Umzug im Rentenalter: Auf die Parkbank nach Altötting
Im Alter dahin, wo es billiger ist? Rentner:innen in Deutschland riskieren eher Altersarmut, anstatt umzuziehen. Anders in den USA.
Im Alter umziehen in eine mietgünstige Region, am besten im Osten oder irgendwo in eine abgelegene Kleinstadt? Zu diesem Schluss kann kommen, wer sich diverse Studien zu Wohnkosten, Kaufkraft und Lebensqualität im Alter vornimmt. Gera, Chemnitz oder auch der Landkreis Hof sind Gegenden, wo das Verhältnis zu Wohnkosten und Renten komfortabel ist, ergab unlängst eine Erhebung der Prognos AG. Die Kleinstädte Bad Windsheim oder Altötting sind „Seniorenparadiese“, ermittelte wiederum das Wirtschaftsforschungsunternehmen Contor.
Also auf in die Kleinstädte, in den Osten oder irgendwo aufs Land? So einfach ist es nicht, denn Rentner:innen sind sensibel und bodenständig. „Insgesamt nimmt die Umzugsbereitschaft im Laufe des Lebens immer mehr ab“, erklärt der Heidelberger Altersforscher Hans-Werner Wahl im Gespräch mit der taz.
„Ältere ziehen etwa fünfmal seltener um als Menschen unter 30 Jahre. Aber es tut sich auch etwas und immer mehr Ältere, vor allem Babyboomer zwischen 65 und 75 Jahren, fassen nochmals konkret einen Umzug ins Auge. Zu den wichtigsten Gründen gehören die sogenannten Netzwerkwanderungen, also näher zu Kindern und Enkelkindern.“
Besonders Witwen sind betroffen
Die Enkel, das Klima, günstige Hauspreise und Kindheitserinnerungen an die alte Heimat sind Gründe, warum Leute mit Beginn des Ruhestands umziehen oder sich gar einen zweiten Wohnsitz im Ausland zulegen.
Wer sich im Bekanntenkreis umschaut, stellt verschiedene Muster fest: D. zog mit Rentenbeginn von Berlin nach Oldenburg, weil da ihre Tochter und zwei Enkel leben. F. verkaufte die Wohnung in Berlin und erwarb mit Ehemann ein Haus in der günstigen Pfalz, die ihre alte Heimat ist. K. zog mit Ehefrau in deren Heimat Thailand in eine Kleinstadt. Er behält aber die günstige Mietwohnung in Berlin und verbringt dort die Sommermonate.
Das klingt alles gut, aber wer diese Wahlfreiheit nicht hat, kann in große Probleme geraten. Jeder Fünfte der über 65-Jährigen gibt mehr als 40 Prozent des verfügbaren Einkommens für Wohnen aus, ermittelte das Deutsche Zentrum für Altersfragen. Stirbt der Partner und fällt damit ein Einkommen weg, steigt das Risiko der Verarmung – oft für die zurückbleibende Witwe – dramatisch an, fanden die Forscher:innen heraus.
Im Bekanntenkreis sorgt sich zum Beispiel C., 67, um die Zukunft im hohen Alter. Sie wohnt mit ihrem Freund in einer Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung und bezieht nur eine kleine Rente. Was passiert, wenn der Partner vor ihr stirbt und die Miete zu teuer wird für ihr Alterseinkommen?
Umzug kann verunsichern
„Wir werden sicher auch eine Gruppe von vor allem älteren Frauen sehen, die durch Armutsgefährdung in eine günstigere Wohnung abzuwandern versuchen, auch um den Preis, soziale Netzwerke und hilfreiche Nachbarschaftsstrukturen hinter sich zu lassen. Keine gute Entwicklung“, sagt Wahl.
Eine naheliegende Lösung läge darin, dass Verwitwete oder überhaupt alte Menschen eine oft zu große Mietwohnung aufgeben und in eine kleinere Bleibe umziehen, also tauschen. Wohnungsbaugesellschaften können von diesen Tauschprogrammen ein Liedchen singen: Es klappt eher selten. David Eberhardt, Sprecher des BBU, des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, hat festgestellt: „Gerade ältere Leute wollen nicht umziehen, sich von Erinnerungsstücken und der vertrauten Umgebung trennen.“
Die BBU ist für die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen in Berlin zuständig, ein Bestand von 360.000 Wohnungen. Wer in einer solchen landeseigenen Wohnung lebt, kann seine Wohnung gegen eine größere oder kleinere Wohnung tauschen, auch ohne dass die Quadratmeterpreise erhöht werden. Wer sich also verkleinert, würde dann in der Regel weniger Miete zahlen. Seit dem Jahre 2018 kam es aber nur in rund 600 Fällen zum Wohnungstausch mit dann 1.200 neuen Mietverträgen.
Das Problem ist das Missverhältnis: Auf fünf Mietparteien, die eine zu kleine gegen eine große Wohnung tauschen wollen, kommt nur ein entsprechendes Angebot einer großen Wohnung von dann meist älteren Mieter:innen. Als die Wohnungsgesellschaft vor Jahren im Märkischen Viertel ältere Mieter:innen gezielt anschrieb und vorsichtig fragte, ob sie nicht vielleicht in eine kleinere Wohnung umziehen wollten, „war die Verunsicherung groß“, sagt Eberhardt. Die alten Leute befürchteten, aus ihren Wohnungen vertrieben zu werden.
Psychologisch mit dem Wohnort verwachsen
„Mit Sicherheit ist ein Umzug im höheren Lebensalter kein erwünschtes Szenario für geschätzt 90 Prozent der Älteren“, sagt Wahl. „Die Wohn- und Nachbarschaftsbindung ist hoch, nicht selten hat man 20 und mehr Jahre an diesem Ort verbracht. Man ist gewissermaßen psychologisch mit dem Wohnort verwachsen.“ Auch deswegen ist ein erzwungener Umzug, etwa durch eine Eigenbedarfskündigung, für Ältere eine Katastrophe. Ein notwendiger Umzug in ein Pflegeheim im hohen Alter gilt ohnehin als Schreckensszenario.
Sich einfach eine Region auszusuchen, in die man mit Beginn des Rentenalters zieht, weil dort Wohnen und Lebenshaltungskosten günstig sind, entspricht nicht der Mentalität der meisten Ruheständler:innen in Deutschland. In den USA ist man flexibler, auch notgedrungen. In der Facebook-Gruppe „Retiring on a shoestring“ tauschen sich Ruheständler:innen, deren Geld knapp ist, darüber aus, wo und wie man in den späteren Jahren am besten leben könnte.
„Moved from Michigan to Southeast Missouri. Cost of living is way better than in Michigan“, schreibt Cyndee. „Texas is marvelous. The roads, the weather, the people“, meint Gail. „You want to see high taxes, go to California, New Jersey, New York“, warnt Alexandra. „Alaska is starting to look good“, behauptet Jody.
Ein riesiges Flächenland mit großen Klimaunterschieden wie die USA bietet mehr Ausweichmöglichkeiten. In Deutschland werden die Konflikte lokaler ausgetragen. „Der Ruhestand kann die existierende Ungleichheit bei den Wohnkosten zwischen Mietern und Eigentümern verstärken“, resümiert die Studie des DZA, publiziert über die Universität Cambridge.
Denn während das Eigenheim im Alter oft abbezahlt ist, können steigende Wohn- und Heizkosten bei gleichbleibenden Renten die Altersarmut von Mieter:innen überhaupt erst hervorrufen. Und das macht Angst.
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