piwik no script img

Ukrainische MilitäroperationUkraine feiert Angriff auf Krim-Brücke

Der Kreml bestätigt den Angriff auf die Verbindungsbrücke zwischen der Krim und Russland. Im Netz äußern Ukrai­ne­r:in­nen gemischte Gefühle zu der Aktion.

Videobild des Ukrainischen Geheimdienstes soll Schäden an der Krim-Brücke zeigen Foto: Security Service of Ukraine/Anadolu/imago

Kyjiw taz | Innerhalb weniger Tage hat der ukrainische Geheimdienst in zwei Aktionen Russland empfindliche Verluste und immensen Imageschaden zugefügt. Die Reaktionen in der Ukraine von offizieller Seite und in den digitalen Medien sind von Euphorie über das „absolut brillante Ergebnis“ geprägt, das, so Präsident Wolodymyr Selenskyj, in die Geschichtsbücher eingehen werde.

Ukrainische Internetnutzer reagieren mit leicht schwarzem Humor auf den Angriff auf die Krim-Brücke am Dienstag, wie das Nachrichtenportal korrespondent.net berichtet. Die Brücke, welche die seit 2014 von Russland besetzte Halbinsel Krim mit Russland verbindet, scheint nach dem neuen ukrainischen Angriff mit Unterwassersprengsätzen in einem zunehmend maroden Zustand zu sein. Der Kreml hatte den Angriff am Mittwoch bestätigt. Demzufolge sei das Bauwerk dabei nicht zu Schaden gekommen, ukrainische Quellen bezweifeln das allerdings.

In den ukrainischen sozialen Netzwerken verbreiten sich zahlreiche Karikaturen und Memes, die den Angriff auf die Brücke auf satirische Weise darstellen. So wird etwa in diesen Karikaturen suggeriert, dass derselbe Lastwagenkonvoi hinter dem Anschlag stecke, der bereits am 1. Juni bei der Geheimdienstoperation „Spinnennetz“ Drohnenangriffe auf russische Militärflugplätze ausgeführt habe.

In einer dieser Darstellungen, die den Anspruch erheben, humorvoll zu sein, schlüpft Kyrylo Budanow, der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, in die Rolle eines Undercoveragenten. Sein Kollege, der Leiter des Sicherheitsdienstes SBU, Wassyl Maljuk, wird ganz in Manier eines Actionfilms als Fahrer eines mit Sprengstoff beladenen Fahrzeugs gezeigt.

Angriff auf russische Bomberflotte bleibt Thema

Der ukrainische Drohnenangriff auf russische Luftwaffenbasen vom Sonntag, bei dem ungefähr 40 russische Langstreckenflugzeuge, darunter auch strategische Bomber, vernichtet worden sind, ist nach wie vor Thema Nummer eins in den Medien, auf Telegram und im persönlichen Gespräch. Und dabei mischen sich Stolz über den gelungenen Schlag mit der Furcht vor einer russischen Vergeltung.

Für den Kolumnisten Ivan Jakovina ist die Aktion vom Sonntag „hundert Mal cooler“ als die Versenkung des russischen Raketenkreuzers „Moskwa“ Anfang 2022. In der renommierten New Voice schwärmt der Journalist Arkadi Babtschenko von der „brillanten Operation“.

„Sie ist sogar noch cooler als die Pager des Mossad“, so Babtschenko in Anspielung auf die von Israel verursachte massenhafte Explosion von Pagern und Walkie-Talkies im Besitz von Hisbollah-Kämpfern in Libanon im September 2024. Gleichwohl, so Babtschenko, müsse man sich auf eine russische Antwort gefasst machen. „Ich denke, Putin wird hysterisch werden und den Befehl erteilen, alles einzusetzen und den massivsten Terror aller Zeiten zu veranstalten. Seien Sie darauf vorbereitet.“

Angst vor russischer Reaktion

Weniger vorsichtig äußern sich Menschen im persönlichen Gespräch und in anonymen Posts auf Telegram. „Meine Freundinnen und ich haben Angst vor der Antwort Putins. Ich glaube, hier in Kyjiw werden wir die nächsten Tage Schreckliches erleben“ meint die 78-jährige Rentnerin Nadja Cholost gegenüber der taz. Von dem Vergleich mit Pearl Harbor will sie sich nicht beeindrucken lassen. „Nach Pearl Harbor kam Hiroshima“ meint sie.

„Sind die Abgeordneten und Bürokraten eigentlich noch in Kyjiw?“, fragt ein Nutzer, „Max“ auf dem Telegram-Kanal des Politologen Serhi Jagodsinski. Er fürchtet nach den jüngsten ukrainischen Operationen in Russland einen großen Knall. Diesem Gedanken schließt sich auch ein Dimas auf diesem Telegram-Kanal an. „Eine Nation, die Tschernobyl überlebt hat, kann man nicht mit Atomwaffen erschrecken“ hält ihm ein WaxZTil entgegen.

