Umstrittenes Bahnprojekt Stuttgart 21: Dauert länger, kostet mehr
Die Fertigstellung des Tiefbahnhofs war für 2023 geplant. Einem Bericht zufolge verschiebt sich das. Zudem werde der Bau teurer als bislang geplant.
Berlin taz | Gerhard Pfeifer verfolgt das Bahnprojekt Stuttgart 21, seit es 1994 der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Kostensteigerung um Kostensteigerung erlebte der Geschäftsführer des BUND in Stuttgart, insofern wundert ihn die jüngste Meldung nicht: Der Finanzierungsrahmen für den kompletten Umbau des Stuttgarter Bahnknotens liege nun bei bis zu 7,6 Milliarden Euro, zitierte die dpa aus dem Aufsichtsrat der Deutschen Bahn. Zudem werden die Bauten wahrscheinlich erst 2024 fertig. Ursprünglich war 2008 Eröffnungstermin.
1995 lag der Kostenrahmen der Bahn noch bei umgerechnet 2,45 Milliarden Euro. Der bislang gültige „Finanzierungsrahmen“ von 2013 nennt 6,5 Milliarden Euro. Das heißt: Der Betrag enthält einen Risikopuffer für Mehrkosten, der vielleicht nicht ausgeschöpft wird. Die neuen Zahlen stammen aus einem externen Gutachten, das Vorstand und Aufsichtsrat der Bahn in Auftrag gegeben haben und eigentlich erst am 13. Dezember besprechen wollten.
Erste digitale Fassungen sind aber bereits am Dienstag an den Aufsichtsrat geschickt worden. Daraus wurden Zahlen an die Presse durchgestochen. Offenbar wollen Teile des Aufsichtsrates Druck auf den Vorstand ausüben, die Kostenexplosion ernst zu nehmen.
Die Kosten steigen unter anderem, weil in der boomenden Konjunktur Maschinen und Materialien teurer werden. Ein weiterer Punkt seien Bauverzögerungen, unter anderen wegen neuer Vorschriften zum Brandschutz, sagt ein Sprecher des Projekts Stuttgart 21 auf Anfrage. Auch der Artenschutz soll ein Grund sein: So haben Biologen deutlich mehr geschützte Eidechsen etwa im Bereich eines geplanten Bahnhofs im Stadtteil Untertürkheim gefunden.
Für den Kritiker Pfeifer ist das Artenschutz-Argument allerdings „Schwachsinn“. „Das ist vorgeschoben. Das Problem ist, dass die Bahn seit Jahren ständig umplant“, sagt er. Die Stadt Stuttgart schaffe es auch, bei diversen Bauvorhaben Eidechsen rechtzeitig umzusiedeln.
Wer trägt die Kosten?
Tatsächlich gibt es zahlreiche Stellen, an denen das Projekt nicht im Zeitplan liegt. Zwar sind bereits 32 Kilometer Tunnel gebohrt, also rund 55 Prozent. Allerdings verzögert sich der Bau des neuen Hauptbahnhofs, dessen Bahnhofshalle auf 32 Meter hohen Stützen ruhen soll, für die bis heute die Genehmigung des Eisenbahnbundesamtes fehlt. Für die Anbindung an den Flughafen gibt es wegen anhängiger Klagen noch keine Planfeststellung. Zahlreiche Bauabschnitte sind noch nicht vergeben, hier erwartet die Bahn „spürbare Preissteigerungen“.
Gravierend ist auch, dass noch nicht einmal klar ist, wer die 2013 prognostizierten Kostensteigerungen von 1,2 Milliarden Euro trägt. Die grün-schwarze Landesregierung und die Stadt Stuttgart lehnen jeden weiteren Zuschuss an das Projekt ab.
„Im Fall weiterer Kostensteigerungen nehmen die Eisenbahninfrastruktur-Unternehmen und das Land Gespräche auf“, heißt es im Vertrag über die Finanzierung lediglich – wie das zu verstehen ist, darüber werden Gerichte entscheiden. Der Fahrgastverband Pro Bahn warnt, der Bahn werde wegen Stuttgart 21 das Geld für den Ausbau wichtiger regionaler Strecken im ganzen Bundesgebiet fehlen.
Für Projektgegner Gerhard Pfeifer oder den Sprecher der „Parkschützer“, Matthias von Herrmann, steht fest: Es werden nicht die letzten Kostensteigerungen sein. Sie verweisen auf Kostenschätzungen des Bundesrechnungshofs und des Münchner Ingenieurbüros Vieregg-Rössler. Beiden kommen auf Kosten von rund 10 Milliarden Euro für das Mammutprojekt Stuttgart 21.
Leser*innenkommentare
Werner S
Ein Nutzen von S21 ist bis heute nicht nachgewiesen. Ob er zusammen mit Bauzeit und Kosten (plus 1 Million Euro/Tag) auch auf ein vielfaches steigt?
Arne Babenhauserheide
@Werner S Ein Schaden schon (Kapazitätsverluste). Würde mich nicht wundern, wenn der Schaden entsprechend der Kosten steigt ...
Age Krüger
"Der Fahrgastverband Pro Bahn warnt, der Bahn werde wegen Stuttgart 21 das Geld für den Ausbau wichtiger regionaler Strecken im ganzen Bundesgebiet fehlen."
Es ist dringend notwendig, dass z.B. das Land BaWü darauf besteht, dass bevor auch nur ein Cent mehr gezahlt wird, DB Netze und DB Station und Service in unterschiedlichen Bereichen untergebracht werden. Das jetzige System ist so, als würde Daimler schon jetzt alle Autobahnen und Straßen bauen und damit festlegen, wer da wo fahren darf.
Tom Farmer
1.) Es liegt auch daran, dass man heutzutage öffentliche Projekte nur dann durch öffentliche Gremien bestätigt bekommt die schöner als schön dargestellt werden.
2.) Es geht um lediglich 1.100 Mio €. Wo ist der Aufreger... das Geld ist ja nicht vernichtet, es hat halt jemand anderes.
7964 (Profil gelöscht)
Gast
Das ganze Projekt dient doch nur dazu, die Innenstadt kaputt zu machen - ähnlich wie die "U-Bahn" in Karlsruhe.
Trango
Sind in den Zusatzkosten die 15 Millionen für die zwischenzeitliche Eidechsen-Umsiedlung schon mitverarbeitet?
80336 (Profil gelöscht)
Gast
Die Herren Ingenieure und Projekt-Manager haben an den Hochschulen anscheinend nur zugehört, wenn erläutert wurde, wie man erfolgreich den Schuh in die Tür setzt, bei Projekt-Management und Kosten-Kalkulation aber regelmäßig die Vorlesungen verschlafen und bei Prüfungen geschummelt.
Empfehle den Auftraggebern daher empfindliche Honorarkürzungen beim Führungspersonal in den obersten Etagen; in solchem Umfang, dass die Mehrkosten darüber eingespielt werden.
Helmut van der Buchholz
Ja, mal ganz im Ernst: hat irgendwer irgend etwas anderes erwartet?
Es wird nicht die letzte Kostenerhöhung sein und auch nicht die letzte Terminverschiebung.
Und wenn dann am Ende rauskommt, dass das alles ein Plan der Autoindustrie war, um die Bahn zu diskreditieren, dann wird das auch nicht mehr verwundern.
Sonntagssegler
Igitt - ein Bahnfahrer!
:-)