Umstrittenes Bahnprojekt Stuttgart 21: Dauert länger, kostet mehr

Die Fertigstellung des Tiefbahnhofs war für 2023 geplant. Einem Bericht zufolge verschiebt sich das. Zudem werde der Bau teurer als bislang geplant.

Eine große Baustelle von oben

Die Baustelle des geplanten Tiefbahnhofs in Stuttgart am 13. November 2017 Foto: dpa

Berlin taz | Gerhard Pfeifer verfolgt das Bahnprojekt Stuttgart 21, seit es 1994 der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Kostensteigerung um Kostensteigerung erlebte der Geschäftsführer des BUND in Stuttgart, insofern wundert ihn die jüngste Meldung nicht: Der Finanzierungsrahmen für den kompletten Umbau des Stuttgarter Bahnknotens liege nun bei bis zu 7,6 Milliarden Euro, zitierte die dpa aus dem Aufsichtsrat der Deutschen Bahn. Zudem werden die Bauten wahrscheinlich erst 2024 fertig. Ursprünglich war 2008 Eröffnungstermin.

1995 lag der Kostenrahmen der Bahn noch bei umgerechnet 2,45 Milliarden Euro. Der bislang gültige „Finanzierungsrahmen“ von 2013 nennt 6,5 Milliarden Euro. Das heißt: Der Betrag enthält einen Risikopuffer für Mehrkosten, der vielleicht nicht ausgeschöpft wird. Die neuen Zahlen stammen aus einem externen Gutachten, das Vorstand und Aufsichtsrat der Bahn in Auftrag gegeben haben und eigentlich erst am 13. Dezember besprechen wollten.

Erste digitale Fassungen sind aber bereits am Dienstag an den Aufsichtsrat geschickt worden. Daraus wurden Zahlen an die Presse durchgestochen. Offenbar wollen Teile des Aufsichtsrates Druck auf den Vorstand ausüben, die Kostenexplosion ernst zu nehmen.

Die Kosten steigen unter anderem, weil in der boomenden Konjunktur Maschinen und Materialien teurer werden. Ein weiterer Punkt seien Bauverzögerungen, unter anderen wegen neuer Vorschriften zum Brandschutz, sagt ein Sprecher des Projekts Stuttgart 21 auf Anfrage. Auch der Artenschutz soll ein Grund sein: So haben Biologen deutlich mehr geschützte Eidechsen etwa im Bereich eines geplanten Bahnhofs im Stadtteil Untertürkheim gefunden.

Für den Kritiker Pfeifer ist das Artenschutz-Argument allerdings „Schwachsinn“. „Das ist vorgeschoben. Das Problem ist, dass die Bahn seit Jahren ständig umplant“, sagt er. Die Stadt Stuttgart schaffe es auch, bei diversen Bauvorhaben Eidechsen rechtzeitig umzusiedeln.

Wer trägt die Kosten?

Tatsächlich gibt es zahlreiche Stellen, an denen das Projekt nicht im Zeitplan liegt. Zwar sind bereits 32 Kilometer Tunnel gebohrt, also rund 55 Prozent. Allerdings verzögert sich der Bau des neuen Hauptbahnhofs, dessen Bahnhofshalle auf 32 Meter hohen Stützen ruhen soll, für die bis heute die Genehmigung des Eisenbahnbundesamtes fehlt. Für die Anbindung an den Flughafen gibt es wegen anhängiger Klagen noch keine Planfeststellung. Zahlreiche Bauabschnitte sind noch nicht vergeben, hier erwartet die Bahn „spürbare Preissteigerungen“.

Gravierend ist auch, dass noch nicht einmal klar ist, wer die 2013 prognostizierten Kostensteigerungen von 1,2 Milliarden Euro trägt. Die grün-schwarze Landesregierung und die Stadt Stuttgart lehnen jeden weiteren Zuschuss an das Projekt ab.

„Im Fall weiterer Kostensteigerungen nehmen die Eisenbahninfrastruktur-Unternehmen und das Land Gespräche auf“, heißt es im Vertrag über die Finanzierung lediglich – wie das zu verstehen ist, darüber werden Gerichte entscheiden. Der Fahrgastverband Pro Bahn warnt, der Bahn werde wegen Stuttgart 21 das Geld für den Ausbau wichtiger regionaler Strecken im ganzen Bundesgebiet fehlen.

Für Projektgegner Gerhard Pfeifer oder den Sprecher der „Parkschützer“, Matthias von Herrmann, steht fest: Es werden nicht die letzten Kostensteigerungen sein. Sie verweisen auf Kostenschätzungen des Bundesrechnungshofs und des Münchner Ingenieurbüros Vieregg-Rössler. Beiden kommen auf Kosten von rund 10 Milliarden Euro für das Mammutprojekt Stuttgart 21.

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