Umsetzung des Cannabisgesetzes: Kiffer-Kontrollen noch ungeregelt
Straffrei gekifft werden darf nur unter Bedingungen. Nun beschäftigt die Bundesländer, wer kontrolliert und welche Bußgelder verhängt werden.
Hamburg orientiert sich damit im Wesentlichen an der Vorlage Bayerns, das als erstes Bundesland mit so hohen Strafandrohungen vorgeprescht war. In Niedersachsen, Bremen und Schleswig-Holstein brütet man noch über den eigenen Bußgeld-Katalogen.
Als „vielleicht an der ein oder anderen Stelle ein wenig überzogen“ hatte Niedersachsens Regierungssprecherin Anke Pörksen die bayerische Vorlage in der Landespressekonferenz vor zwei Wochen noch bezeichnet. „Ich weiß nicht, ob ein Bußgeld von 1.000 Euro bei einem Erstvergehen und einer vergleichsweise kleinen Ordnungswidrigkeit von den Gerichten mitgetragen würde – das wird man sehen.“
Pörksen bemüht sich auch darum, das Thema ein wenig tiefer zu hängen: Erst einmal sei man ja ohnehin noch in einer Phase, in der von der Polizei und den Ordnungsbehörden Verwarnungen ausgesprochen werden. Und bei hartnäckigen Verstößen könne man selbstverständlich auch jetzt schon Bußgelder verhängen – das geht auch ohne extra Katalog, obwohl es natürlich wünschenswert sei, zu einer halbwegs einheitlichen Regelung zu kommen.
Entsprechende Verordnung erlassen
Die kommunalen Spitzenverbände in Niedersachsen drängen auch aus anderen Gründen auf eine klare Regelung. Sie wollen wissen, wer für welche Kontrollen zuständig sein soll – und nach Möglichkeit auch für den zusätzlichen Aufwand entschädigt wird. So äußerten sich jedenfalls der Geschäftsführer des Niedersächsischen Städtetages, Jan Arning, und Oberbürgermeister Claudio Griese aus Hameln, der aktuell der Oberbürgermeisterkonferenz des Städtetages vorsteht.
Um die Ordnungsdienste der Kommunen in die Kontrollen einzubinden, müsste das Land allerdings erst einmal eine entsprechende Verordnung erlassen. Nordrhein-Westfalen hat das schon getan – und seinen Kommunen in diesem Zuge auch vage einen finanziellen Ausgleich in Aussicht gestellt. Darum, wie dieser Ausgleich denn wohl aussehen könnte, wird aber noch gefeilscht.
Der Aufwand ist ja auch nicht ganz leicht zu beziffern, nicht nur weil es an Erfahrungswerten fehlt, sondern auch weil der tatsächliche Aufwand ja auch daran hängt, wie eifrig man kontrolliert. Großangelegte Schwerpunktkontrollen sind mit dem vorhandenen Personal nicht zu stemmen, mahnen sowohl Kommunen als auch Polizei-Gewerkschaften bundesweit.
Üppiger Verwaltungsprozess nötig
Am Ende wird es vermutlich eher auf Stichproben und anlassbezogene Kontrollen hinauslaufen – wie etwa beim Nichtraucherschutzgesetz oder den Coronaregeln auch. Aber auch dafür müssen die Streifen erst einmal ausgestattet werden – mit Feinwaagen zum Beispiel, um festzustellen, ob sich die mitgeführte Menge noch im erlaubten Bereich bewegt oder eben nicht.
Noch komplizierter wird es bei der Kontrolle der Anbauvereinigungen, die ab 1. Juli zugelassen werden sollen. Sie gehören zu dem Versuch, dem Schwarzmarkt ein Stück weit das Wasser abzugraben, um nicht die schlechten Erfahrungen der Niederlande zu wiederholen, die zwar den Konsum legalisiert, aber Anbau und Handel kriminellen Banden überlassen haben.
Für die Zulassung und Kontrolle der Anbauvereinigungen ist allerdings ein üppiger Verwaltungsprozess nötig. Der Anbau muss vor der Aussaat beantragt werden, die Zuverlässigkeit der Antragssteller muss überprüft werden, die – bis zu 500 Leute umfassenden – Mitgliederlisten theoretisch auch.
Landwirtschaftskammer oder Gesundheitsbehörde?
Pro Mitglied dürfen 50 Gramm im Monat abgegeben werden, aber nur mit Beipackzettel. Bei Mitgliedern im Alter zwischen 18 und 21 Jahren sind es 30 Gramm im Monat – hier muss auch der THC-Gehalt auf 10 Prozent beschränkt werden. Vom Anbau über die Ernte bis zur Abgabe muss alles dokumentiert werden.
In Niedersachsen sieht man diese Aufgabe aktuell bei der Landwirtschaftskammer, die kennt sich mit Anbau und Bürokratie schließlich aus. Bremen hat diese Zuständigkeit erst einmal der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz zugeordnet, Schleswig-Holstein und Hamburg haben sich dazu noch nicht klar geäußert.
Bayern arbeitet mit Task Force
Die genauen Verfahren sind überall noch in Arbeit, immerhin müssen ja auch insgesamt eine ganze Reihe von Ministerien beteiligt werden: das Gesundheits- und Sozialministerium für die im Gesetz festgeschriebenen Präventionsaufgaben, das Innenministerium beim Sicherheitsaspekt, das Landwirtschaftsministerium, der Verbraucherschutz.
Bayern hat schon im März – noch bevor das Gesetz beschlossen und in Kraft war – angekündigt, eine mindestens 20-köpfige Task Force einsetzen zu wollen, deren Aufgabe wohl vor allem darin bestehen soll, alle bürokratischen Kontroll- und Verbotsmöglichkeiten des Gesetzes bis zum Anschlag auszunutzen. Daran hat sich Hamburg bisher kein Beispiel genommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin