piwik no script img

Umstrittener Waffenverkauf an MexikoHeckler & Koch hat es gewusst

Wegen Waffenlieferungen in mexikanische Krisenregionen steht das Unternehmen unter Druck. Zu Recht, wie Vertragsdetails jetzt zeigen.

Zum Prozessauftakt in Stuttgart erinnern Demonstranten an die Ermordeten aus Guerrero Foto: dpa

Berlin taz | Die Angeklagten wollen von nichts gewusst haben: Seit Mai stehen fünf ehemalige Mitarbeiter von Heckler & Koch in Stuttgart vor Gericht. Sie sollen dafür verantwortlich sein, dass das Waffenunternehmen ab 2006 Sturmgewehre in mexikanische Krisenregionen lieferte – ohne ausreichende Genehmigung. Nicht unsere Schuld, behaupten sowohl der Konzern als auch die Beschuldigten: Die Waffen habe man an die mexikanische Zentralregierung geliefert. Wo sie am Ende landeten, habe Heckler & Koch nicht gewusst.

Doch das stimmt offenbar nicht. „Report Mainz“ und der taz liegen jetzt die Lieferverträge zwischen dem Unternehmen und dem mexikanischen Verteidigungsministerium vor. Als Empfänger der Waffen sind in den Dokumenten aus dem Jahr 2006 unter anderem die Bundesstaaten Chiapas und Guerrero aufgeführt – zwei Staaten, in die Heckler & Koch mutmaßlich nicht liefern durfte.

Hintergrund ist die Menschenrechtssituation in beiden Regionen. Polizisten machen dort häufig gemeinsame Sache mit der Drogenmafia und gehen brutal gegen die Bevölkerung vor. In Iguala im Staat Guerrero soll die Polizei beispielsweise an der Verschleppung und Ermordung von 43 Studenten beteiligt gewesen sein.

Die Bundesregierung hatte es wegen dieser Situation zunächst abgelehnt, die Lieferung von Sturmgewehren nach Mexiko zu genehmigen. Laut Aussagen im laufenden Prozess vor dem Landgericht Stuttgart hatte vor allem das Auswärtige Amt Einwände. Die Regierung lenkte allerdings ein, nachdem Heckler & Koch später eine neue Endverbleibserklärung der Mexikaner vorgelegt hatte.

Regierungsmitarbeiter gaben Tipps

In solchen Dokumenten versichert der Käufer, Waffen nur für bestimmte Zwecke einzusetzen und nicht weiterzugeben; bei Rüstungsexporten sind sie Standard. In der Erklärung für das Mexikogeschäft tauchte der umstrittene Bundesstaat Guerrero zunächst noch als Empfänger auf. Wegen der Bedenken der Bundesregierung – laut Angeklagten sogar auf Rat deutscher Regierungsbeamter – bat Heckler & Koch die Mexikaner um eine neue Version. Darin war Guerrero gestrichen.

Offenbar war das aber nur ein Trick, um den wahren Zielort zu verschleiern: Im Vertrag blieb der Bundesstaat ja als Empfänger stehen. Im Genehmigungsverfahren fiel das nicht auf, da sich das Wirtschaftsministerium die Verträge nie vorlegen ließ.

Der Trick fiel nicht auf. Das Ministerium ließ sich die Verträge nie vorlegen

Das war nicht die einzige Nachlässigkeit des Ministeriums: In die abschließende Genehmigungsurkunde schrieben die Beamten nicht hinein, dass die Waffen nicht in bestimmte Bundesstaaten gelangen dürfen. „Wir haben nicht daran gedacht, wir dachten, es sei klar“, sagte einer von ihnen als Zeuge in dem Prozess. Man sei davon ausgegangen, dass die Ausschlussliste aus der Endverbleibserklärung auch gelte, wenn sie in der Genehmigung nicht noch mal aufgeführt werde.

