Umweltaktivist über Angriffe: „Keine Gerechtigkeit ohne Politik“
Mit einem Film über Fracking brachte Josh Fox rechte US-Politiker gegen sich auf. Jetzt hat der Umweltaktivist einen neuen Film gedreht.
taz: Herr Fox, worum wird es bei „The Truth Has Changed“ gehen?
Josh Fox: Die zentrale Frage meines Projekts lautet: Woher wissen wir, was wahr ist? Auf der ganzen Welt sind Leute nicht mehr in der Lage, Wahrheiten von Lügen zu unterscheiden. Eine High-School-Schülerin sagte mir vor kürzlich: „Du behauptest, dass Fracking schlecht sei und der Klimawandel ein reales Problem, aber im Internet sagen viele Leute das genaue Gegenteil. Was stimmt nun also?“ Diese Unklarheit ist das Ergebnis bewusster Desinformation von Großkonzernen und den faschistischen Regierungen, die mit ihnen zusammenarbeiten. Die Verbindung zwischen Big Data, Big Oil und der Ideologie weißer Vorherrschaft aufzudecken, das ist der Kern meiner Performance.
Können Sie diese Verbindung etwas genauer erklären?
In der Person von Trumps früherem Berater Steve Bannon laufen die Stränge zum Beispiel zusammen. Der war nicht nur Chef der rechten Onlineplattform Breitbart, sondern auch im Vorstand des Datenanalyse-Unternehmens Cambridge Analytica. Und mit genau denen arbeitete das US-Außenministerium, damals geführt vom ehemaligen ExxonMobil-Chef Rex Tillerson, zusammen. Leute wie Bannon wollen mit Facebook-Hetzkampagnen überall rechtsautoritäre Regierungen an die Macht bringen. Diese Demagogen haben es vor allem auf Klimawissenschaftler und Umweltaktivisten abgesehen. Gegen meine Arbeit haben sie ja auch jahrelang Kampagnen gefahren.
Wie sahen diese Kampagnen aus?
US-Umweltaktivist und Filmemacher Josh Fox, 47, ist vor allem für „Gasland“ (2010) bekannt, seine Oscar-nominierte Anti-Fracking-Dokumentation. Er hat an der New Yorker Columbia-Universität Theater studiert und ist Gründungsmitglied der Theatergruppe International WOW. Am Freitagabend wird er mit seiner Soloperformance „The Truth Has Changed“ die Konferenz „Zuhören #4: Climate Change & Democracy“ eröffnen, die bis Sonntag im Radialsystem stattfindet. Dort sollen in Workshops, Gesprächen und Interventionen die Themenkomplexe Klima- und Demokratiekrise betrachtet werden.
Seit ich vor zehn Jahren den Film „Gasland“ gemacht habe und sich im Zuge dessen eine Antifrackingbewegung gebildet hat, hat die Ölindustrie eine 45-Millionen-Euro-Schmiergeldkampagne gegen mich orchestriert. Die haben eine Fake-Dokumentation gedreht, in der sie meinem Film vorgeworfen haben, Fake zu sein. Die Trump-Nummer also: das Wahre als falsch zu bezeichnen und die eigenen Lügen als Wahrheit.
Auf der Konferenz wird es um verschiedene Formen von Widerstand und von Aktivismus gehen, gerade auch um künstlerische. Wie künstlerisch kann Aktivismus denn sein?
Im Theater ging es immer schon um die Frage nach Gerechtigkeit. Egal ob man sich nun ein Stück von Euripides oder eines von Heiner Müller ansieht. Und Gerechtigkeit gibt es nicht ohne Politik. Die Vorstellung eines unpolitischen Theaters finde ich also absurd. Die Frage ist für mich eher: Wie erhält man den Moment der Erkenntnis, den ein Kunstwerk verursachen kann, aufrecht?
Und wie machen Sie das?
Wir gehen mit meinen Filmen auf Tour, wir zeigen sie Gemeinden, die an der Front gegen die Öl- und Gasindustrie kämpfen und die die Filme zur Mobilisierung weiterer Leute gebrauchen können. Meine Projekte entspringen ja alle einer Krise. „Gasland“ zum Beispiel ist daraus entstanden, dass auf unserem Land in New York Fracking betrieben werden sollte. Wir wollten unsere Gewässer davor schützen und die Leute über die Gefahren aufklären, also haben wir den Film gemacht. Heute weiß jeder, was Fracking ist, aber ohne unseren Film wäre das nicht der Fall.
Die vierte Ausgabe der Konferenz „Zuhören – Dritter Raum für Kunst und Politik“ findet von 13. Dezember bis 15. Dezember 2019 im Radialsystem statt. Das Programm, erneut gestaltet von Sasha Waltz & Guests, umfasst Workshops, Gespräche und Interventionen – begleitet von Tanz, Musik und gemeinsamem Essen – zu den Themen Klimakrise und Demokratiewandel. Zu den Gästen zählen unter anderen Vertreter*innen der Initiative Fridays for Future, die peruanische Choreografin Luz Zenaida Hualpa García sowie die syrischen Künstler Medhat Aldaabal und Ali Hasan.
Wie beurteilen Sie als langjähriger Umweltaktivist die jüngsten globalen Klimaproteste? Entsteht durch eine Bewegung wie Fridays for Future, die auch an der „Zuhören #4“-Konferenz beteiligt ist, nun endlich der nötige öffentliche Druck?
Ich freue mich ungemein über die jungen Leute von Fridays for Future. Deren Eltern müssen nun mitmachen! Ich finde es aber wichtig zu betonen – wobei ich natürlich verstehe, dass Fridays for Future ein guter Slogan ist –, dass es hier nicht nur um die Zukunft geht, sondern um die Gegenwart. Die „Zukunft“ zum zentralen Begriff zu machen halte ich für geradezu rassistisch. Denn die Menschen, die jetzt in diesem Moment unter dem Klimawandel leiden, sind in erster Linie People of Color. Menschen im Südpazifik, die ihre Inseln verlassen müssen. Menschen in Guatemala, die keine Landwirtschaft mehr betreiben können. Wenn wir also nur über die Zukunft reden, dann ignorieren wir die Tatsache, dass es eine Menge Menschen gibt, die jetzt Hilfe brauchen.
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