Unternehmen gegen Meeresmüll: Plastik flieht nicht

Ein Zusammenschluss deutscher Firmen arbeitet am Müllrecycling auf hoher See. Das könnte eines der größten Umweltprobleme lösen.

Plastikmüll an einem senegalesischen Strand

Plastikmüll an einem senegalesischen Strand Foto: dpa

Kiel taz | Seevögel, deren Mägen mit Tüten gefüllt sind, Fische, die sich in treibenden Netzen verfangen, verdreckte Strände – Plastikmüll ist eines der größten Probleme der Weltmeere. Eine Gruppe von zehn deutschen Unternehmen, die meisten davon spezialisierte Mittelständler, entwickelt neue Verfahren, um jedenfalls einen Teil der geschätzt rund 140 Millionen Tonnen Plastik aus den Ozeanen der Welt zu fischen.

Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) wies bei der Präsentation des Projekts am Dienstag in Kiel auf das Kernproblem hin: „So wichtig es ist, den vorhandenen Müll zu bergen – niemand kann dagegen anarbeiten, wenn in einigen Ländern das Meer immer noch als Abladeplatz für Plastik genutzt wird.“ Immerhin: Allmählich werde das weltweit erkannt, meinte der Koordinator des Unternehmensverbundes, Ingenieur und Projektentwickler Dirk Lindenau: „Noch vor ein paar Jahren wurde man etwa bei internationalen Tourismusmessen mit dem Müllthema ausgelacht. Heute sind bei solchen Branchentreffen auch die Umweltfachleute dabei und interessiert an Lösungen.“

Achtzig Prozent des Plastikmülls auf See stammen vom Land und werden durch Regen, Wind und Gezeiten über die Flüsse hinausgespült. Diesen Müll will der Unternehmensverbund mit Schleppnetzen auffischen, die von Fischerbooten in langsamem Tempo gezogen werden: „Plastik flieht nicht“, sagt Lindenau.

So einfach das klingt, dahinter steckt aufwendige Technik. So entwirft die Rostocker Firma Rofia spezielle Netze, damit Fische entkommen können. Wo genau der Müll treibt, müsste tagesaktuell vorausberechnet und die Sammelschiffe müssten an die richtigen Stellen gelenkt werden: „Wir können nicht wochenlang Daten auswerten, es muss schließlich wirtschaftlich sein“, sagte der Meteorologe Meeno Schrader, dessen Unternehmen WetterWelt am Verbund beteiligt ist. Die Software für diese Berechnungen gibt es noch nicht – eine der Schwierigkeiten, vor der der Unternehmensverbund steht.

Abfall-zu-Energie-Technik“ muss noch entwickelt werden

Technisch komplex ist auch ein zweiter Schritt: Das Plastik soll direkt auf See recycelt, neu genutzt oder verpresst und an Bord verbrannt werden. Die dabei entstehende Energie könnte genutzt werden, um Meereswasser zu entsalzen – gerade für heiße Regionen der Erde attraktiv. Diese „Abfall-zu-Energie-Technik“ an Bord muss noch entwickelt werden. Die Energiegewinnung könnte helfen, die Kosten zu senken – ein Zuschussgeschäft bleibt die Plastikentsorgung aber auf jeden Fall, so die Entwickler.

Wie teuer die schwimmende Entsorgung genau wird, wer die Arbeit macht und wer zahlt, ist zurzeit unklar. Denkbar sei, dass deutsche Reeder den Job der Weltabfallsammler übernehmen, schlug Lindenau vor. Allerdings ginge das nur, wenn lokale Firmen und Staaten mitmischten. Zu den größten Verschmutzern zählen China, Indonesien und die Philippinen, aber auch zahlreiche afrikanische Staaten – denen es schwer fallen dürfte, für deutsche Technologie zu zahlen. „Letztlich ist es ein Projekt der Weltgemeinschaft“, sagte Lindenau.

Dirk Lindenau, Koordinator

„Letztlich ist es ein Projekt der Welt­gemeinschaft“

Dass der Kampf gegen den globalen Meeresschmutz vom kleinen Schleswig-Holstein aus koordiniert wird, sehen weder Lindenau noch Minister Habeck als Problem. Im Land zwischen Nord- und Ostsee sind längst zahlreiche Firmen und Forschungseinrichtungen für maritime Technik beheimatet. Habeck verwies darauf, dass das Land auch bei der Bergung von Munition im Meer führend sei. Das Abfall-zu-Energie-Projekt startet demnächst erste Tests und will dann auch Kostenrechnungen vorlegen.

Und selbst wenn das Konzept umgesetzt wird: An die größte Menge Müll kommen die Schleppnetze nicht heran. Denn Plastik zerfällt in winzige Teile, die auf den Meeresgrund sinken. Und von dort kommen sie nur allmählich wieder hoch: In den Leibern von Fischen – und damit auf die Teller der Menschen.

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