in Supermärkten erwerben kann. Daraus schneidet man sich die zwei Taschenstücke heraus.

Die mit Filz bestückte Schicht schützt beim Sitzstreik vor Kälte und Nässe. Auf einer Seite wird die Tasche mit drei mal drei etwa bierdeckelgroßen mehrlagigen Filzstücken benäht. Der kleine Abstand zwischen den einzelnen Stücken macht die Tasche sogar faltbar.

Neben den Tragegriffen hat sie auch noch einen längeren Henkel. So kann man sie zudem wie eine Umhängetasche nutzen, damit man nichts in den Händen halten muss beim Davonlaufen, sollte der Protest brenzlig werden. Geschlossen wird die Sitzstreiktasche mit einem Stück Klettverschluss, das ich von einer ausrangierten Regenjacke abgetrennt habe. Eine Stulle kann man reintun und Wasser. Denn Proviant ist wichtig, Sitzstreiks dauern. Aber, schon klar, vor dem Draufsetzen sollte man das Essen rausnehmen.

Weil das Leben aus Politik und Schönheit besteht, ist die Tasche nicht nur praktisch für den politischen Widerstand. Beim Picknick ist sie auch nützlich.

Anleitung

1. Waschen Sie zwei alte Pullover oder Jacken aus reiner Wolle bei mindestens 60 Grad.

Und so wird's gemacht Foto: Waltraud Schwab

2. Schneiden Sie 18 bierdeckelgroße Stücke aus dem verfilzten Material. Legen Sie nun drei Reihen mit je drei Filzstücken zu einem Quadrat aus, mit je einem halben Zentimeter Platz dazwischen. Legen Sie die weiteren Stücke darauf, sodass der Filz zweilagig ist.

3. Messen Sie ungefähr die Breite des Quadrats und schneiden Sie aus einem Stück wasserabweisenden Materials (etwa aus alten Tischdecken, Friesennerzen oder Supermarkttaschen) zwei Quadrate, die etwas größer sind als die Fläche, die die ausgelegten Filzstücke einnehmen. Falls Sie diese aus den Supermarkttaschen schneiden, ist es ideal, wenn Sie die Henkel gleich auch als Henkel der Sitzstreik­tasche nutzen.

4. Heften Sie die je doppelt gelegten ­3 x 3 Filzstücke nun im Quadrat auf eine Taschenseite und nähen Sie sie anschließend mit der Maschine an. (Man muss heften, sonst rutschen die Filzstücke ungut zusammen.) Überhaupt ist das Nähen nicht ganz einfach, da auch das Plastikmaterial unter dem Nähfuß sehr rutscht.

5. Wenn die Filzstücke festgenäht sind, nähen Sie die Seiten der Tasche zusammen. Damit die Tasche Halt hat, ist es sinnvoll, die Nähte mit Nahtband, Schrägband oder Köperband zu verstärken.

6. Jetzt nähen Sie noch einen Klettverschluss zum Schließen von innen an die Taschenseiten. (Es funktioniert aber auch ohne.)

7. Wer es einfacher haben will, kann die Filzstücke auf ein umsäumtes Stück Stoff nähen. Da kann man sie auch gut per Hand mit Hexenstich anstatt mit der Nähmaschine annähen. An den Ecken habe ich ein Stück Schrägband eingenäht, mit dem man diese mobile und jetzt auch faltbare Filzunterlage später an der Tasche fixieren kann.

8. Wer keinen Mut zum Träumen hat, hat keine Kraft zu kämpfen!

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1 Kommentar

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  • Hübsch.

    Aber aufpassen, dass sie nicht vom sehr geschätzten Freund und Wasserwerfer als passive Bewaffnung eingestuft wird. Ihre obersten Dienstherren sind z.Z. ausserdem geradezu bastlerfeindlich.

    Naja, immerhin brauchen wir noch nicht Mülltonnendeckel, wie in Myanmar.