Ukrainischer Journalist in Russland: Pazifist in Kriegsgefangenschaft
Maxim Butkewitsch engagierte sich in der Ukraine für Geflüchtete und gegen Nazis. Seit dem Angriffskrieg wird er in Russland festgehalten und verleumdet.
Maxim Butkewitsch, ukrainischer Journalist, Menschenrechtler und Flüchtlingsaktivist, ist in russische Kriegsgefangenschaft geraten. Auf einem Video der russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti berichtet Butkewitsch, offensichtlich in Handschellen, dass er sich mit seiner Einheit ergeben habe, weil man sonst getötet worden wäre. Inzwischen bestätigen auch ukrainische Militärs und die Mutter des Aktivisten die Gefangennahme, die am 25. Juni erfolgt sei.
In der Ukraine ist Butkewitsch wegen seiner Arbeit für Flüchtlinge, Minderheiten und gegen Rechtsradikale eine bekannte Persönlichkeit. Für Fliehende aus Afghanistan, Usbekistan und afrikanischen Ländern ist er die erste Adresse.
Die von ihm mit gegründete Organisation „Zmina“ hat regelmäßig Gewalt von Rechtsradikalen dokumentiert. Jedes Jahr moderiert er das Internationale Dokumentarfilmfestival für Menschenrechte „Docudays UA“.
Für viele seiner Weggefährten völlig überraschend hatte sich der Pazifist und Antimilitarist kurz nach dem Beginn des russischen Angriffs am 24. Februar freiwillig bei der ukrainischen Armee gemeldet.
Als rechtsradikaler Nazi verunglimpft
In Russland wird Butkewitsch als rechtsradikaler russophober Nazi verunglimpft. „Der ukrainische Nationalist und radikale Propagandist Butkewitsch“, so das russische Portal sevastpol.su, sei „aktiver Unterstützer des verfassungsfeindlichen Putsches in Kiew im Februar 2014“ gewesen, habe öffentlich zum Sturz des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko aufgerufen und versucht, einen Bürgerkrieg in Kasachstan anzuzetteln. Jubel verbreitet auch der Nachrichtendienst „Nachrichten von Noworossija“ über „den wertvollen Fang“ des „bekannten Propagandisten“, der sich „als Menschenrechtler ausgegeben hatte“.
Es sei doch klar, dass ihr Sohn weder mit nazistischem Gedankengut noch mit Russenhass etwas zu tun habe, zitiert demgegenüber in der Ukraine das von Butkewitsch mit gegründete Hromadske Radio seine Mutter. Nun gelte es, dies auch zu sagen. Eine Frau, die das sagt, ist die russische Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina, Leiterin des russlandweiten Beratungsnetzwerkes „Migration und Recht“, die für ihre Flüchtlingsarbeit 2016 mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet wurde.
In einem Schreiben an die russische Menschenrechtsbeauftragte Tatjana Moskalkowa bestätigt Gannuschkina, dass sie mit Butkewitsch, der in der Ukraine das Projekt „No borders“ zur Unterstützung von Flüchtlingen koordiniert, seit Jahren zusammenarbeite. Obwohl er des Englischen mächtig sei, habe er auf Konferenzen immer russisch gesprochen, habe sich gegen Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit eingesetzt.
„Ich hoffe, dass Frau Moskalkowa sich dafür einsetzt, dass Maxim Butkewitsch im Rahmen eines Gefangenenaustausches freikommt“, so Gannuschkina zur taz. Sie wisse von Kollegen aus der Menschenrechtsszene, dass Butkewitsch im Gebiet Luhansk festgehalten werde.
Laut offiziellen Angaben 7.000 Kriegsgefangene in Russland
Offiziellen russischen Angaben zufolge befinden sich derzeit in Russland 7.000 ukrainische Kriegsgefangene. Demgegenüber spricht die stellvertretende ukrainische Premierministerin Irina Wereschtschuk von 2.000 ukrainischen Kriegsgefangenen in Russland.
Die Ukraine selbst macht derzeit keine Angaben dazu, wie viele Kriegsgefangene aus Russland und den „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk sie selbst hält. Im April hatte Wereschtschuk von 700 gesprochen. Kürzlich hat die stellvertretende ukrainische Justizministerin Elena Wysozka ein Lager für Kriegsgefangene der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Ort dieses Lagers wird von den ukrainischen Behörden jedoch geheim gehalten.
Auch Russland macht keine Angaben zu den Orten, an denen sich ukrainische Kriegsgefangene befinden. Ein Korrespondent von Radio Liberty berichtet, die ukrainischen Kriegsgefangenen in Russland hätten bisher keinen Kontakt zu ihren Angehörigen aufnehmen dürfen. Sie würden in feuchten Kellern festgehalten. Vielfach erhielten sie nicht einmal eine warme Mahlzeit am Tag. Und so seien es russische Menschenrechtsgruppen, die sich um die Gefangenen kümmern und mit deren Angehörigen in Verbindung stehen.
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