Untersuchung von Hamburger Cum-Ex-Fall: Ehrenerklärung für Scholz
Im Hamburger Untersuchungsausschuss zum Steuer-Fall der Warburg-Bank versichern die Zeugen, die Senatsspitze habe das Verfahren nicht beeinflusst.
So versicherte Christoph Krupp (SPD), der ehemalige Leiter der Senatskanzlei, heute Vorstandssprecher der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und Impfstoffbeauftragter der Bundesregierung, die Senatsspitze sei zwar über den Fall Warburg informiert gewesen, er habe aber „nichts davon mitbekommen, dass die Politik auf die Steuerverwaltung Einfluss genommen hat“.
In den Jahren 2016 und 2017 hatte sich das Hamburger Finanzamt mit der Frage zu befassen, ob Kapitalertragssteuern aus sogenannten Cum-Ex-Geschäften, die sich die Bank hatte zurückerstatten lassen, zurückgeholt werden sollten. Andernfalls würden die Rückforderungen verjähren. In beiden Jahren ging es um Kapitalertragssteuer, die sich die Bank zwar hatte erstatten lassen – aber nie bezahlt hatte. Die Bank argumentiert, ein anderer Beteiligter der in Rede stehenden Cum-Ex-Geschäfte hätte die Steuer entrichten müssen.
Inzwischen ist gerichtlich festgestellt worden, dass es sich bei Cum-Ex um ein Modell handelte, den Fiskus zu schröpfen. Indem Aktien um den Dividendenstichtag herum schnell hin und her gehandelt wurden, ist gezielt verschleiert worden, wer diese zu einem bestimmten Zeitpunkt besaß und steuerpflichtig gewesen wäre.
Bänker im Amtszimmer
Dafür dass die Senatsspitze Einfluss genommen hat, spricht ein plötzlicher Sinneswandel der Finanzverwaltung, die das Geld zunächst zurückfordern wollte. Dazu kommen drei Gespräche, die der damalige Erste Bürgermeister Olaf Scholz in seinem Amtszimmer mit Vertretern der Bank führte und an die er sich zunächst angeblich nicht erinnern konnte.
Außerdem telefonierte der Scholz mit Christian Olearius, einem der der Warburg-Gesellschafter, und empfahl ihm, ein Schreiben, das er bereits ans Finanzamt geschickt hatte, noch einmal direkt an den Finanzsenator Tschentscher zu schicken.
Krupp kann zu diesem Schreiben „nichts sagen“. Tschentschers damaliger Pressesprecher und heutiger Büroleiter Daniel Stricker sagte aus, der Finanzsenator habe das Schreiben „entgegengenommen und das gemacht, was er mit allen Schreiben macht: Er hat es weitergeleitet an das zuständige Fachamt“.
Tschentscher tat das mit der Bitte um Informationen zum Sachstand. Ob so eine Bitte nicht als Signal zum Handeln verstanden werden könnte, fragte der Ausschussvorsitzende Matthias Petersen (SPD). „So funktioniert Verwaltung nicht“, antwortete Stricker.
„Knallharte Rechtsentscheidung“ der Finanzverwaltung
Cum-Ex sei für Tschentscher ein wichtiges Thema gewesen, um das sich die Finanzverwaltung kümmern müsse, sagte sein damaliger persönlicher Referent Marcus Merkenich. Der Senator habe wiederholt mit der Leiterin der Steuerverwaltung über den Fall gesprochen. „Er stellte immer Rückfragen zum Sachverhalt und den Bewertungen“, sagte Merkenich. Es habe aber keine Anweisung von Tschentscher gegeben.
Nachdem die Hamburger Finanzverwaltung die erste mögliche Steuerrückforderung 2016 hatte verjähren lassen, zog das Bundesfinanzministerium 2017 die Bremse. Es wies die Hamburger an, das übrige Geld zurückzufordern. Ob der Finanzsenator da keinen Gesprächsbedarf gesehen habe, fragte der Abgeordnete David Stoop (Die Linke). „Der Finanzsenator hat die Entscheidung seiner Verwaltung offensichtlich für plausibel gehalten“, sagte Stricker. Tschentscher habe sich an die „knallharte Rechtsentscheidung“ seiner Finanzverwaltung gehalten.
Krupp sagte, Leute wendeten sich mit allen möglichen Anliegen auch an die Senatskanzlei. Diese mische sich aber nicht in Steuerangelegenheiten ein. Zwar habe es zur damaligen Zeit eine große Diskussion über den Bankenstandort Hamburg gegeben. Aber eine konkrete Gefährdung der Warburg-Bank durch eine mögliche Steuerrückzahlung sei kein Thema in seinen Gesprächen mit Scholz gewesen.
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