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Umgang mit Presse beim Lübcke-ProzessDegradierte Öffentlichkeit

Konrad Litschko
Kommentar von Konrad Litschko

Das Interesse am Lübcke-Prozess ist groß, doch wegen Corona wurden nur 19 JournalistInnen in den Verhandlungssaal gelassen. Das ist keine Lappalie.

Kleiner Verhandlungssaal statt einer Halle: Nur 19 JournalistInnen wurden zum Prozess zugelassen Foto: Jan Huebner/imago

S eit Wochen wurde darauf gewartet: Die Verhandlung über den Mord an Walter Lübcke, dem Kasseler Regierungspräsidenten. Die offenbar erste Ermordung eines Berufspolitikers durch einen Rechtsextremisten im Nachkriegsdeutschland. 200 JournalistIn­nen hatten sich akkreditiert. Doch wegen Corona wurden nur 19 JournalistInnen (und 18 BesucherInnen) in den Verhandlungssaal des Oberlandesgerichts (OLG) in Frankfurt am Main gelassen.

Die Vorgabe: Wer zuerst kommt, bekommt den Platz. Schon ab dem Vorabend kampierten JournalistInnen vor dem Gericht im Nieselregen, Stunden über Stunden. Manche ließen sich ablösen, andere machten durch. Wer es in den Saal schaffte, war hundemüde und wurde drinnen weiter gegängelt. Laptops waren verboten, nur Block und Stift erlaubt. Verhandelt wurde bis in den Nachmittag, für einige bis ran an den Redaktionsschluss. Am Ende blieben übernächtigte, runtergehastete Texte. Und am Donnerstag, dem zweiten Verhandlungstag, wiederholten sich die Szenen.

Die Karikatur eines grundlegenden Prinzips der Justiz in diesem Land: des Öffentlichkeitsgrundsatzes. Gerichtsverhandlungen sollen nicht hinter verschlossenen Türen, sondern unter den Augen und der Kontrolle der Öffentlichkeit stattfinden. Es ist also keine Lappalie, die sich das OLG da erlaubt hat. Es ist die Geringschätzung eines Rechtsstaatsprinzips.

Ausgerechnet in diesem Prozess. Hat das Gericht die Dimension des Verfahrens nicht erfasst? Seine politische Tragweite, trotz eines getöteten Politikers in Zeiten von entfesseltem Rechtsterrorismus? Es ist die Aufgabe der Öffentlichkeit, gerade in diesem Fall genau hinzuschauen, um die Radikalisierung des Täters nachzuvollziehen, die Arbeit der Ermittler und Verfassungsschützer – und deren Leerstellen. Berichterstattung ist nötig, um eine öffentliche Debatte zu ermöglichen.

Dass die Corona-Pandemie Beschränkungen nötig macht, ist unbestritten. Dass das Gericht aber keine andere Wahl hatte, diese umzusetzen, ist abwegig. Andere Prozesse wurden zuletzt in Messehallen oder Theatersäle verlegt – aber gerade im Lübcke-Prozess ging das nicht? Die angeführten Sicherheitsbedenken hätten, mit entsprechenden Konzepten, auch dort ausgeräumt werden können.

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Dass dies nicht geschah, verstärkt den Eindruck, dass das Gericht die Öffentlichkeit herzlich wenig interessiert. Dass es unter sich bleiben will. Und damit ist es nicht allein. Auch in Hamburg wurden Prozesse zuletzt mit nicht mal einer Handvoll JournalistInnen durchgeführt. Das ist eine selbstgefällige Degradierung der Öffentlichkeit – und ihrer Kontrollfunktion. Eine nicht zu duldende Entwicklung.

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Konrad Litschko
Redaktion Inland
Seit 2010 bei der taz, erst im Berlin Ressort, ab 2014 Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Studium der Publizistik und Soziologie. Mitautor der Bücher "Staatsgewalt" (2023), "Fehlender Mindestabstand" (2021), "Extreme Sicherheit" (2019) und „Bürgerland Brandenburg" (2009).
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11 Kommentare

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  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Nur 19 zugelassene Journalisten im Saal - Öffentlichkeit ausgeschlossen! Wow

  • Schon mit Beginn des Walter Lübcke Mordprozesses scheint das OLG Frankfurt/Main darauf versessen zu sein, eine Strecke von Revisionsgründen zu legen, fehlende Öffentlichkeit durch mangelndes OLG Management, diese, entsprechend Nachfrage akkreditierter Journalisten, Publikum, zu sichern, Ablehnung von Video Übertragung, um den Prozess siehe NSU Prozess auf die lange Bank zu schieben. Hat das nicht ein politisches Geschmäckle im Bundesland Hessen, in dem es rechtsbündische Netzwerke gibt bis hinein in die Polizei, Verfassungsschutz?