Jagodsinksi selbst schließt einen russischen Nuklearangriff nicht aus. Es sei durchaus möglich, so zitiert das Onlinemedium tsn.ua den Politologen, dass Putin Kyjiw, Lwiw, Schytomyr, Ternopil oder Poltawa mit Atomwaffen angreifen könnte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

19 Kommentare

 / 
  • Die russische Eskalation hängt nicht von Aktionen der Ukraine ab, sondern von den Beschränkungen der russischen Kriegsmaschine. Das ist kein speziell russisches Phänomen. Wer es nicht glaubt, lese bei Clausewitz über die Wechselwirkung von Eskalation und Friktion nach. Ansonsten brauchen wir keine Atomdrohungen von Herrn Clasen, das besorgt Medwedew bekanntlich jeden Donnerstag.

    • @Claude Nuage:

      "Die russische Eskalation hängt nicht von Aktionen der Ukraine ab"

      Bitte nicht die klare Zuordnung der Verantwortlichkeiten anzweifeln. Russland hält sich bisher aus Menschenfreundlichkeit zurück und führt seinen Angriffskrieg mit großer Rücksicht durch, aber die Ukrainer verspielen einfach so all die Geduld und das Wohlwollen.

  • Die Ukraine hat natürlich jegliches Recht sich auf unterschiedliche Arten und Weisen zu wehren.



    Der Ukraine werden auch in Zukunft noch weitere Coups gelingen. Trotzdem gibt es die Gründe die Aktionen zwiespältig zu sehen. Wir wissen inzwischen, dass Russland nach jedem Coup weiter eskaliert hat, auch wenn viele Menschen schon seit 3 Jahren behaupten, dass Russland kein Eskalationspotenzial hat. Diese Art der "Stärkedemonstration" hat bisher also das Gegenteil vom erhofften bewirkt.



    Sicherlich ist eine nukleare "Antwort" der Russen möglich, dass aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht die wahrscheinlichste. Trotzdem sollte man die Gefahr nicht klein reden. In Amerika ist die Fragestellung schon seit dem Herbst 22 ab welchem Punkt Putin Nuklearwaffen einsetzten würde - hier in Europa scheint sich die Frage komischerweise gar nicht zu stellen, weil wir das Moskau immer noch nicht zutrauen.

    • @Alexander Schulz:

      Russland hat doch immer eskaliert, egal, was die Ukraine gemacht hat.



      Was soll den jetzt passieren? Dass das Moskauer Regime der Ukraine den Krieg erklärt?

    • @Alexander Schulz:

      Hat Russland denn von weiterer Eskalation abgesehen, wenn es gerade keinen Coup gab?

      • @nihilist:

        Wenn Sie meinen, ob Russland seinen Angriffskrieg verringerte, wenn es keinen Coup gab ist die Antwort "nein". Wenn Sie meinen, ob nach jedem Coup der Krieg deutlich intensiviert wurde dann leider ja. Das ist ja auch der Grund Grund warum Herr Clasen darauf hinweist, dass sich viele Ukrainer Sorgen über die "Antwort" von Putin machen.



        Verstehen Sie mich nicht falsch die Aktionen der Ukraine sind natürlich vollkommen berechtigt, aber um die Legitimität geht es ja auch gerade nicht.

        • @Alexander Schulz:

          Jetzt haben Sie ihre interessante These zwar wiederholt, aber immer noch nicht belegt. Deshalb zwei Fragen:



          1) Nennen Sie doch bitte zwei oder drei Aktionen der Ukrainer, die aus ihrer Sicht „Coups“ darstellen, und schildern Sie welche Eskalation der Kriegsführung der Russischen Armee das zur Folge hatte.



          2) Interessiert mich der militärische Hintergrund der von Ihnen nun konkret postulierten Eskalation. Nach dem Verlust von einem Viertel bis Drittel der einsatzfähigen Langstreckenbomber ist aus meiner Sicht selbst die Aufrechterhaltung des Bombenterrors im bisherigen Ausmaß erschwert, von einer Ausweitung nicht zu reden. Es sei denn Putin verabschiedet sich schleichend von der Flugkomponente der Nuklearen Triade, also von Russlands atomaren Zweitschlagfähigkeit. Sie sehen das anders, warum?

          • @Barbara Falk:

            Die ukrainische Strategie ist im Einklang mit dem Völkerrecht, jedoch bezweifel ich, dass sie eine friedliche Lösung wahrscheinlicher macht.

            1.) - weniger Tage nach der erfolgreichen Charkiw Offensive annektierte Russland mehrere ukrainische Provinzen



            - nach Angriffen auf die Kertsch Brücke und Eroberung von Teilen von Kursk erfolgten jeweils die schwersten Luftangriffe

            2.) Die meisten Experten gehen davon aus , dass zwischen 8 und 30 Flugzeugen irreparabel zerstört wurden - natürlich eine beeindruckende Zahl! Wie kommen Sie jedoch auf ein 1/4? Ferner würde mich interessieren wieso Sie Russland Zweitschlagfähigkeit, die vor allen Dingen auf der U-Boot Flotte basiert, stark eingeschränkt sehen?

            • @Alexander Schulz:

              Was an den Annektionen ist denn eine „militärische Eskalalation“?



