Gegen Agrargesetze für Großkonzerne: Indiens Bauern begehren auf

Hunderttausende Landwirte protestieren. Sie fordern die Rücknahme einer Reform und einen garantierten Mindestpreis für Reis und Weizen.

Menschenmasse: Männer mit Turban und hochgestreckten Armen

Sie bekommen Zulauf: Bauernproteste am nationalen Streiktag in Neu-Delhi am 14. Dezember Foto: Manish Swarup/ap

MUMBAI TAZ In Nashik, im Westen Indiens, wo die Temperaturen noch nicht so stark heruntergegangen sind, trafen sich am Montag die Bauernvertreter:innen. Sie trommelten und sangen, schon bald wollten sie sich auf den Weg in die Hauptstadt machen.

Vor den Toren Delhis warten laut Schätzungen bereits bis zu 300.000 Bauern, manche von ihnen seit mehr als drei Wochen. Die Sicherheitsbehörden wollen sie nicht passieren lassen. Vielen Demonstranten setzen Winterkälte und akute Luftverschmutzung zu.

Es soll bereits über 40 Todesfälle, größtenteils Unterkühlungen, gegeben haben. Aber die Bauern weigern sich abzurücken, solange sie ihre Lebensgrundlage weiter durch die neuen Agrargesetze bedroht sehen. Ihre Sorge ist, dass ihnen eine Übernahme durch Großkonzerne bevorsteht.

Eine neue Bauernbewegung erhöht mit Hungerstreiks und Straßenblockaden den Druck auf die Regierung, viele kommen aus den „Kornkammerstaaten“ im Norden Indiens. Bereits fünf Verhandlungsrunden scheiterten.

Proteste gegen die Deregulierung

Die Landwirte wollen, dass alle Reformen, die Indien für die Privatisierung öffnen, zurückgezogen werden. Schlaflose Nächte haben einige von ihnen bereits seit Ende September, als die Agrargesetze unter Protest verabschiedet wurden.

Die hindunationalistische Regierung unter Narendra Modi (BJP) möchte die Landwirtschaft, die 17 Prozent zur Wirtschaftsleistung beiträgt und einer der größten Arbeitgeber im Land ist, attraktiver für Unternehmen machen.

Sie verspricht, dass sich die Situation der teilweise hoch verschuldeten Bauern verbessern werde. „Die Agrarreformen, die wir vor sechs Monaten in Angriff genommen haben, haben begonnen, den Landwirten zu nutzen“, sagt Modi.

Bislang gibt es einen garantierten Mindestpreis für Reis und Weizen. Die Bauern fürchten, dass diese Sicherheit durch die Deregulierung wegfällt, die längst nicht allen zugutekommt. In Regionen wie dem Punjab im Norden des Landes, in dem viele auf den Mindestpreis angewiesen sind, ist der Unmut umso lauter.

Kosten für Saatgut, Düngemittel und Ausfälle durch Umweltkatastrophen sind eine Belastung. Neuerungen würden guttun, doch die Reformen bleiben umstritten, auch wenn die Regierung schriftlich zusagte, dass die Mindestpreissicherung nicht wegfalle. Bei den Gesetzen will sie keinen Rückzieher machen. Das Oberste Gericht schritt nun ein und verlangte die Einrichtung einer Kommission zur Schlichtung.

Sandeep Singh von der Bauernvertretung Bhartiya Kisan Union aus Punjab hat es trotz Barrikaden an den offiziellen Protestplatz der Hauptstadt, den Jantar Mantar, geschafft. Er sieht die Gefahr, dass es der Landwirtschaft ähnlich ergehen wird wie der Eisenbahn oder den Flughäfen, die schrittweise veräußert wurden.

Nächster Schritt: Konzernboykott

Doch auch die Bauern spüren Druck. „Die Regierung versucht, die Einigkeit unter uns Landwirten aus Haryana, Punjab, Delhi und Uttar Pradesh zu sprengen, indem sie auf regionale oder auf religiöse Unterschiede setzt“, sagt er.

Einige Mainstreammedien würden zudem der Regierung helfen, Narrative zu spinnen, die sich gegen Bauern richten. Bauern, die Englisch sprechen oder Pizza essen, seien „keine richtigen Bauern“. Es kursieren zudem Gerüchte, die Bauern aus Punjab würden einen eigenen Staat fordern – oder sie seien von China gekauft.

Die Öffentlichkeit fälle jedoch nicht auf diese Lügen herein, so Singh. „Wir bekommen große Unterstützung aus dem ganzen Land.“ Sie mobilisierten bereits zu einem Generalstreik, den landesweit Gewerkschaften unterstützten. Der nächste Schritt ist der Aufruf zum Boykott der indischen Konzernriesen Ambani und Adani, die sich zunehmend für den Bereich Landwirtschaft interessieren.

Viele fürchten, sie könnten künftig die Regeln diktieren, wenn staatliche Großmärkte mit ihren Garantiepreisen als Zwischenschritt wegfallen. Deshalb geht der Protest unabhängig von der Coronalage weiter. „Wir stellen uns darauf ein, dass es sich hinziehen wird“, sagt Jassi Sangha, die Tochter eines Landwirts.

Vor Ort organisiert die 32-Jährige eine Zeitung, die die Bauern an den Grenzübergängen mit Informationen versorgt. Kraft gibt ihnen auch die Unterstützung, die sie erreicht: Lebensmittel und wärmende Kleidung aus der Hauptstadt. In ein paar Tagen sollen auch diese Bauern zu denen aus Maharashtra stoßen.

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