  • "Verhandelt wurde bis in den Nachmittag, für einige bis ran an den Redaktionsschluss."

    Fürchterlich. Das Gericht arbeitet.

    Hier scheint jemand etwas zu verwechseln. Gerichte sind dazu da, Recht zu sprechen. Es ist nicht ihre Aufgabe, es Journalisten besonders bequem zu machen.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      genau: Öffentlichkeit ist nicht mehr ein physischer Vorgang, sondern ein medialer; und das geht auch bei einer geringeren Zahl von JournalistInnen vor Ort. Auch macht es keinen Sinn, wenn tägliche Meldungen kommen - etwas durchdachter ich einer gewesen Zeit ist sinnvoller.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      "Die Vorgabe: Wer zuerst kommt, bekommt den Platz. Schon ab dem Vorabend kampierten JournalistInnen vor dem Gericht im Nieselregen, Stunden über Stunden. Manche ließen sich ablösen, andere machten durch. Wer es in den Saal schaffte, war hundemüde und wurde drinnen weiter gegängelt. Laptops waren verboten, nur Block und Stift erlaubt. "

      Haben Sie das auch gelesen?

      Klingt nicht bequem, oder? Klingt eher nach: Uns doch egal.

      Und: Ausdruck der Geringschätzung der Presse. Und das bei diesem Prozess.

      Und wo ist LOWANDORDER?

      • @Jim Hawkins:

        " Doch wegen Corona wurden nur 19 JournalistInnen (und 18 BesucherInnen) in den Verhandlungssaal des Oberlandesgerichts (OLG) in Frankfurt am Main gelassen."

        Mehr Platz ist in Corona Zeiten nicht. Und etwas über die Hälfte ist für die Presse. Diese Plätze könnte man etwas intelligenter vergeben (losen?). Das ist aber auch schon alles, was zu beanstanden ist. Die Richter sind bemüht, den Prozess voran zu bringen. Das ist wichtig, damit es nicht wieder so eine endlose Farce gibt, wie beim Prozess gegen Tschäpe und Co. Dabei sollte es keine Rolle spielen, wo wann Redaktionsschluss ist. Nebenbei geht das so und so nicht, weil immer irgendwo gerade Redaktionsschluss ist.

        Hier jammert also jemand auf sehr, sehr hohem Niveau.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Vouloir, c'est pouvoir:

          "Dass das Gericht aber keine andere Wahl hatte, diese umzusetzen, ist abwegig. Andere Prozesse wurden zuletzt in Messehallen oder Theatersäle verlegt – aber gerade im Lübcke-Prozess ging das nicht?"

          • @Jim Hawkins:

            Das NSU Verfahren war und wird eine Ausnahme sein. Bitte nicht jeden Prozess daran messen. Hier sind heikle Aussagen des Angeklagten zu prüfen, das geht nicht so spektakulär!

          • @Jim Hawkins:

            Es würde zumindest wesentlich teurer. Und es besteht die Möglichkeit, dass die Verteidiger draus neue Verzögerungsmöglichkeiten konstruieren.

            Die Frage ist doch, ob es ein Informationsdefizit gibt. Sind 19 Journalisten nicht in der Lage, die Öffentlichkeit ausreichend und aus verschiedenen Blickwinkeln zu informieren? Dann wäre die Pressefreiheit eingeschränkt. Ist sie aber nicht. Die Berichterstattung ist völlig angemessen.

            Interessant wird es, wenn es darum geht, was die Behörden im Vorfeld hätten tun können. Ich vermute, dass die zuständigen Behörden wieder mauern werden. Aber dagegen würden auch 10.000 Journalisten im Saal nichts nützen. Das Problem liegt wo anders.

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              Wahrscheinlich haben Sie recht und die Pressefritzen stellen sich nur wieder mal an (unbeabsichtigtes Wortspiel).

      • @Jim Hawkins:

        Wünscht sich machbar anderes.

        unterm——-



        (Ist im übrigen aber befangen.)