Pazifist in russischer Gefangenschaft: Erinnerungen an den Stalinismus

Der ukrainische Menschenrechtler Maxim Butkewytsch ist in Kriegsgefangenschaft. Sein Aufenthaltsort ist unbekannt, Briefe an ihn kommen zurück.

Der ukrainische Aktivist und Menschenrechtler Maxim Butkewytsch

Der ukrainische Aktivist und Menschenrechtler Maxim Butkewytsch Foto: Twitter / X

Moskau taz | Seit Ende August ist der Aufenthaltsort von Maxim Butkewitsch unbekannt. Weder seine Eltern, noch der Anwalt des im März 2023 im russisch besetzten Luhansk zu einer Haftstrafe von dreizehn Jahren verurteilten ukrainischen Menschenrechtlers haben trotz eingängiger Bemühungen seither eine Nachricht über dessen Verbleib erhalten.

Kreml-Pressesprecher Dmitrij Peskow behauptete am Freitag, dass dies rechtens sei. Die Strafvollzugsbehörde sei nicht verpflichtet, auf Anfragen über den Aufenthaltsort von zu langjährigen Haftstrafen Verurteilten zu antworten, erklärte Peskow bei einer Pressekonferenz auf Nachhaken eines Journalisten der BBC.

Als Pazifist an die Front

Butkewytsch, der früher als Journalist selbst eine Zeit lang für die BBC tätig war, hatte sich trotz seiner pazifistischen Überzeugungen nach Beginn des großangelegten Angriffs Russlands auf die Ukraine im vergangenen Februar entschlossen, in den Reihen der ukrainischen Armee zu kämpfen. Doch bereits kurz nachdem er Mitte Juni an die Front versetzt worden war, geriet er in russische Kriegsgefangenschaft.

Die Fabel der Anklage gegen den 46 Jahre alten ukrainischen Armeeangehörigen lautete, er solle am 4. Juni 2022 in der Stadt Sjewjerodonezk auf ein Wohnhaus geschossen haben, in dem sich mehrere Personen befunden hätten. Schlüssige Beweise gibt es dafür keine, lediglich ein Geständnis, von dem angenommen werden darf, dass es unter Druck zustande kam. Vielleicht sogar unter physischer Gewalteinwirkung.

Bei seinem Gerichtsprozess in Luhansk war nur ein Pflichtverteidiger anwesend, nicht einmal die Angehörigen waren im Voraus informiert worden. Ein Anwalt legte zwar Berufung gegen das Urteil ein, das das zuständige Militärgericht in Moskau im August jedoch bestätigte. Im Anschluss an diese Sitzung erhielten anwesende Freunde und Bekannte immerhin erstmals die Möglichkeit mit dem per Video zugeschalteten Menschenrechtler direkt zu sprechen.

„Kein Recht auf Briefverkehr“

Zuvor war Butkewytsch von der Außenwelt praktisch abgeschlossen. An sich sollten Strafgefangene per Brief Kontakt mit Angehörigen halten dürfen. Viele russische Gefängnisse und Straflager sind sogar an ein digitales System angeschlossen, das den Austausch erleichtert. Doch das von Russland annektierte Luhansk ist davon gänzlich ausgenommen, zudem stellt das gesamte Territorium der Oblast Luhansk, wie auch das benachbarte Donezk, praktisch ein rechtsfreier Raum dar, in dem sich auch Anwälte zu ihren Mandanten nur bedingt Zugang verschaffen können.

An Butkewytsch adressierte Briefe kommen seit Monaten, wenn überhaupt, mit einem Stempel versehen an ihre Absender zurück: „Kein Recht auf Briefverkehr“. Das weckt schmerzhafte Erinnerungen an stalinistische Praktiken. In den 1930er Jahren stand ein Urteil über zehn Jahre Lagerhaft ohne Recht auf Briefverkehr als Synonym für die Todesstrafe. Für Maksim Butkewytsch und seine Eltern bleibt nur die Hoffnung auf einen Gefangenenaustausch. Doch konkrete Hinweise darauf, dass in absehbarer Zeit damit zu rechnen ist, gibt es nicht.

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