Umstrittener Auftrag für Schutzmasken: Vorwurf Vetternwirtschaft
Über den Sohn von NRW-Ministerpräsident Laschet hat das Unternehmen van Laack einen Millionen-Auftrag bekommen. Die Aufregung ist groß.
„Auch wir hätten liefern können, auch wir haben ein Angebot eingereicht“, sagte ein Textilunternehmer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, der taz. Der auf dem Höhepunkt der ersten Coronawelle am 20. April abgeschlossene Deal mit van Laack im Wert von 38,5 Millionen Euro hinterlasse bei ihm einen „faden Beigeschmack“ – schließlich habe er außer einer automatisierten Eingangsbestätigung keinerlei Reaktion auf sein eigenes Angebot vom 14. April erhalten.
Dabei ist der Unternehmer offenbar nicht allein: Die Westdeutsche Allgemeine berichtet, die Firma B. M. Company aus Herne habe dem Land schon am 27. März freie Kapazitäten gemeldet – ein Auftrag sei aber nicht zustande gekommen. Auch SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty erklärte am späten Donnerstagnachmittag in Düsseldorf, bei ihm hätten sich weitere Unternehmen aus Wuppertal und Dortmund gemeldet, die ebenfalls erfolglos Masken und Schutzkleidung angeboten haben wollen.
Bei van Laack rief dagegen Ministerpräsident Laschet persönlich an. Bekannt geworden ist das durch die Wichtigtuerei des Firmenchefs Christian von Daniels selbst: An einem Sonntagabend, „als im Fernsehen gerade ein James-Bond-Film lief“, sei der Regierungschef am Telefon gewesen, prahlte von Daniels im Interview mit der Rheinischen Post. Zuvor habe er dessen Sohn „Joe gesagt, dass er seinem Vater meine Nummer geben kann“. Schon zwei Tage später seien Mitarbeiter der Landesregierung angereist und hätten sich die Masken seiner Firma angeschaut.
Kurzer Dienstweg
Die SPD wittert prompt „Influencer-Marketing in der Staatskanzlei“ und fordert per Kleine Anfrage Aufklärung. Auch wenn in der ersten Welle der Pandemie alle händeringend nach Masken gesucht hätten – Aufträge im Wert von fast 40 Millionen Euro seien „keine Privatsache“, findet SPD-Fraktionschef Kutschaty.
Doch Laschet, der im Kampf um den CDU-Bundesvorsitz laut Umfragen hinter Merz und Röttgen liegt, reagiert mit wüsten Angriffen: Die „Unterstellungen“ seien „schäbig und unanständig“. Sein Sohn habe uneigennützig gehandelt und ohne Lohn einen Kontakt hergestellt, während sich seine Landesregierung im Höhepunkt der ersten Coronawelle auf der Suche nach Masken verzweifelt „die Hände wund telefoniert“ habe.
Allerdings: Ohne den eigentlich vorgeschriebenen Teilnahmewettbewerb im Geschäft ist van Laack noch heute. Für 4 Millionen Euro liefert die Firma der nordrhein-westfälischen Polizei gerade 2,5 Millionen Stoffmasken. Zwar versichert das Düsseldorfer Innenministerium, van Laack sei der billigste Anbieter gewesen. Für eine ordnungsgemäße Ausschreibung reichte die Zeit aber nicht – als wäre die zweite Coronawelle unvorhersehbar über NRW gerollt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag