piwik no script img

Untersuchung der „Kreml-Propaganda“Nachrichtendienste eingeschaltet

Einem Medienbericht zufolge sollen Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz prüfen, ob der Kreml Desinformation in Deutschland betreibt.

Der Propaganda auf den Leim gegangen? Russlanddeutsche protestieren für mehr Sicherheit in Deutschland. Foto: dpa

München dpa | Will Russland mit gezielter Propaganda die Kanzlerin schwächen und Deutschland systematisch destabilisieren? Einem Medienbericht zufolge sollen die deutschen Nachrichtendienste im Auftrag der Bundesregierung genau das untersuchen.

Nach Informationen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung wollen das Kanzleramt und einige Ministerien so in Erfahrung bringen, wie es in jüngster Vergangenheit zur Häufung von Desinformation gekommen sei. „Wir wollen wissen, ob dahinter ein Konzept steckt“, wurde eine mit den Untersuchungen vertraute Person zitiert.

Für das Ergebnis der Nachforschungen von Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz interessieren sich dem Bericht vom Donnerstag zufolge sowohl Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch das Bundespräsidialamt. Im Kanzleramt beaufsichtigt demnach der für die Geheimdienste zuständige Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche die laufenden Ermittlungen. Auch das Auswärtige Amt sei eingebunden.

Seit den Übergriffen von Köln in der Silvesternacht wird Deutschland in russischen Medien verstärkt als Land kurz vor dem Zusammenbruch dargestellt. Die Botschaft Kreml-treuer Medien lautet: Europa ist schwach, ein unsicherer Ort, überrannt von Fremden.

Der „Fall Lisa“

Die großen Fernsehsender beeinflussen zudem auch viele der etwa 2,3 Millionen Menschen in Deutschland, die aus der früheren Sowjetunion stammen. Zu beobachten war dies etwa im Fall der vermeintlichen Vergewaltigung einer 13-jährigen Russlanddeutschen aus Berlin. Im russischsprachigen Internet schlugen die Gerüchte hohe Wellen.

In Berlin gehen manche deshalb von gezielter „Kreml-Propaganda“ aus, die Zwietracht zwischen den EU-Staaten sähen soll. „Wer ein neues System in Europa will, der muss an Deutschland und seine Kanzlerin ran“, wurde ein hoher Beamter aus dem außenpolitischen Apparat in dem Bericht zitiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Wer beobachtet hat, wie rapide die staatstreuen deutschen Medien an Glaubwürdigkeit verloren haben (http://www.zeit.de/gesellschaft/2015-06/medienkritik-journalismus-vertrauen), den wundert es nicht, daß jetzt ebendieser Staat einspringt und einen Entlastungsangriff fährt.

  • Die Verschwörung aus Kreml ist schon lange keine Theorie mehr. Und Kreml versucht es auch nicht zu verstecken, wieso hat plötzlich Lawrow Interesse an einen Mädchen, die bei dem Freund ohne Wissen der Eltern übernachtet ist aber ansonsten kein Wort über Scharen von obdachlosen Kindern, die allem ausgesetzt sind in russischen Städten?

  • Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche siehe NSU-Ermittlungen! Und glauben Sie, dass Bild und Welt ... im Vergleich zu RT Deutsch, Sputnik, ... neutral berichten?

  • Verschwörungstheoretiker entweder ins Töpfchen oder ins Kröpfchen?

     

    Schon im letzten Jahr sah der frühere NATO-Generalsekretär Rasmussen hinter der Anti-Fracking-Kampagne die lenkende Hand des Kremls. Auch hinter der Abhöraffäre in einem Warschauer Promi-Restaurant konnte, so der jetzige EU-Ratspräsident R. Tusk, nur Putin stecken. Auffälligerweise genießen diese beiden Verschwörungstheoretiker - und nunmehr auch das Kanzleramt - eine wundersame publizistische Immunität, die sie davor bewahrt, mit jenen Leuten in eine Zelle gesperrt zu werden, die die Mondlandung für einen dreisten medialen Fake halten, Elvis noch unter den Lebenden wähnen, die Illuminaten als Hintermänner der Französischen Revolution vermuten, die Luftangriffe auf New York und Washington am 11. September 2001 für einen Deep-State-Insider-Staatsstreich halten usw., kurz, mit Leuten, die nicht alle Tassen im Schrank haben, nicht wahr? Bleibt die spannende Frage, nach welchen Sortierkriterien die Verschwörungstheoretiker entweder ins Töpfchen oder ins Kröpfchen gehören...

    • @Reinhardt Gutsche:

      Hm. Kleiner Unterschied: Untersuchende Geheimdienste sind Ermittler, keine Theorien-Erfinder.

      Nun könnte man natürlich auch bei 9/11 mal gründlich ermitteln - oder hätte können. Aber das ist eine andere Geschichte

    • @Reinhardt Gutsche:

      Nur weil es (teils höchst wirre) Verschwörungstheoretiker gibt existieren dennoch Verschwörungen.

       

      Falschmeldungen jedweder Coleur machen momentan verstärkt die Runde, sei es Pro oder Contra Flüchtlinge. Manchmal handelt es sich um skurril motivierte "Einzeltäter", die Häufung ist jedoch untersuchenswürdig - Auch hier in der TAZ gab es ja ab und an mal Berichte über den kreativen Journalismus von Russia Today.

       

      Größflächig wirkende Hetzkampagnen (wie der "Fall Lisa") sind geeignet einiges an Unruhe und schlimmeres zu stiften, da ist es vernünftig derartige Falschinformationen öffentlich zu thematisieren, auch wenn diese nicht gezielt gesteuert werden sollten.

      • @Questor:

        Theorien vrs. Gewißheiten

         

        Zitat von Questor:

         

        „Nur weil es (teils höchst wirre) Verschwörungstheoretiker gibt, existieren dennoch Verschwörungen.“

         

        Dieser Satz impliziert die unumstößliche Gewißheit seines Verfassers, daß die Kreml-Verschwörung gegen die europäische öffentliche Meinung bereits eine erwiese Tatsache und keine bloße Theorie mehr ist, woraus sich die Frage ergibt, warum dann der BND überhaupt noch ermitteln muß...