Umweltjurist über die Energiewende: „Kohle ist Gefahr für die Menschheit“
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Atomausstieg erleichtert das Ende der Kohlekraft, sagt der Umweltrechtler Thorsten Deppner.
taz: Herr Deppner, erleichtert das Karlsruher Urteil zum Atomausstieg auch einen Ausstieg aus der Kohle-Wirtschaft – oder erschwert es ihn?
Thorsten Deppner: Es erleichtert den Kohleausstieg. Man muss ihn nur wollen.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Atomkraft als „Hochrisikotechnologie“ eingestuft. Deshalb durfte der Gesetzgeber 2011 deren Risiken abrupt neu bewerten. Kohlekraftwerke sind aber keine ähnlich große Gefahr für die jeweilige Region.
Die Kohlewirtschaft ist eine Gefahr für die Menschheit, das sollte genügen. Wenn wir nicht aus der Kohleverbrennung aussteigen, ist die Klimakatastrophe kaum noch zu stoppen. Kohlekraftwerke sind anders gefährlich, aber nicht weniger gefährlich.
Ob die Richter das auch so sehen?
Natürlich, das sind verantwortungsbewusste Persönlichkeiten. Außerdem hat Deutschland das Pariser Klimaabkommen ratifiziert und sich damit völkerrechtlich verpflichtet, an der Begrenzung des Temperaturanstiegs auf deutlich unter zwei Grad mitzuwirken.
35, ist Anwalt für Umweltrecht in Berlin. Er vertritt auch Braunkohlegegner.
Kohleausstieg – was hieße das praktisch?
Die Kohlekraftwerke haben derzeit eine unbefristete Betriebserlaubnis. Ein Ausstiegsszenario wäre, diese Betriebsgenehmigungen mit einem Kohleausstiegs-Gesetz nachträglich zu befristen. Wie beim Atomausstieg könnten die Kraftwerke dann zeitlich gestaffelt abgeschaltet werden, so wäre ein geordneter Umbau der Energiewirtschaft möglich.
Müsste der Staat bei einem Kohleausstieg nicht gewaltige Entschädigungen bezahlen?
Nein. Das hat das Bundesverfassungsgericht nun klar entschieden. Die nachträgliche Befristung einer Betriebsgenehmigung ist keine Enteignung, sondern eine Inhaltsbestimmung des Eigentums.
Aber auch bei einer Inhaltsbestimmung können Entschädigungen geboten sein…
Wenn die Inhaltsbestimmung sonst unverhältnismäßig wäre, verlangt das Bundesverfassungsgericht eine Entschädigung oder eine Übergangslösung. Wie beim Atomausstieg könnte den Kohlekraftwerken also eine Restlaufzeit eingeräumt werden, dann müsste der Staat keine Entschädigung zahlen.
Wie sind diese Restlaufzeiten zu berechnen?
Hierfür hat Karlsruhe keine Vorgaben gemacht. Nach meiner Ansicht genügt es, wenn ein Kraftwerk so lange Strom erzeugen kann, bis sich die Investitionskosten amortisiert haben.
Rot-Grün hat den AKW-Betreibern beim Atomkonsens von 2000/2002 aber noch einige Extra-Jahre und damit auch ein Recht auf Gewinn zugebilligt…
Rechtlich war das nicht erforderlich. Aber wenn man einen Vertrag mit den Betreibern schließt, muss man über das rechtliche Minimum hinausgehen – im Gegenzug hat man dann schneller Rechtssicherheit.
Zur Kohlewirtschaft gehören nicht nur die Kraftwerke, sondern auch der Abbau der Kohle. Gelten hier die gleichen Vorgaben?
Ja. Allerdings wird der subventionsbedürftige Steinkohlebergbau ohnehin schon lange abgewickelt, 2018 werden die Beihilfen endgültig eingestellt. Ein Problem ist dagegen noch der Braunkohle-Tagebau, vor allem im Rheinland und in der Lausitz. Auch hier sollte der Gesetzgeber den Ausstieg beschließen und nur noch eng bemessene Restbetriebszeiten einräumen.
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