Umstrittene Kika-Dokumentation: Sinnliche Aufklärung
Eine Dokumentation im Kinderkanal sorgt für Empörung unter Rechten. Es muss ein Horror sein, denn es geht um die Liebe.
Manchmal ist es gut, nicht so viel zu lesen und nicht so viel zu meinen. Manchmal sollte man sich vielleicht zurücklehnen und sich 24 Minuten und 9 Sekunden Zeit nehmen, um zuzuschauen und nachzudenken, zum Beispiel darüber, was die besondere Geschichte ist von Malvina und Diaa und was sie einem sagt. In einer Zeit von Erregung und Schnelllebigkeit ist dieses Zurücklehnen, dieses Wahrnehmen vielleicht schon die besondere Herausforderung.
Malvina und Diaa lieben sich. Malvina stammt aus Deutschland und Diaa stammt aus Aleppo in Syrien. Der Kinderkanal KIKA hat die beiden Menschen begleitet und bereits im November 2017 eine Dokumentation über sie ausgestrahlt, eine einfühlsame Dokumentation über die Liebe.
Sie zeigt, wie zwei junge Menschen sich annähern, sich selbst und sich gegenseitig suchen und finden und vor allem zeigt sie, dass dies in einer Welt geschieht, die im Wandel ist. Diaa möchte nicht, dass Malvina kurze Röcke trägt und dass sie andere Männer umarmt und sie, Malvina, möchte kein Kopftuch tragen. Diaa möchte schnell heiraten. Malvina sagt: „Aber daraus wird nichts.“ Malvina sagt: „Die Gefühle, die ich für ihn habe, sind unbeschreiblich. Ich glaube, dass der Duden dafür keine Worte hat.“
Wenn Diaa spricht, lacht er und seine Augen funkeln.
Wenn Malvina spricht, lacht sie und ihre Augen funkeln.
Wenn beide miteinander sprechen, reden sie darüber, was sie sich zumuten und von einander erwarten können, so unterschiedlich, wie sie sind.
Schau in meine Welt: „Malvina, Diaa und die Liebe“, Sendung vom 26.11.2017, Kinderkanal Mediathek.
Nun sind sie zu einem Politikum geworden, über das die Bild berichtet und die halbe Welt, und außerdem die „Identitäre Bewegung“, denn ein AfD-Abgeordneter, dessen Name nichts zur Sache tut, hat sie entdeckt und er zieht eine Linie von dem jungen Paar, das sich liebt, zu dem Mord von Kandel, wo ein Jugendlicher seine jugendliche Partnerin erstochen hat, und sie war deutsche und er nicht.
Es gibt Dinge, die lassen sich lesen wie die Bestätigung von allem. So ist es auch mit einer Begebenheit, die der Kinderkanal KIKA schlecht oder jedenfalls missverständlich gelöst hat. Es geht um die banale Frage, wie alt Malvina und Diaa sind. Denn nach dem Vorfall von Kandel war es ja so, dass wiederum AfD-Politiker die Frage stellten, ob der Jugendliche überhaupt ein Jugendlicher war und nicht schon erwachsen und dass die CSU vorschlug, jugendliche Asylbewerber künftig auf ihr Alter hin zu röntgen, ehe die Ermittlungsbehörden in Kandel mitteilten, dass der Täter von Kandel ein Jugendlicher war.
Der Kinderkanal hat also nun ein Problem und zwar weil er auf seiner Webseite das Alter des jungen Syrers Diaa zunächst mit 17 angab, was sein Alter war, als er Malvina kennenlernte und nicht mit 19, was sein Alter war, als der Film entstand, und zu allem Überfluss ist Diaa nun schon wieder ein Jahr älter, also 20, und auf der Webseite steht nunmehr, er sei 19, was ja sein Alter war, als der Film entstand. Es ist dies nun das Material für eine ideologische Schlacht, der es erneut an nichts mangelt, denn ist nicht all das einmal der Beweis für all die Lügenpresse, all die verzerrten Fakten des Staatsfernsehens und für die Indoktrination von Kindern?
Es ist möglich, über all das wild zu streiten. Aber was sich wirklich lohnt, ist, sich zurückzulehnen und aus einem liebevollen, großartigen Film etwas zu lernen, der vieles erzählt über die Gegenwart und darüber, wie das Private wieder Politisch wurde. Das ist, was wir tun sollten.
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