Heckler & Kochs Lieferungen nach Mexiko: Kronzeuge belastet Waffenschmiede
Heckler & Koch hat wohl wissentlich eine verbotene Lieferung Waffen nach Mexiko geschickt. Das sagte nun ein Whistleblower vor Gericht aus.

Sollte auch auf 300 Metern genau treffen können: G36-Gewehr von Heckler&Koch Foto: dpa
STUTTGART taz | Beschäftigte des Rüstungsunternehmens Heckler & Koch (H&K) wussten genau darüber Bescheid, dass die Lieferung von G36-Sturmgewehren in vier mexikanische Bundesstaaten verboten war. Das bestätigte der ehemalige Mitarbeiter und Kronzeuge Robert H. am Montag vor dem Stuttgarter Landgericht.
Der 47-jährige Waffenausbilder hat mexikanische Polizisten und Soldaten an den Gewehren angelernt. Diese Trainings fanden auch in Regionen statt, in die die Schießeisen nie hätten gelangen dürfen. Zwei seiner Kollegen hätten sich in seinem Beisein in Mexiko immer wieder darum bemüht, dass der tatsächliche Verbleib der G36 nicht bekannt werde. Er selbst sei gebeten worden, seine Reisekosten nicht offiziell über die Oberndorfer Zentrale von Heckler & Koch abzurechnen.
Ausgerechnet jene Bundesstaaten, die aufgrund der bürgerkriegsähnlichen Zustände nicht beliefert werden durften, haben nach Angaben des Zeugen den größten Bedarf an den Gewehren gehabt. „Das sind die Hauptkunden, die brauchen die Geräte am dringendsten“, soll ihm demnach einer der Angeklagten gesagt haben.
Durch seine Aussage vor der Staatsanwaltschaft 2010 hat Robert H. als Whistleblower die Ermittlungen wegen der illegalen Exporte von G36 nach Mexiko erst ins Leben gerufen. Er wollte mit den kriminellen Geschäften nichts zu tun haben. Für etwa die Hälfte von 10.000 zwischen 2006 und 2009 in das Land gelieferten Sturmgewehre sollen die deutschen Exportbehörden explizit keine Genehmigungen ausgestellt haben. Fünf ehemalige H&K-Mitarbeiter müssen sich deshalb seit Mai vor dem Landgericht Stuttgart verantworten.
Man könne alles auf Mexiko schieben
Der Fall bekam besondere Bedeutung, nachdem bekannt wurde, dass Polizisten die G36 bei einem Angriff auf Studenten in Guerrero trugen, einem der Bundesstaaten ohne Genehmigung. Damals waren 6 Menschen getötet und 43 verschleppt worden. Ausgerechnet in diese Region war nach Angaben des Kronzeugen die erste Lieferung gegangen, und von dort habe man sich auch weitere Bestellungen erhofft.
Das Gericht zeigte großes Interesse am Begriff „kampfwertsteigernd“: Robert H. sollte sich darum kümmern, dass der „Kampfwert“ der Gewehre im „verbotenen“ Bundesstaat Chiapas erhöht werde. So könne ein „Ziel“ auch noch auf 300 Meter Entfernung sicher getroffen werden.
Robert H. belastete vor allem den damaligen Außenhandelsvertreter Markus B. und den Verkaufsleiter Axel H. So soll B. erklärt haben, dass ihm keine Gefahr drohe, wenn er sich an den Ausbildungen beteilige. Schließlich könne man immer sagen, die mexikanische Seite sei schuld. Für die weiteren fünf Beschuldigten auf der Anklagebank dürfte die Aussage des Kronzeugen kaum Konsequenzen haben. Axel H. ist mittlerweile gestorben, Markus B. lebt in Mexiko. Er nimmt nicht am Prozess teil und wird deshalb mit internationalem Haftbefehl gesucht.