Die Verteidigung der Angeklagten sieht das anders. Sie könnte mit Verweis darauf am Ende des Verfahrens auf Freispruch plädieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • 60er Jahre BRD:

    Meine Ausbildung bei der Bundeswehr an Heckler & Kochs's G3-Gewehr:

    Unsere Ausbilder schwärmten von der Waffe!

    80er Jahre Türkisch-Kurdistan:

    Bei einem Besuch dort traf ich einen jungen Jandarma (Dorfschützer), der stolz auf den Schaft seines G3-Gewehrs klopfte:

    "Almanya gut!"

  • “Pleiten, Pech und Pannen“ auf allen Ebenen; von den deutschen Akteuren will niemand für diese Sache verantwortlich sein. Dem steht beispielsweise die Ermordung von 43 mexikanischen Studentinnen und Studenten, im Bundesstaat Guerrero, gegenüber.



    (…) “Die Kugel, die das Leben von Aldo Gutiérrez zerstörte, stammte mit großer Wahrscheinlichkeit aus einem Sturmgewehr vom Typ G36 des deutschen Rüstungsunternehmens Heckler & Koch (H&K). Mindestens sechs Polizisten und eine Polizistin trugen die Waffen in dieser Nacht in der Stadt Iguala im südmexikanischen Bundesstaat Guerrero.“ (…) (taz, 15.05.18)

  • Schon richtig, dass die Mitarbeiter von Heckler & Koch vor Gericht stehen. Die wahren Verbrecher/innen sind aber beim Wirtschaftsministerium und beim Auswärtigen Amt: Tipps geben, wie man die Bestimmungen umgehen kann? Hallo?

  • Wer etwas älter ist, kann sich vielleicht noch daran erinnern, dass es früher mal Firmen und auch Konzerne gab, die ein gewisses Maß an Moral an den Tag legten!

    Leider ist diese Zeit endgültig vorbei. Es geht nur noch um den schnöden Profit, um die Aktionäre, zu meist anonym zu befriedigen!

    "Waffen töten keine Menschen, Menschen töten Menschen!"

    Wer sich diesen Spruch als sein Mantra gewählt hat, wie etwa die NRA, der Waffenlobby Verband in Amerika und die vielen Waffenproduzenten in den anderen Ländern der Welt, sollte man für jeden Menschen, der durch eine Waffe ums Leben gekommen ist Anklagen und bestrafen!

    Denn wer es ohne darüber Nachzudenken ermöglicht, dass Menschen, welche auf Grund ihrer kriminellen Intentionen, an Waffen, insbesondere an Distanzwaffen wie Schusswaffen, kommen kann, der macht sich der zumindest fahrlässigen Tötung schuldig!

    Weil aber gerade an diesen Geschäften, insbesondere am Verkauf von Kriegswaffen, der Staat mitverdient, wird s wohl niemals dazu kommen, das eines dieser Industrien jemals zur Rechenschaft gezogen wird!

    Man kann fast täglich in den Nachrichten mitverfolgen, wie die Bundesregierung Genehmigungen erteilt, Kriegswaffen in Krisenregionen zu liefern, wo Zivilisten diejenigen sind, die am schlimmsten unter diesen Waffenarsenalen zu leiden haben!

    Es werden ganz speziell Waffen an Despoten, Diktatoren und andere Autokraten geliefert, obwohl unsere Politiker wissen, dass eben mit diesen Waffen Menschen getötet werden, die nichts anderes wollen, als so wie wir, in einer friedlichen Demokratie leben zu können!

    Es ist und bleibt völlig unverständlich, dass unsere Regierung immer wieder Waffen an Länder liefert, wie z.B. die Türkei, obwohl diese damit gegen die Kurden vorgeht, denen aber in unserem Land dann, wenn sie um ihr Leben fürchten müssen, zu uns kommen und Asyl beantragen müssen!



    Das aber von jenen noch welchen das Asyl verweigert wird, obwohl eben wir eine Mitverantwortung tragen bleibt haarsträubend ungerecht!!!