Umstrittene Agrarreform in Indien: Angst reibt Farmer auf
Seit Monaten protestieren indische Bauern gegen Privatisierungsgesetze. Mehr als 360 sind bereits gestorben. Ein Blog will ihre Namen ehren.
Die indische Regierung will die Privatisierung im landwirtschaftlichen Sektor vorantreiben. Vor allem Kleinbäuer:innen fürchten deshalb um ihre Existenz. Sie haben sich in mehreren Protestcamps formiert, in denen sie im Wechsel leben und starten von dort aus immer wieder Aktionen.
Der Druck ist groß, bei den Bäuer:innen häufen sich offenbar Herzinfarkte und Kreislaufstillstände, das zeigt die Liste der Toten. Teilnehmer:innen der Proteste haben den Blog mit dem Titel „Human Costs of Farmersʼ Protest“ ins Netz gestellt. Dort dokumentieren sie jede:n Todesfall, der ihnen bekannt wird, damit die Landwirt:innen und ihre Unterstützer:innen nicht vergessen werden. Sie führen die Erkrankungen auf Stress zurück.
Jaspal Singh lebte im Dorf Joganand im Distrikt Bathinda. Er starb mit 52 Jahren an einem Herzinfarkt. Diese Todesursache teilen viele auf der Liste, aber auch Kreislaufstillstände sind dabei, einige Covid-19- und Dengue-Erkrankungen sowie Lungenentzündungen. Wenn die Angehörigen sich nicht selbst melden, tragen die Initiator:innen Berichte von anderen Medien zusammen.
Wenig Aufmerksamkeit
Heftig umkämpfte Regionalwahlen haben die Bäuer:innen und ihre Forderung nach Rücknahme der Privatisierungsgesetze aus den Nachrichten verdrängt. Die Blockade am Wochenende in Haryana war ein Versuch des Bauern-Komitees KMSC, die Debatte wieder auf sie zu lenken. Die indischen Medien würden gar nicht mehr über das Ausmaß der Verluste berichten, schreiben Sympathisant:innen auch unter die Liste. „Wo die großen Medienhäuser versagten, setzte sich die bescheidene Arbeit und das Engagement für die Sache einiger weniger durch“, sagt Amar Mandar, einer der Blogschreiber.
Am Dienstag dauerte der friedliche Sitzstreik von Landwirt;innen an den Protestpunkten Singhu, Tikri, Ghazipur, Shahjahanpur und Palwal 137 Tage. Und der Konflikt geht weiter. Bauernführer Rakesh Tikait droht, den Protest bis 2023 fortzusetzen, wenn nötig, doch man sei auch für Gespräche mit der Regierung offen.
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