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Unprofessionell und brutal

Ein Geflüchteter muss sich vor Gericht für einen gewalttätigen Polizeieinsatz verantworten

Aus Fürstenfeldbruck Patrick Guyton

Gewalttätig ging es am 5. September 2019 in der Asylunterkunft in Fürstenfeldbruck, 30 Kilometer von München, zu. Und hatte am Mittwoch ein juristisches Nachspiel. Was war geschehen?

Der 35-jährige Geflüchtete Monday D. aus Nigeria sollte in eine andere Unterkunft. Die Heimleitung rief die Polizei zu Hilfe, es kam zu Schlägen, dem Einsatz von Pfefferspray, Fixierung mit Handschellen. Ein Polizist sei auf den Kopf geschlagen worden und habe sich eine Platzwunde zugezogen, erklärt die Staatsanwältin am Amtsgericht Fürstenfeldbruck. D. wiederum erhielt drei Faustschläge von einem Polizisten, so sein Verteidiger Yunus Ziyal. Beide mussten im Krankenhaus behandelt werden. Für die Anklage ist zunächst klar: Ein Polizist wurde verletzt, das sieht sie als tätlichen Angriff auf einen Beamten und vorsätzliche Körperverletzung. „Wir müssen auch über Polizeigewalt sprechen“, erwidert hingegen Anwalt Ziyal. Und spricht von Polizeigewalt gegenüber Schwarzen Menschen, gerade im Kontext der Black-Lives-Matter-Bewegung und der Debatte um rassistische Polizeigewalt. Richter Johann Steigmayer widerspricht nicht.

Hat sich D. gegen die Verlegung gewehrt? Oder saß er schon auf gepackten Koffern und wartete nur noch auf eine Begleitung, wie der Anwalt sagt? War es überhaupt rechtmäßig, dass die Heimleitung in einem solchen Fall die Polizei anfordert, um einen möglicherweise gewaltsamen Abtransport durchzusetzen?

Es kommt lediglich zur Befragung einer Zeugin, einer Polizistin, die an dem Tag im Dienst war. Die Aussage der 21-Jährigen wirft viele Fragen über den Einsatz auf und offenbart, dass er wenig professionell abgelaufen sein muss, dass die Gewalt hätte verhindert werden können. Auf die Frage, warum sie und ihr mittlerweile pensionierter Kollege nicht Verstärkung geholt hätten, als sie sahen, dass es brenzlig wurde, weiß sie keine Antwort. „Ich war da so im Tunnel drin“, meint sie. Es war eine ihrer ersten Schichten überhaupt, Pfefferspray hatte sie bis dahin nie angewendet. Als sie es auf D. gesprüht hatte, ging dieser ans Fenster und öffnete es. Laut Verteidigung schlug ihm dann der Polizist drei Mal ins Gesicht.

Klar wird, dass die Gewalt anfänglich von der Polizei ausging. Der Angeklagte sei demnach zwar „in aggressiver Haltung“ auf die Polizisten zugegangen, sagt die Beamtin. Ein Angriff erfolgte aber nicht, stattdessen versuchten sie, D. Handfesseln anzulegen. Dies misslang, der Nigerianer habe mit der an einer Seite noch geöffneten Fessel dem Beamten auf den Kopf geschlagen. Schließlich wurde er überwältigt und in den Polizeiwagen getragen.

Eine Aussage der Polizistin machte den Richter und das Publikum sehr stutzig. So habe ihr Kollege sie nach dem Einsatz mehrfach gefragt, ob er überreagiert habe.

Nach kurzer Beratung verständigt man sich auf die Einstellung des Verfahrens. D. erhält die Auflage, zehn Stunden Sozialarbeit zu leisten. Der Anwalt schlägt dafür den Bayerischen Flüchtlingsrat vor.

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