Untersuchungsausschuss zum Lübcke-Mord: Stilfragen statt echter Aufklärung

Der Hessische Landtag debattiert den Abschlussbericht des Lübcke-Untersuchungsausschusses. Die Opposition wirft der CDU schwere Versäumnisse vor.

Walter Lübcke

Walter Lübcke, 2012 Foto: Uwe Zucchi/dpa

WIESBADEN taz | Der Hessische Landtag hat am Mittwoch die Ergebnisse der parlamentarischen Untersuchung des Mords am CDU-Kommunalpolitiker Walter Lübcke debattiert. Heftig gestritten wurde dabei um Verfahrens- und Stilfragen, nachdem die Regierungsfraktionen CDU und Grüne nicht den Entwurf des gewählten Berichterstatters Gerald Kummer (SPD), sondern einen eigenen Text zur Grundlage des Abschlussberichts gemacht hatten.

Der so düpierte Kummer machte seinem Ärger nun Luft: Er habe nach bestem Wissen und Gewissen einen 500 Seiten umfassenden Bericht erstellt, um dann zu erleben, dass die Ausschussmehrheit von CDU und Grünen diesen schlicht ignoriere. Auf Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge sei er eingestellt gewesen, aber niemand habe dargelegt, dass sein Bericht „derart fehlerhaft“ sei, dass er „mit Füßen“ getreten werden müsste.

In seinem Bericht, den SPD und FDP mit leichten Korrekturen als Minderheitenvotum zu Protokoll gegeben haben, werden Fehler und Versäumnisse der Behörden im Umgang mit Informationen aufgelistet. Das Bild, das die Zeugen über die Funktionsfähigkeit ihrer Behörden gezeichnet hätten, habe ihn „erschrocken“, erklärte Kummer.

Einzelne Fehler räumen auch CDU und Grüne ein, allerdings habe es keine strukturellen Mängel und erst recht keine Fehler ehemaliger oder amtierender CDU-Innenminister gegeben, betonte Unions-Obmann Holger Bellino. Der Mord an Walter Lübcke im Juni 2019 in Wolfhagen bei Kassel sei nicht zu verhindern gewesen. In der Zeit davor habe es keine rechtliche Grundlage für eine Observierung oder Telefon­überwachung des vorbestraften rechtsextremen Täters gegeben, so Bellino.

Harte Kritik an Innenminister Beuth

Dem widersprach der Linken-Abgeordnete Torsten Felstehausen. Polizei und Verfassungsschutz hätten auch nach der Selbstenttarnung des rechtsterroristischen NSU keinen Zugang zur rechten Szene in Nordhessen gefunden. Zeitweise habe sich die Aufklärung rechter Strukturen offenbar in „professionellem Zeitungslesen“ erschöpft.

Nach Lübckes Auftritt bei der Bürgerversammlung in Lohfelden im Oktober 2015, bei dem er für eine menschenfreundliche Asylpolitik eingetreten war, sei der CDU-Politiker mit der Hasskampagne im Netz allein gelassen worden, kritisierte Felstehausen. Trotz Morddrohungen im Netz sei nicht ein einziges Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Der Abgeordnete macht Innenminister Peter Beuth (CDU) verantwortlich: „Er müsste zurücktreten, aber wegen der Ein-Stimmen-Mehrheit im Landtag lässt man ihn nicht fallen.“

Der FDP-Abgeordnete Matthias Büger nannte es „traurig“, dass weder die ehemaligen Innenminister und späteren Ministerpräsidenten Volker Bouffier und Boris Rhein (beide CDU) noch der amtierende Ressortchef Beuth die Kraft gefunden hätten, sich bei Lübckes Angehörigen für Fehler der Behörden zu entschuldigen. SPD-Fraktionschef Günter Rudolph ergänzte: „Die politische Verantwortung für die Versäumnisse tragen die drei Herren!“

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