Spezialschiff in Kiel getauft: Die maritime Müllabfuhr

Das erste schwimmende Müllfahrzeug wurde am Sonntag in Kiel getauft. Müllsammlung auf See könnte ein neuer Geschäftszweig werden.

Weltweit einsetzbar: Katamaran „Seekuh“ sammelt Plastikmüll auf See. Foto: dpa

KIEL taz | Die knallgelben Müllbehälter, die sauber aufgereiht auf dem Katamaran stehen, sind schon von Weitem zu sehen. „Die werden später durch Rollcontainer ersetzt“, erklärt Günther Bonin. Er ist der Erfinder der „Seekuh“, des Katamarans zum Sammeln von Plastikmüll aus dem Meer. Am Sonntag wurde es in Kiel getauft.

„Das Schiff ist mehr als ein Arbeitstier, es kann auch Wasserproben nehmen, sie direkt an Bord analysieren und Berichte über Wasserqualität und die Belastung mit Plastik weitergeben“, so der 60-jährige Gründer des Vereins „One Earth One Ocean“. Der hat den schmucken Katamaran mit den drei auffälligen Plexiglaskabinen in Auftrag gegeben, nachdem Bonin seine Idee mit Fachleuten in ein Baukonzept gegossen hat.

Mit einem Spezialnetz, das links und rechts die Fische entwischen lässt, kann die „Seekuh“ plastikverseuchte Buchten und Flussmündungen reinigen. Wenn es ganz dicke kommt, was vor allem in Asien der Fall ist, kann der Katamaran aber auch zu einem Bulldozer auf dem Meer werden. „Dann montieren wir ein Lochblech zwischen den beiden Rümpfen und schieben den Plastikmüll ans Ufer, sodass er abgesammelt werden kann“, erklärt Bonin.

Einsätze in Nord- und Ostsee und vielleicht Fernost

Im nächsten Jahr sollen die ersten Einsätze in Nord- und Ostsee erfolgen. Danach könnte das Schiff auf große Fahrt gehen: Aus Singapur und Hong Kong kamen bereits Anfragen, ob die „Seekuh“ nicht mal in Aktion beobachtet werden könne. Da der Katamaran modular gebaut ist, lässt er sich auseinandernehmen, in zwei Container verpacken und theoretisch rund um den Globus einsetzen.

Die Seekuh ist ein Katamaran, der zwölf Meter lang und zehn Meter breit und in Module zerlegbar ist, die in zwei Containern passen.

Das Schiff kann an jedem Ort der Welt zum Einsatz kommen können. Es ist knapp elf Knoten schnell und verfügt über zwei Maschinen.

Investiert wurden für das Schiff ohne Ausrüstung 270.000 Euro, weitere 100.000 Euro fließen in die Ausrüstung.

Plastikmüll wird mit einer Geschwindigkeit von zwei bis drei Knoten gesammelt.

Die Jungfernfahrt erfolgte von der Werft in Lübeck nach Kiel zur Taufe im Rahmen des 35. Deutschen Seeschifffahrtstages.

Das auffällige Schiff soll vor allem auf ein Problem aufmerksam machen, das bisher weitgehend ignoriert wurde: die Vermüllung der Meere. Jedes Jahr gelangen rund zehn Millionen Tonnen Plastikmüll in die Meere, sechzig Prozent davon in Asien. „Die Folgen sind dramatisch, nicht nur weil Plastik bereits in unserer Nahrungskette landet“, so Bonin. Der sieht gute Perspektiven für Werften in Norddeutschland, neue Spezialschiffe zu bauen.

Die „Seekuh“ ist dabei nur ein Auftakt. Größere Schiffe, etwa Tanker, aber auch Fischtrawler, könnten zum Abfischen und zur Nutzung von Abfällen umgebaut werden. Auch die „Lübeck Yacht Trave Schiff GmbH“, wo die „Seekuh“ in Auftrag gegeben wurde, will weitere Schiffe im Bereich Umweltschutz und Müllbeseitigung bauen.

Es könnte ein neuer Geschäftszweig für Werften werden. Bonin plant, in fünf Jahren ein neues Schiff zu taufen, das Müll aufnehmen und in Energie und Rohstoffe umwandeln kann. „Das könnte in Häfen rund um den Globus vor Anker gehen.“

Ganze Müllfabriken auf See in Planung

Aber auch Dirk Lindenau, ehemaliger Geschäftsführer der Lindenau-Werft in Kiel-Friedrichsort, denkt und arbeitet in diese Richtung. Er stellt Anfang Oktober sein Konzept für ein Spezialschiff zur Müllentsorgung bei der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) vor.

Das ist weit gediehen und mit der Regierung der Kap Verden gibt es bereits einen konkreten Interessenten. Dort könnte das Schiff, welches Müll in Energie, Wasser, Humus und Rohstoffe umwandelt, die 14 Inseln in regelmäßigen Abständen anfahren und das Abfackeln von Müll auf den Deponien des Archipels beenden.

Lindenaus Konzept könnte sich mit steigenden Rohstoffpreisen zukünftig selbst tragen, allerdings benötigt er eine Anschubfinanzierung und erhofft sich grünes Licht von Seiten der deutschen Entwicklungspolitik.

Günther Bonin hat hingegen schon die ersten Investoren für seinen „Seeelefanten“, die Idee der schwimmenden Müllverarbeitungsanlage, gewonnen. Ob der umgebaute Tanker dann auch in Kiel getauft wird, steht aber noch in den Sternen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.