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: Unmögliche Mission

Nachhaltige Nahrungsmittel, Tierwohl und billig ist eine Illusion. Tier- und umweltfreundliche Landwirtschaft muss bezahlt werden

Ich bin traditioneller Bauer. Ich habe weder Soziologie noch Politikwissenschaften studiert, bin in keiner Partei, keiner Organisation und wähle auch nicht die Grünen. Statt Globuli nehme ich morgens und abends eine Handvoll Medikamente fürs Herz. Wahrscheinlich, weil ich mich immer so schnell aufrege und schon den zweiten Herzinfarkt hinter mir habe. Dass ich jetzt in der taz schreiben darf, freut mich.

Wir, Bauern und Bürger, haben uns auseinandergelebt. Noch nie in der Geschichte der Menschheit waren die Lebensmittelkonsumenten weiter von den -produzenten entfernt als heute. Der Verbraucher weiß schon lange nicht mehr, wie das Essen entsteht, das täglich auf seinem Teller landet, wie es angebaut, gepflegt, geerntet, geschlachtet, verarbeitet oder kurz: hergestellt wird – ganz egal, ob er in der Kantine isst, im Edelrestaurant, an der Imbissbude.

Und wir Bauern, die wir ganz am Anfang dieser Produktionskette stehen, wissen im Grunde auch nicht mehr, was die Verbraucher eigentlich wollen. Es klafft eine riesige Lücke zwischen Verbraucherinnen und Verbrauchern einerseits und mir, dem Bauern, auf der anderen. Und auf beiden Seiten mehren sich Unmut und Unzufriedenheit, Ärger und Schuldzuweisungen. Nach meiner Wahrnehmung wird in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt, wir Bauern hätten bewusst ein perfides System entwickelt, mit dem wir rücksichtslos jeden Cent aus Mutter Natur quetschen, um uns selbst zu bereichern und den Rest der Bevölkerung die Zeche dafür zahlen zu lassen. Auf der anderen Seite klagen wir Bauern seit Jahren über brutale Preiskämpfe auf globalen Märkten, Wachstumszwang, Existenzängste und fehlende Nachfolger einerseits und andererseits über das Schicksal des Buhmanns, dem keiner dafür dankt, dass er die Grundlagen für unser aller täglich Brot schafft. Wer möchte sich heute denn noch die Hände mit Landwirtschaft schmutzig machen?

Und dann sind da noch „Mittelsmänner“, die vor allem von dem Geschäft mit unserem Essen profitieren. Gemeint sind der Handel, die großen Lebensmittelkonzerne, aber natürlich auch die Politiker, die den gesetzlichen Rahmen für das Geschäft mit unserem Essen gestalten und verantworten. Auch wenn das erste Glied der Kette, also wir Bauern, mit dem letzten Glied, den Verbrauchern, kaum noch in Kontakt kommt, sind dennoch alle mit allen untrennbar verbunden.

Gerne werden wirtschaftliche Zwänge vorgeschoben und die Mechanismen der Marktwirtschaft als Erklärung angeführt, um die einzelnen Marktteilnehmer aus der Verantwortung zu ziehen. Allerdings sprechen die Supermarktkassen eine eindeutige Sprache: Die meisten Verbraucher machen sich und der Allgemeinheit etwas vor. Unterm Strich wollen die allermeisten nämlich lieber billig als gut. Für diese Feststellung ist es zunächst einmal egal, ob die Ursachen in Bequemlichkeit oder Faulheit, in Gleichgültigkeit oder Ignoranz, in Geldnot oder Geiz, im System der Marktwirtschaft oder in der Manipulation der Verbraucher zu finden sind.

Am Ende ist uns unser Geldbeutel wichtiger. Beim Thema „bewusster Lebensmittelkonsum“ herrscht mehr Schein als Sein bei den Verbrauchern. Zwar wird in Umfragen gerne behauptet, dass man ja „meist Bio kauft“, aber meist ist das gelogen. Der Bürger stellt hohe Ansprüche, entscheidet sich als Verbraucher dann aber doch für billig. Sie, der Leser der taz, natürlich nicht! Ernsthaft?

Foto: privat

Willi Kremer-Schillings ist Landwirt und promovierter Agraringenieur. Er bewirtschaftet einen Ackerbau­betrieb mit Zuckerrüben, Raps und Getreide und bestückt regelmäßig seinen Blog bauerwilli.com.Anfang des Jahres erschien sein neues Buch, „Satt und unzufrieden: Bauer Willi und das Dilemma der Essensmacher“, im Westend Verlag.

Diese Schizophrenie, diese Arroganz der gehobenen Schicht ist auch das, was mir besonders auf die Nerven geht. Sie merken schon: Ich provoziere und streite gerne, aber nur weil ich für meine Sache brenne.

Ich kann mir schon denken, was Sie von mir wollen, denn wenn ich mich mit Menschen unterhalte, die nichts mit Landwirtschaft am Hut haben, wünschen sie sich eine bäuerliche Landwirtschaft zurück. Wenn man dann weiter nachfragt, was sie sich genauer darunter vorstellen, kommen Aussagen wie: „Ich hätte gerne einen Bauernhof, auf dem es noch Kühe, Schweine, ein paar Hühner, gerne auch ein Pferd gibt. Ziegen und Schafe wären ebenfalls nicht schlecht. Und der Bauer steht mit Gummistiefeln und Mistgabel am Tor und hat viel Zeit, sich mit mir zu unterhalten, wenn ich bei ihm die zehn Eier für diese Woche einkaufe.“

Mit meiner Realität hat das nichts mehr zu tun. Die gleicht schon mehr einer „Agrarfabrik“. Da steht eine 27-m-Pflanzenschutzspritze, der Schlepper wird per GPS gesteuert, ich dünge „Kunstdünger“, spritze (nicht oft, aber immerhin) Glyphosat und falls ich Tiere hätte, würden die in riesigen Ställen mit ein paar Tausend Tieren gehalten. „Massentierhaltung“ eben. Und auf meinem Acker nur Monokulturen, Getreide, Raps, Zuckerrüben. Pfui!

Eigentlich will ich mich nicht aufregen, aber manchmal geht es nicht anders. In meinem Buch gehe ich auf alle strittigen Themen rund um die Landwirtschaft ein und lasse wirklich nichts aus. Ich schildere es aus meiner Sicht, die des Bauern. Sie müssen diese Sicht nicht teilen, aber es würde mich freuen, wenn Sie verstehen, wie ich zu diesen Ansichten gekommen bin. Was ich bei all diesen Themen immer wiederhole: Wir Landwirte können alles – es muss uns nur jemand bezahlen, und genau da hakt es. Genau das ist das Dilemma der Essensmacher.

Zwar wird in Umfragen gerne behauptet, dass man ja „meist Bio kauft“, aber meist ist das gelogen

Doch jetzt zu den Lösungen: Sie wollen mehr Naturschutz? Können wir, also macht Naturschutz zum Betriebszweig, mit dem ich planen kann. Ihr wollt mehr Klimaschutz? Können wir und machen wir. Wir können Kohlendioxid speichern und so unseren Teil dazu leisten, den Klimawandel aufzuhalten. Das ist eine öffentliche Leistung und für die sollte es auch öffentliches Geld geben. Jedenfalls wird uns Bauern das immer so „verkauft“.

Ihr wollt mehr Hamster, Lerchen oder Schmetterlinge? Können wir alles, aber den zusätzlichen Aufwand und geringeren Erlös sollte doch jemand ausgleichen, oder? Nein, ich bin nicht geldgierig, aber ich muss von meinem Betrieb leben können.