Umgang der CDU mit AfD: Das Loch in der Brandmauer

Friedrich Merz schließt Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene mit AfD nicht aus. Einige Parteikollegen widersprechen. Dann rudert er zurück.

Merz schaut zur Seite

Wo brennt's, Herr Merz? Foto: Christoph Soeder/dpa

Der Widerspruch kam schnell. Er war klar und massiv. Und öffentlich. Kaum hatte sich herumgesprochen, dass CDU-Chef Friedrich Merz im ZDF-Sommerinterview eine Zusammenarbeit mit der AfD auf der kommunalen Ebene nicht mehr ausgeschlossen hatte, poppten sie auf: Stellungnahmen von CDU-Politiker*innen, die sich von der Äußerung ihres Parteichef distanzierten. Mitglieder im Bundesvorstand posteten ihren Widerspruch in den sozialen Netzwerken ebenso wie einige Ministerpräsidenten, Landeschefs waren dabei und Kommunalpolitiker*innen.

Die CDU war in Aufruhr – und ein Teil der Partei stellte sich öffentlich gegen ihren Chef. Das kommt nicht alle Tage vor. Und zeigt, wie nervös die CDU die Auseinandersetzung mit der AfD macht.

Merz hatte im Interview noch einmal wiederholt, dass die CDU mit der AfD nicht zusammenarbeiten werde. Das entspricht einem Parteitagsbeschluss der CDU. Dann beschränkte er dies aber auf „gesetzgebende Körperschaften“ – also auf die Bundes- und Landesebene sowie das europäische Parlament. Damit waren die Kommunen raus. Wenn in Thüringen ein Landrat oder in Sachsen-Anhalt ein Bürgermeister von der AfD gewählt worden sei, dann seien das demokratische Wahlen, das habe man zu akzeptieren, sagte Merz. Und weiter: „Und natürlich muss in den Kommunalparlamenten dann auch nach Wegen gesucht werden, wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet.“

Komplizierter, sich von der AfD abzugrenzen

Möglicherweise hat der CDU-Chef damit versucht, ein Problem aus dem Weg zu räumen, das auf die CDU zurollt. Angesichts der hohen Zustimmungsraten besonders in den ostdeutschen Bundesländern wird es immer komplizierter, sich vor Ort klar von der AfD abzugrenzen. Und immer wieder werden Fälle der Zusammenarbeit bekannt. Im Interview herausgekommen aber ist eine Art Freibrief für die Zusammenarbeit in den Kommunen.

Dabei hat die CDU klare Regeln für den Umgang mit der AfD. Der Bundesparteitag fasste bereits 2018 einen Unvereinbarkeitsbeschluss. Die CDU lehne „Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit“ mit der AfD ab, hieß es damals.

Im Juni 2019, nachdem ein Rechtsextremist den Kasseler Regierungspräsidenten und CDU-Politiker Walter Lübcke ermordet hatte, bekräftigte der Bundesvorstand der Partei: „Jeder, der in der CDU für eine Annäherung oder gar Zusammenarbeit mit der AfD plädiert, muss wissen, dass er sich einer Partei annähert, die rechtsextremes Gedankengut, Antisemitismus und Rassismus in ihren Reihen bewusst duldet.“ Die Partei lehne jegliche Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit ab. „Die CDU wird alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, diesen Beschluss durchzusetzen.“

Andere CDUler wollen nicht mit AfD kooperieren

Nach der Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich im Februar 2020 zum Kurzzeit-Ministerpräsidenten Thüringens legte das CDU-Präsidium noch einmal nach: Es dürfe „weder in direkter, noch in indirekter Form“ eine Zusammenarbeit mit der AfD geben, hieß es damals.

Von „gesetzgebenden Körperschaften“ ist nirgendwo die Rede. Missachtet Merz also die Beschlüsse der Partei? Und was bringen diese, wenn der Vorsitzende sich darüber hinwegsetzt? Dieser Frage dürften sich manche in der CDU gestellt haben.

„Keine Zusammenarbeit mit der AfD heißt: keine Zusammenarbeit mit der AfD. Auf keiner Ebene. Ganz einfach. Jetzt nicht und auch in Zukunft nicht“, schrieb etwa die Bundestagsabgeordnete Serap Güler, die auch Mitglied im CDU-Bundesvorstand ist, auf Twitter. Und weiter: „Das ist die Beschlusslage der CDU Deutschlands.“ Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen betonte, seine Partei habe ein Kooperationsverbot mit der AfD beschlossen.

„Jeder, der das ändern will, muss dafür auf einem Bundesparteitag der CDU eine Mehrheit finden.“ Yvonne Magwas, die Vizepräsidentin des Bundestags aus Sachsen, twitterte: „Ob Ortschaftsrat oder Bundestag, rechtsradikal bleibt rechtsradikal. Für Christdemokraten sind Rechtsradikale immer Feindbild.“

Söder lässt Chance zur Profilierung nicht aus

Viele, die sich sofort äußerten, gehören wie Güler, Röttgen und Magwas zum liberalen Flügel der Partei, der schon immer kritisch auf Merz blickt. Für Kai Wegner, Regierender Bürgermeister aus Berlin, gilt das nicht. Aber auch er meldete sich umgehend: „Die AfD kennt nur Dagegen und Spaltung“, schrieb er auf Twitter. „Wo soll es da Zusammenarbeit geben?“ Die CDU könne „nicht mit einer Partei zusammenarbeiten, deren Geschäftsmodell Hass, Spaltung und Ausgrenzung ist“.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ließ die Chance zur Profilierung gegen den CDU-Chef nicht aus. Seine Partei lehne jede Zusammenarbeit mit der AfD ab, „egal auf welcher politischen Ebene“, schrieb er auf Twitter. Die AfD sei „demokratiefeindlich, rechtsextrem und spaltet unsere Gesellschaft“.

Aus einer CSU-Vorstandssitzung sickerte am Montag in München – wohl kaum gegen Söders Willen – noch eine Äußerung von ihm heraus: „Wir machen keine Rechtsaußen-Schlenker im Ton wegen ein oder zwei Prozent. Ich bin nicht bereit, den Anstand und das Gewissen der CSU zu riskieren.“ Daran kann man mit Blick auf den aktuellen Landtagswahlkampf allerdings Zweifel haben.

AfD freut sich über Aufmerksamkeit

Merz bekam aber auch öffentlichen Zuspruch: „Die Beschlusslage der CDU entstand in einer Zeit, wo an die heutigen Mehrheiten im Landkreis oder im Rathaus nicht zu denken war“, schrieb etwa die Bundestagsabgeordnete Jana Schimke aus Brandenburg auf Twitter. „Rückgängig machen lässt sich das bekanntlich nicht.“

Die AfD, die dank Merz wieder einmal großes Thema war, freute sich. „Nun fallen erste Steine aus der schwarz-grünen Brandmauer“, twitterte AfD-Bundeschef Tino Chrupalla. „In Ländern und Bund werden wir die Mauer gemeinsam niederreißen.“

Einige Stunden dauerte es, bis die CDU-Zentrale auf das Debakel reagierte, das der Parteichef angerichtet hatte. Gegen Mitternacht versuchte der neue Generalsekretär Carsten Linnemann Merz’ Äußerungen umzubiegen. Am Morgen – und zahlreiche Äußerungen später – trat Merz via Twitter dann selbst den Rückzug an: „Um es noch einmal klarzustellen, und ich habe es nie anders gesagt“, schrieb er. „Die Beschlusslage der CDU gilt. Es wird auch auf der kommunalen Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben.“ Nur hatte er dies im ZDF so eben nicht gesagt.

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