Unmenschliche Migrationspolitik: Blindem Syrer droht Abschiebung
Ein Regensburger Gericht lehnt die Klage von Meddhin Saho gegen seine Abschiebung ab. Eine Erklärung dafür lässt die Richterin bisher vermissen.
Der Anglist Saho, der an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität studiert und vor seiner Masterarbeit steht, ringt seit zweieinhalb Jahren um einen Bleibestatus. Gisela und Gerhard Zierer sind in der Flüchtlingsarbeit aktiv und hatten ihn im April 2019 in Rottenburg getroffen. Jetzt sagt die 55-jährige Gisela Zierer: „Mheddin ist für uns zu einem Adoptivsohn geworden.“
Sein erster Asylantrag war abgelehnt worden, gemäß dem Dublin-Abkommen der EU sollte er dort einen Asylantrag stellen, wo er angekommen war – in Spanien. Saho ist überzeugt davon, dass er mit einer 100-prozentigen Behinderung dort nie Fuß fassen könnte. Er wäre allein, ohne Sprachkenntnisse und Integrationsangebote.
Bei der Regensburger Verhandlung referiert die Richterin die Haltung des Bundesamts für Migration (Bamf): Er sei „kein besonderer Härtefall“ und könne in Spanien durchaus „ein selbstständiges Leben führen“.
Unterstützung für Saho wächst
Für einen Dublin-Flüchtling besteht sechs Monate lang die Ausreisepflicht, in dieser Zeit kann er abgeschoben werden. Schafft er es, länger zu bleiben, erhält er ein deutsches Asylverfahren. Bei Meddhin Saho wären es noch zehn Tage gewesen, um ins deutsche System zu rutschen. Doch das Bamf vereitelte dies, indem es sein Verfahren aussetzte.
Das Gericht solle grundsätzlich entscheiden, wie die Lage blinder Flüchtlinge in Spanien zu beurteilen sei. Für Saho bedeutete das: Die Uhr wurde wieder auf null gestellt. Wird er erneut abgelehnt, beginnt die Sechsmonatsfrist von vorn. So weit ist es aber noch nicht. Denn die schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor – obwohl sie von einem Gerichtssprecher gegenüber der taz für vergangene Woche angekündigt worden war. Erst mit der Begründung, so Sahos Anwalt Thomas Oberhäuser, könne man entscheiden, wie man weiter vorgeht.
Die Unterstützung für den Syrer wächst derweil. Sein Uni-Department schreibt: „Es wäre unmenschlich, einen jungen Menschen mit solchen Talenten und perfekt gelungener Integration aus seinem Umfeld zu reißen.“ In einer Resolution verlangen evangelische Gemeinden „eine Perspektive für Mheddin Saho in Deutschland“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“