Unterwegs im Camper: Wie auf dem Dorf
Campingplätze sind eine Welt für sich. Ein heimeliger Kosmos. Solidarität untereinander wird großgeschrieben. Sie kann aber auch nervig werden.
E igentlich wollten wir ja nur das Waschpulver leihen. Weil wir keines hatten. Er bot uns welches an, wir redeten so, und weil er und Freundin im Lonely Planet gelesen hatten, dass die lokale U-Bahn so arg kompliziert sei, und sie Sehenswürdigkeiten abzuarbeiten hatten (sie, etwas gestresst: „ich habe Angst, im Urlaub was zu verpassen“), kamen sie mit uns.
Pärchen-Ausflug mit den Nachbarn vom Campingplatz. Der ist ein eigener Kosmos. Das Vertraute in der Fremde, eine heimelige Welt, Camper-Solidarität. Ein bisschen merkwürdig, denn wenn man schon ein Reisemobil hat, könnte man jenseits deutscher Grenzen fast überall stehen.
Die Wohnmobil-Werbung ist voll von Texten über die große Freiheit, aber offenbar ist vielen Leuten die große Freiheit viel zu groß. Lieber der Campingplatz, da hat man Ruhe vor Einheimischen (sie, entschieden: „Ich habe keine Lust, im Urlaub Leute kennenzulernen“) und Sicherheit. Die beiden berichten von einem Platz, da waren „Ausländer mit Zahnlücken“. Nicht auszudenken, was die tun könnten, Auto knacken und überhaupt. Sie waren dann aber doch ganz nett.
Dann gibt es die jungen Intellectuals, die Campingplätze verhöhnen, was eigentlich noch blöder ist. Der Campingplatz ist ja oft auch ganz lustig. Jedenfalls drängen Camper einem ihr tolles Ich nicht so offensiv auf wie Backpacker. Und gut situierte Rentnerpaare über 60, die man hier häufig antrifft, müssen nicht mehr angeben, sie stehen zu ihrer Ratlosigkeit bei Sim-Karte und WLAN. Und manchmal trifft man auch einen coolen Opi, der über seine Reisen in den Siebzigern in den Iran plaudert.
Natürlich ist all das gleichzeitig superspießig. Dabei gibt es offenbar eine ungeschriebene Campingplatz-Regel: sprachliche Segregation. Die Deutschen reden nur mit Deutschen, die Franzosen nur mit Franzosen, und jeder wartet auf Zuwachs zu seiner Gruppe. Sobald überhaupt ein Deutscher angefahren kommt, sprintet irgendein anderer Deutscher wie ein Irrwisch auf ihn zu und textet ihn ausführlich über das Modell der Trockentrenntoilette zu.
Die Rollenverteilung ist auch klar geregelt. „Du hast die passende Freundin zum Auto“, solche fragwürdigen Komplimente gibt es sonst wahrscheinlich nur noch bei der Formel 1. Dass es eigentlich mein Auto ist, habe ich dann relativ erfolglos angemerkt.
Keine Chance, die Männers reden weiter unter sich („dein Auto“, wie sie völlig ungerührt meinem Freund sagen), und die Frauen reden über, na ja, die Landschaft, die Sehenswürdigkeiten und so. Einladungen nimmt man lieber an, denn auf dem Campingplatz ist es wie auf dem Dorf: man sieht sich immer zweimal. Oder man fährt im Morgengrauen ab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“