Unwort des Jahres ist „Remigration“: Gemeint ist Deportation

Eine Jury aus Sprach­wis­sen­schaft­le­r:in­nen hat entschieden: Das Unwort des Jahres 2023 ist „Remigration“. Es sei ein „rechter Kampfbegriff“.

Demonstrant:innen halten ein Schild mit der Aufschrift "AFD Nazis abschieben"

Nein, es geht nicht um „Remigration“, sondern um Abschiebung und Deportation: Protest in Göttingen am Samstag Foto: Swen Pförtner/dpa

Marburg/Berlin dpa/taz | Am Montagmorgen hat die Jury der sprachkritischen „Unwort“-Aktion in Marburg bekannt gegeben, welches Wort so gar nicht geht – das „Unwort des Jahres 2023“ ist: „Remigration“. „Das Wort ist in der Identitären Bewegung, in rechten Parteien sowie weiteren rechten bis rechtsextremen Gruppierungen zu einem Euphemismus für die Forderung nach Zwangsausweisung bis hin zu Massendeportationen von Menschen mit Migrationsgeschichte geworden“, begründete die Jury ihre Entscheidung. Man kritisiere die Verwendung des Wortes, weil es im vergangenen Jahr als „rechter Kampfbegriff, beschönigende Tarnvokabel und ein die tatsächlichen Absichten verschleiernder Ausdruck gebraucht wurde“.

Spannend an dieser Wahl ist, dass das Wort nicht 2023, sondern 2024 in der Öffentlichkeit großen Raum bekam. Insbesondere dafür verantwortlich ist eine Recherche von Correctiv, über die auch die taz berichtet hat.Am vergangenen Mittwoch hatte Correctiv Rechercheergebnisse zu einem Treffen in einer Potsdamer Villa veröffentlicht, an dem im November auch einzelne AfD-Funktionäre sowie einzelne Mitglieder der CDU und der erzkonservativen Werteunion teilgenommen hatten.

Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte der Deutschen Presse-Agentur bestätigt, dass er dort über „Remigration“ gesprochen habe. Wenn Rechtsextremisten den Begriff Remigration verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang.

Die Sprachwissenschaftlerin und Jury-Sprecherin Constanze Spieß hatte bereits im Dezember berichtet, dass „Remigration“ unter den Einsendungen für die „Unwort“-Kür war – also schon vor der nun aktuellen Debatte.

„Sozialklimbim“ und „Heizungs-Stasi“

Auf Platz zwei setzte die Jury den Begriff „Sozialklimbim“, der im Zuge der Debatte um die Kindergrundsicherung verwendet worden sei. Durch diese Wortwahl werde die Gruppe einkommens- und vermögensschwacher Personen herabgewürdigt und diffamiert und zugleich die Gruppe der Kinder, die von Armut betroffen oder armutsgefährdet seien, stigmatisiert. Den dritten Platz belegt der Begriff „Heizungs-Stasi“. Die Jury kritisierte den mit Blick auf das Gebäudeenergiegesetz verwendeten Ausdruck als „populistische Stimmungsmache gegen Klimaschutzmaßnahmen“.

Das „Unwort des Jahres“ wurde nach verschiedenen Kriterien aus Vorschlägen ausgewählt, die Bürgerinnen und Bürger bis 31. Dezember 2023 eingereicht hatten. Insgesamt gab es dieses Mal 2301 Einsendungen, das waren deutlich mehr als im vorangegangenen Jahr. Sie enthielten 710 verschiedene Begriffe, von denen knapp 110 den Kriterien der Jury entsprachen.

Als „Unwort des Jahres“ kommen nach Angaben der Verantwortlichen Begriffe und Formulierungen infrage, die gegen die Prinzipien der Menschenwürde oder Demokratie verstoßen, die gesellschaftliche Gruppen diskriminieren oder die euphemistisch, verschleiernd oder irreführend sind. Wie häufig ein Begriff vorgeschlagen wurde, ist nicht entscheidend für die „Unwort“-Kür. Für 2022 war die Wahl auf „Klimaterroristen“ gefallen.

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