              Die folgenschwersten Luftangriffe fanden im ersten Kriegsjahr statt (zB Mariupol), als die Ukraine noch keine westlichen Luftabwehrsysteme hatte und die Russen sich mit ihren Flugzeugen in den ukr. Luftraum getraut haben.



              Die Gesamtflotte der strategischen Luftwaffe wird (z.B. von SIPRI), Stand 2020, mit etwa 130 angegeben, wobei davon ausgegangen wird, dass nicht alle einsatzfähig waren. Einige dieser Flugzeuge gingen schon vor den jüngsten Drohnenangriffen verloren (insgesamt 8 TU-22M3 und zwei A-50).

              • @Barbara Falk:

                Wer behauptet denn, dass Russland nur militärisch eskaliert? Es lässt sich darüber streiten welches die effektivsten Luftangriffe waren, aber nachweislich waren die Angriffe auf Mariupol nicht die schwersten. Wenn es Sie wirklich interessieren sollte schauen Sie sich doch die Chronologie des Krieges genauer an.



                Die Zerstörung von Flugzeugen hat natürlich schwere Auswirkung auf die Luftwaffe, aber nicht in dem Maße wie sie es behaupten. So ist die Zweischlagfähigkeit zb kaum betroffen, auch wenn Sie das anders sehen.



                Bis in die 60er ließen die USA und die UDSSR dauern Flugzeuge mit nuklear Waffeln in der Luft. Seit den 60ern übernehmen U-Boote die Aufgabe eines potentiellen Zweitschlages.

  • Die nukleare Angst ist eindeutig ein Mittel das der Kreml aufgrund seiner Unterlegenheit gegenüber westlicher Technologie. Ich denke wenn wir uns einschüchtern lassen, dann machen wir diese Waffe nur noch schärfer.

    Der Zar weiß genau dass das der Anfang vom beschleunigten Untergang wäre, deshalb wird es nur ein Drohmittel bleiben.

    Ist es nicht merkwürdig das der Hund (Medwedew) nicht bellt...

  • Es ist sehr zu bedauern, dass diese Brücke noch steht.

  • Ich halte den Vergleich mit Pearl Harbour für zutreffend.



    Wie es nach Pearl Harbour weiterging wissen wie auch:



    Japan hat bekanntlich den zweiten Weltkrieg nicht gewonnen.

    • @TeeTS:

      Pearl Harbor war Japans Angriff auf die USA.



      Russland hat die Ukraine aber schon überfallen.



      Oder sehe ich da etwas falsch?

    • @TeeTS:

      Japan hat die USA bei Pearl Harbour ohne vorherige Kriegserklärung angegriffen.



      Dies gillt beim Angriff auf die Ukraine auch.

    • @TeeTS:

      Pearl Harbor stand am Anfang des Krieges es sind jetzt fast vier Jahre und die betrunkene Wanabe Weltmacht Russland hat gerade fast zwei dutzend Bomber verloren die es nicht ersetzen kann. Russland sollte sich langsam Sorgen machen ob China es nicht demnächst von Verbündetem zu Beute klassifiziert.

  • Russland braucht keinen Anlass, um die Ukraine zu terrorisieren. Das sollten die letzten drei Jahre gelehrt haben.

  • Sicherlich ist der Drang nach Vergeltung groß im Kreml. Aber ich behaupte, mehr als nur aus Gründen der Kränkung oder Blamage für Russland bzw. das russische Militär.

    Und zwar aus mililtärischer und pragmatischer Sicht: Es dürfte auch die Sorge bishin zur Angst eine große Rolle spielen, dass so ein Angriff auf wertvolle Infrastruktur und Waffensysteme erneut passiet.

    • @vøid:

      ""....aus mililtärischer und pragmatischer Sicht.""



      ===



      Mit der Auflösung der Sowjetunion befanden sich 19 Tu-160 auf der Bomberbasis Pryluky in der seit 1991 unabhängigen Ukraine. Zusammen mit 15 Tu-95MS vom Standort Usin und 575 Marschflugkörpern Ch-55 waren in den Folgejahren Verhandlungsgegenstand zwischen Ukraine und Russland.

      In den 1990er Jahren trugen die 19 Tu-160 das Hoheitsabzeichen der Ukraine. Abgeschnitten von Ersatzteillieferungen sank die Zahl der Flugstunden rapide ab. Die Ukraine verfügte zudem nicht über ausreichende Möglichkeiten, um die komplexe Technik zu warten. Da der Erhalt einer strategischen Bomberflotte ohnehin nicht vorgesehen war, begann die Ukraine 1998 mit der Verschrottung der Bomber. Erst nachdem 10 Maschinen verschrottet worden waren, reagierte Russland, da nur sechs Tu-160 nach der Auflösung der Sowjetunion in Russland verblieben waren. Russland erreichte im Winter 1999 von der Ukraine die Auslieferung der noch vorhandenen drei Tu-95MS, acht Tu-160 sowie der zugehörigen 575 Marschflugkörper.

      Das beweist nicht nur den guten Glauben der Ukrainer gegenüber dem Nachbarn 1999 sondern auch den desolaten Zustand der russischen Atomflotte.