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Umsetzung Ehe für alleComputer sagt nein

LGBTI-Paare werden wie Heterosexuelle eingetragen, weil die Behördensoftware veraltet ist. Die Technik ist der Gesellschaft nicht immer voraus.

Die Fahnen hängen schon, das Update der Software kommt dann nächstes Jahr Foto: dpa

Ab dem 2. Oktober tritt die Ehe für alle in Kraft, aber das weiß die Software des Standesamtes Tempelhof-Schöneberg in Berlin noch nicht. Sie ist nämlich noch ziemlich heteronormativ: Die Paare, die heiraten möchten, kann die Software nämlich nur als Mann und Frau erfassen.

Damit die LGBTI-Paare von ihrem Eherecht Gebrauch machen können, müssen sie sich also mit einem Geschlecht eintragen lassen, mit dem sie sich möglicherweise nicht identifizieren. Und das werden nur wenige wollen. Denn bei der Ehe für alle geht es schließlich in erster Linie darum, dass das Eherecht nicht mehr davon abhängt, wer wir sind und wen wir lieben. So wirklich in Kraft treten kann die Ehe für alle unter diesen Voraussetzungen also nicht.

Die Software soll erst im Herbst 2018 aktualisiert werden. Das heißt, dass einige Berliner Paare noch ein ganzes Jahr auf ihre Gleichberechtigung warten müssen, nachdem sie glaubten, sie endlich erreicht zu haben. Ob der Termin bundesweit gilt, steht nicht fest, weil Standesämter lokal verwaltet werden.

Selbst wenn – eine absolute Gleichberechtigung hängt unter anderem davon ab, wie die Software aktualisiert wird. Es gibt nämlich nicht nur die beiden Geschlechter „Mann“ und „Frau“, sondern mehr: Menschen, die sich manchmal als Frau und manchmal als Mann wahrnehmen, oder Personen, die sich weder als Frau noch als Mann identifizieren.

Der Zwang, sich als das eine oder das andere definieren zu müssen, ist heterosexistisch und diskriminierend. Und insofern können wir auch erst dann von Gleichberechtigung sprechen, wenn bei der Re­gis­trierung auch diese Tat­sache berücksichtigt wird.

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3 Kommentare

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  • Der Wahlleiter sagt auch Nein: Einen Wahlbogen ohne Geschlechtszuweisung erhalten Sie nicht!

    Bald kommt wieder eine große StimmAbgabe auf uns zu - und in manchen Wahllokalen werden Wahlstatistiken erhoben. Zu diesem Zweck bekommt mensch ungefragt einen gekennzeichneten Wahlbogen: nach Altersgruppe und Geschlecht gekennzeichnet. Wer einen geschlechtsneutralen, nicht diskriminierenden gekennzeichneten Bogen will hat verloren - und das bis hinauf zum Landeswahlleiter. Eine Wahl in einem anderen Lokal - ohne gekennzeichnete Bögen - ist auch nicht möglich. Und wer an einen Lottogewinn glaubt, ist mit der wahlstatistischen Erhebung auch auf der richtigen Seite: die Lokale, die "durch Zufall" ausgewählt werden, sind mitunter 7 Wahlen hintereinander die gleichen.

    Viel Spass bei den allgemeinen und geheimen Wahlen im September!

  • Ob das Gesetz in Kraft tritt, hängt doch nicht von der Software ab. Oder habe ich was verpasst und wir haben uns vom Rechtsstaat zum Softwarestaat entwickelt?

     

    Außerdem dient die Software der Meldebehörden nicht dazu, individuelle Identitätskonzepte abzubilden. Das gilt für die anderen Informationen, die die Software speichert, genauso.

  • Steht ja sogar im Grundgesetz: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich".

     

    Warum man da überhaupt vor dem Gesetz Menschen als Mann oder Frau erfassen muss, erschließt sich nicht wirklich.